OGH 15Os16/06a

OGH15Os16/06a28.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Februar 2006 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Westermayer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Edgar R***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 7 Ur 163/05t des Landesgerichtes Wels, über die Grundrechtsbeschwerde des genannten Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 5. Jänner 2006, AZ 7 Bs 412/05w, 7 Bs 416/05h (ON 79) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Edgar R***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Gegen den deutschen Staatsangehörigen Edgar R***** wird beim Landesgericht Wels Voruntersuchung wegen des Verdachtes des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall, des gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 148 erster Fall StGB sowie des Vergehens nach § 50 WaffG geführt. Nach dem Inhalt des angefochtenen Beschlusses soll er zwischen März und August 2005 in Weyregg in mehreren Angriffen gewerbsmäßig Gegenstände und Bargeld im Gesamtwert von rund 11.500 Euro gestohlen und in insgesamt 27 Fällen andere Personen durch Vortäuschung seiner Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit zur Herausgabe von Waren und Dienstleistungen verleitet haben, wobei der Schaden rund 29.000 Euro betrug, schließlich eine verbotene Waffe, nämlich einen „Totschläger", besessen haben.

Am 23. August 2005 wurde über den Beschuldigten die Untersuchungshaft verhängt und nach Durchführung zweier Haftprüfungsverhandlungen, zuletzt am 30. September 2005 mit Wirksamkeit bis 30. November 2005 fortgesetzt. Mit Schriftsatz vom 21. November 2005 erklärte Edgar R***** den Verzicht auf Durchführung einer weiteren Haftverhandlung. Mit Beschluss vom 30. November 2005 setzte der Untersuchungsrichter ohne Durchführung einer Haftverhandlung die Untersuchungshaft aus den Gründen des § 180 Abs 1 und 2 Z 1 und Z 3 lit b und c StPO mit Wirksamkeit bis 30. Jänner 2006 fort. Dieser Beschluss wurde dem Beschuldigten sowie seinen Verteidiger jeweils am 13. Dezember 2005 zugestellt. Der dagegen sowie gegen einen Berichtigungsbeschluss gerichteten Beschwerde des Beschuldigten gab das Oberlandesgericht Linz mit dem angefochtenen Beschluss nicht Folge und ordnete die weitere Fortsetzung der Haft aus den angeführten Haftgründen bis 6. März 2006 an.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen gerichtete Grundrechtsbeschwerde ist nicht im Recht. Soweit sie behauptet, der Beschuldigte hätte mangels mündlicher Verkündung des Verlängerungsbeschlusses vom 30. November 2005 innerhalb der vorangegangenen, am selben Tag abgelaufenen Haftfrist enthaftet werden müssen, entbehrt sie einer gesetzlichen Grundlage. Nicht in Gegenwart der Parteien ergehende Beschlüsse - so auch einer nach § 181 Abs 5 zweiter Satz StPO - werden nicht durch Verkündung, sondern durch Zustellung der schriftlichen Ausfertigung bekannt gemacht (Fabrizy, StPO9 § 77 Rz 1). Der Zeitpunkt der Zustellung ist für die Frage der Wirksamkeit dieses Beschlusses ohne Bedeutung (vgl 15 Os 110/90). Im Fall des Vorliegens eines Verzichts auf Durchführung einer Haftverhandlung hat der Untersuchungsrichter vor Ablauf der Haftfrist einen Beschluss über die Fortsetzung der Untersuchungshaft ohne vorangegangene mündliche Verhandlung schriftlich zu fassen (und der Gerichtskanzlei zu übergeben, vgl ÖJZ-LSK 1996/231) oder den Beschuldigten zu enthaften (§ 180 Abs 1 zweiter Satz iVm Abs 5 StPO). Die Zustellung des vor Ablauf der ursprünglichen Haftfrist ergangenen Beschlusses erst nach deren Ablauf bedingt hingegen keine Enthaftung (15 Os 32/00). Soweit die Beschwerde die Annahme der Dringlichkeit des Tatverdachts und des Haftgrunds der Fluchtgefahr kritisiert, scheitert sie bereits an der Unterlassung einer entsprechenden Bekämpfung in der Beschwerde gegen den Beschluss des Untersuchungsrichters und demgemäß an einer Erschöpfung des Instanzenzugs (RIS-Justiz RS0114487). Im Übrigen vermag der Beschwerdeführer zur Dringlichkeit des Tatverdachts weder Begründungsmängel des angefochtenen Beschlusses aufzuzeigen, noch erhebliche Bedenken gegen die dazu ergangenen Annahmen des Oberlandesgerichtes zu wecken (vgl 13 Os 158/00), sondern kritisiert mit dem Vorbringen, der Gerichtshof zweiter Instanz habe bestimmte Umstände „nicht zu seinen Gunsten gewürdigt", bloß die Beweiswürdigung. Die Behauptung, der dringende Tatverdacht sei aus einer Vorverurteilung in Deutschland abgeleitet worden, ist aktenwidrig (s S 5 ff der angefochtenen Entscheidung, ON 79). Da die Annahme des (nicht bekämpften) Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr für sich allein zur Begründung der Haft ausreicht, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit den gegen die Fluchtgefahr erhobenen Einwänden (14 Os 45/00; RIS-Justiz RS0061196). Eine Überschreitung der Frist des § 194 Abs 3 StPO lag im Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses - der Beschwerde zuwider - nicht vor.

Somit wurde der Beschuldigte im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb seine Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

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