Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
In der Medienrechtssache der Antragstellerin Andrea H***** gegen die Antragsgegnerin A***** GmbH wurde die Antragsgegnerin als Medieninhaberin der Zeitung „Heute" mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 19. Dezember 2007, GZ 95 Hv 119/07a-11, zu Zahlungen von Entschädigungen in der Höhe von 4.000 Euro für den im genannten Medium am 27. März 2007 erschienenen Artikel und von 2.000 Euro für den Artikel vom 4. April 2007 an die Antragstellerin verurteilt, weil jene in beiden Textstellen als Täterin einer strafbaren Handlung und nicht bloß als tatverdächtig bezeichnet und daher ihre Unschuldsvermutung verletzt wurde (§ 7b MedienG).
Das Ersturteil enthält zum Artikel vom 27. März 2007 folgende wesentlichen Feststellungen:
Unter der Überschrift auf der Titelseite „Nach blutigem Mord: Halbe Familie in Haft - Wiener (41) getötet, Schwiegermutter, Stiefsohn und Ehefrau gestehen" und im Weiteren unter der Überschrift „Mord: Halbe Familie sitzt in Haft!" wurde folgender Text veröffentlicht:
„Wiener mit Feuerlöscher, Messer, Pistole, Baseballschläger getötet. Vier Attentate waren gescheitert - Tatverdächtige zeigen keine Reue
Spektakuläres Ende eines unfassbaren Mordfalls: Nur vier Tage, nachdem die Leiche des Wiener Andreas H***** (41) in seiner Wohnung in Floridsdorf entdeckt wurde, klickten die Handschellen. Laut Kripo wurde der Austria-Tabak-Hausmeister von seiner Ehefrau (34) und dem Stiefsohn (17) getötet, die Schwiegermutter (53) hatte eine der Tatwaffen besorgt. Die Familie sitzt in U-Haft, es muss für sie aber die Unschuldsvermutung gelten.
Und so soll das Mordkomplott abgelaufen sein: Andreas H***** war ein stiller Mensch, ein Einzelgänger - sein Todesurteil. 'Als er nach zehn Jahren Ehe nicht mehr am Familienleben teilnahm', beschloss seine Frau: 'Er muss weg!', so Ermittler Major Gerhard W*****.
Mordmotiv Familienfrieden: Zusammen mit Schwiegermutter Margit W. (53) und Stiefsohn Daniel G. (17) plante Frühpensionistin Andrea H***** (34) die Tat - monatelang. Für 600 Euro besorgte W. eine Pistole Kaliber 7,65. Die 'Generalprobe' des grausamen Clans scheiterte allerdings: 'Vier Mal lauerte der Stiefsohn dem Familienoberhaupt in der Großfeldsiedlung auf - doch jedes Mal verließ ihn der Mut', so ein Fahnder. dann der 21. März: Studenlang hätten der Schüler und seine Mutter in der Wohnung an der B***** auf ihr Opfer gewartet. Um einen Raubmord vorzutäuschen, durchwühlen sie alle Zimmer, greifen sich Schmuck, Geld und sogar Elektrogeräte und transportieren alles in einem großen Koffer ab.
Die blutige Tat: Als H***** die Wohnung betritt, schießt sein Stiefsohn sofort auf ihn. Eine der drei Kugeln trifft, der Hausmeister stürzt schreiend zu Boden. Dann soll das Duo über den Familienvater hergefallen sein - mit einem Küchenmesser auf ihn eingestochen und ihn mit Baseballschläger und Feuerlöscher tot geprügelt haben.
Das Familientrio gerät schnell in Verdacht - und legt nach vier Einvernahmen bei der Polizei „umfassende Geständnisse" ab. 'Trotzdem', so ein bestürzter Ermittler, 'zeigten sie bis heute keine Anzeichen der Reue.'
Neben dem Artikel befindet sich ein Foto des ermittelnden Beamten mit folgenden Begleittext: 'Klärt den einmaligen Mordfall innerhalb von 4 Tagen: Major Gerhard W*****' sowie ein Foto der Antragstellerin mit dem Text 'Hatte die Tat schon monatelang geplant: Die verhaftete Ehefrau Andrea H***** (34)' sowie ein Foto des Opfers mit der Bildunterschrift 'Fiel einem Mordkomplott zum Opfer: Hausmeister Andreas H***** (41)'.
