European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2012:0150OS00158.11S.0229.000
Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Annahme eines 50.000 Euro übersteigenden Schadens, demgemäß in der Subsumtionseinheit nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB sowie im Strafausspruch und im Privatbeteiligtenzuspruch ebenso wie der Beschluss nach § 494a StPO aufgehoben und die Strafsache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.
Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf den kassatorischen Teil dieser Entscheidung verwiesen.
Ihm fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christian R***** des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er von Februar 2007 bis Juli 2008 in Wien in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren (§ 147 Abs 2 StGB) Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen und mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Silvia P***** durch Täuschung über eine beabsichtigte zukünftige gemeinsame Lebensführung, einen akuten Geldbedarf zur Abwendung drohender Haftstrafen „bzw“ zur Verkürzung einer gegenwärtig verbüßten Haftstrafe, eine Verwendung zugewendeter Geldbeträge zur Bezahlung von Geldstrafen anstelle der Verwendung als Spieleinsätze, sowie seine Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit, zur Auszahlung von Geldbeträgen im Gesamtwert von 54.581 Euro verleitet, welche die Genannte in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag an ihrem Vermögen schädigte.
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der teilweise Berechtigung zukommt.
Rechtliche Beurteilung
Die Mängelrüge (Z 5 vierter, der Sache nach fünfter Fall) behauptet im Ergebnis zu Recht, dass das Schöffengericht seine in Zusammenhang mit einer Kreditaufnahme im August 2007 über 60.000 Euro bei der R*****bank Niederösterreich getroffene Feststellung der Übergabe eines „jedenfalls 20.000 Euro nicht unterschreitenden Teils an den Angeklagten“ (US 6) aktenwidrig begründet hat. Die Tatrichter stützten ‑ mit Hinweis auf konkrete Belegstellen aus Vernehmungsprotokollen des Ermittlungsverfahrens und aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ‑ die monierte Feststellung auf die Aussagen der Zeugen W***** und G*****, die laut Urteilsbegründung „unabhängig voneinander angaben, dass rund 20.000 Euro für den Lebensgefährten gedacht waren“ (US 8). Zutreffend zeigt die Beschwerde auf, dass die genannten Zeugen tatsächlich nicht in diesem Sinn ausgesagt haben, hatte doch der Zeuge G***** keinen konkreten Geldbetrag genannt (ON 49 S 35 ff) und der Zeuge W***** von „13.000 bis 17.000 Euro“ gesprochen (ON 49 S 41), letzterer auch bei den weiteren vom Erstgericht zitierten Vernehmungen einen dem Angeklagten zugedachten Kapitalbetrag ziffernmäßig nicht (ON 2 S 167) sowie mit 17.000 Euro (ON 13 S 93) genannt und nur der Zeuge G***** im Ermittlungsverfahren angegeben, P***** habe bei einem Telefongespräch mitgeteilt, dass „20.000 Euro für R*****“ seien (ON 2 S 159). Demnach steht das Urteilsreferat der von den Tatrichtern zur Fundierung ihrer ‑ weil die weiteren festgestellten Schadensbeträge (insgesamt 34.581 Euro) die für die Anwendbarkeit des §
147 Abs 3
StGB normierte Wertgrenze von 50.000 Euro nicht überschreiten und somit die nach § 29
StGB zu bildende
Subsumtionseinheit nicht unberührt bleibt, eine entscheidende Tatsache betreffenden ‑ Feststellung herangezogenen Angaben der Zeugen G***** und W***** (US 8) in erheblichem Widerspruch zum tatsächlichen Inhalt derselben, sodass im Umfang der Annahme eines 50.000 Euro übersteigenden Schadens, demgemäß in der rechtlichen Unterstellung der Taten auch nach § 147 Abs 3 StGB Urteilsnichtigkeit nach Z 5 fünfter Fall gegeben ist.
Angemerkt wird, dass die Tatrichter berechtigt waren, die außerhalb der Hauptverhandlung abgelegten Aussagen der beiden oben genannten Zeugen im Urteil zu verwerten, sind doch die entsprechenden Vernehmungsprotokolle durch Vortrag des Vorsitzenden in zulässiger Form in der Hauptverhandlung vorgekommen (§ 258 Abs 1 StPO).
Dass die für den Vortrag erforderliche Zustimmung der Beteiligten des Verfahrens vorlag, wird im (ungerügt gebliebenen) Hauptverhandlungsprotokoll durch Bezugnahme auf die entsprechende Norm hinreichend und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht („Gemäß § 252 Abs 2a StPO wird der restliche Akteninhalt vorgetragen“, ON 49, S 95; vgl Kirchbacher, WK‑StPO § 252 Rz 141) und von der Beschwerde mit der bloßen Behauptung, es sei keine „ausdrückliche“ Zustimmung erfolgt, nicht in Frage gestellt (s § 863 Abs 1 ABGB). Unzweideutig bezog sich zudem der Vortrag auf alle Aktenstücke mit Ausnahme der unmittelbar zuvor ausgeschiedenen ON 46.
Die Zustimmung des Anklägers oder des Angeklagten zu einem Vortrag gemäß § 252 Abs 2a StPO beinhaltet deren Einverständnis (§ 252 Abs 1 Z 4 StPO), dass die vom Vortrag umfassten Aktenstücke in der Hauptverhandlung vorkommen (§ 258 Abs 1 StPO), weil der Vortrag die Verlesung oder Vorführung nach § 252 Abs 1 oder Abs 2 StPO substituiert, demnach eine Zustimmung zum Vortrag eine umfassende Willenserklärung zum Vorkommendürfen darstellt. Ein Referat nach § 252 Abs 2a StPO kann angesichts der Zustimmung von Ankläger und Angeklagtem (vgl § 252 Abs 1 Z 4 StPO) ‑ unter diesem Gesichtspunkt ‑ daher keine Nichtigkeit bewirken (vgl Kirchbacher, WK‑StPO § 252 Rz 12). Im Übrigen sind vom in der Hauptverhandlung Ausgesagten nicht abweichende frühere Angaben der Vernommenen ‑ ebenso wie abweichende ‑ vom Verlesungsverbot des § 252 Abs 1 StPO gar nicht erfasst (RIS‑Justiz RS0109794 [T3]; Kirchbacher, WK‑StPO § 252 Rz 68; Ratz, ÖJZ 2000, 553).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) behauptet das Fehlen von Feststellungen dahingehend, dass der Angeklagte gewerbsmäßig gehandelt habe. Sie geht dabei nicht von der Gesamtheit der zur subjektiven Tatseite getroffenen Konstatierungen aus, denen zufolge es ‑ bezogen auf alle Betrugshandlungen (arg „bei seinen Tathandlungen“) ‑ „dem Angeklagten darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung von Betrügereien in einem teilweise 3.000 Euro übersteigenden Schadensausmaß, eine fortlaufende Einnahmequelle (gemeint: Einnahme) zu verschaffen“ (US 7), und verfehlt so die prozessordnungsgemäße Darstellung materieller Nichtigkeit (vgl RIS‑Justiz RS0099810).
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Annahme eines 50.000 Euro übersteigenden Schadens, demgemäß in der Subsumtionseinheit nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (vgl Ratz , WK‑StPO § 289 Rz 10) sowie im Strafausspruch und im Privatbeteiligtenzuspruch ebenso wie der Beschluss nach § 494a StPO aufzuheben und die Strafsache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO). Im zweiten Rechtsgang wird die aufgelöste
Subsumtionseinheit nach § 29
StGB ‑ je nach Verfahrensausgang unter Heranziehung des Abs 2 oder Abs 3 des § 147 StGB ‑ neu zu bilden sein (RIS‑Justiz RS0116734). Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Mit seiner Berufung und der impliziten Beschwerde gegen den Beschluss nach § 494a StPO war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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