Am 4. April 2007 fand sich unter der Überschrift 'Das überführte die Mordfamilie - getöteter Hausmeister (41): Tätertrio unterliefen haarsträubende Fehler' folgender Text 'Das tödliche Familien-Komplott in Floridsdorf vom 23. März' („Heute" berichtete): Jetzt kam heraus, durch welche haarsträubenden Fehler das mutmaßliche Täter-Trio - Ehefrau (34), Stiefsohn (17) und die Schwiegermutter (53) des Opfers - beim Mord an dem Wiener Hausmeister Andreas H***** (41) wirklich überführt wurde.
Nach nur vier Tagen brachte die Wiener Kripo den mörderischen Familien-Clan zur Strecke. Was ging also schief bei der unfassbaren Tat, die Gattin Andrea (34), Stiefsohn Daniel (17) und Schwiegermutter Margit (53) geplant haben sollen?
Das Opfer kam zu früh nach Hause, platzte in die 'Mord-Vorbereitungen'. 'Er verließ ausgerechnet an jenem Tag seine Arbeitsstelle vorzeitig, wollte am Abend noch ein Auto kaufen', so Ermittler Gerhard W*****. Folge: Statt nur die Pistole zu benutzen, kamen drei 'Zufallswaffen' - Baseballschläger, Küchenmesser und Feuerlöscher - zum Einsatz: 'Aus einem gezielten Mord wurde ein unkontrollierbares Blutbad.'
Der Plan, die Tat als Raubmord zu tarnen, war dilettantisch: 'Für echte Diebe stahlen sie viel zu viel', so ein Fachmann.
Der Hauptfehler: Anstatt nach dem Fund der Leiche umgehend die Exekutive zu alamieren, verständigte die Ehefrau zuerst den Hausbesorger - und machte sich dadurch extrem verdächtig."
Diesem Artikel sind kleine Portraitfotos der Antragstellerin und des Opfers beigefügt, mit folgendem Begleittext zur Antragstellerin: „Sitzt in U-Haft" Ehefrau Andrea H***** 34". Unter dem Foto des Opfers befindet sich der Text „Wurde hingerichtet: Andreas H***** (41)".
Nach den tatsächlichen Annahmen des Erstgerichts versteht der Leser die Artikel dahin, dass die Antragstellerin gemeinsam mit ihrem Sohn und ihrer Mutter ihren Ehemann umgebracht und die Tat bereits seit Monaten geplant habe, dass kein Zweifel an ihrer Täterschaft bestehe und dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis sie auch dafür verurteilt werde.
Rechtlich erachtete die Erstrichterin den Entschädigungstatbestand des § 7b MedienG als erfüllt. Der Ausschlussgrund des § 7b Abs 2 Z 5 MedienG liege nicht vor, da sich der vorliegende Artikel vollkommen mit den Zitaten identifiziere, die zur Verstärkung des angestrebten Bedeutungsinhalts benutzt würden.
Den gegen das Urteil gerichteten Berufungen der Antragstellerin wegen Strafe und der Antragsgegnerin wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 1. September 2008, AZ 18 Bs 193/08a (ON 24 des HV-Aktes) nicht Folge. Es verneinte in diesem Rahmen auch das Vorliegen eines überwiegenden Interesses der Öffentlichkeit iSd § 7b Abs 2 Z 5 MedienG an der Kenntnis der zitierten Äußerungen der Polizeibeamten.
Dagegen wendet sich der Antrag der Antragsgegnerin auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO.
Rechtliche Beurteilung
Ein Erneuerungsantrag, der sich nicht auf eine Entscheidung des EGMR berufen kann, ist nach gesicherter Rechtsprechung zulässig (RIS-Justiz RS012222), hat aber deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine - vom angerufenen Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende - Grundrechtsverletzung iSd § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei. Dabei hat er sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen.
Diesem Kriterium wird der vorliegende Antrag nicht gerecht. Mit der pauschalen Behauptung, dass es sich bei den inkriminierten Textstellen um Zitate tatsächlicher Äußerungen von Polizeibeamten handle, weshalb der Ausschlussgrund des § 7 b Abs 2 Z 5 MedienG verwirklicht sei, vernachlässigt der Erneuerungswerber zum einen das für seine Privilegierung zusätzlich erforderliche - von den Tatrichtern jedoch begründet verneinte - gesetzliche Kriterium eines überwiegenden Interesses der Öffentlichkeit an der Kenntnis der zitierten Äußerung, zum anderen setzt er sich in keiner Weise mit den unbedenklichen Annahmen der Tatrichter zur Identifizierung des Mediums mit der Vorverurteilung durch die zitierten Dritten auseinander (S 97, 167).
Mit der pauschalen Berufung auf den Zweifelsgrundsatz sowie auf die Entscheidungen 11 Os 124/07f und 15 Os 6/08/h behauptet der Erneuerungswerber, es sei bei mehrdeutigen Äußerungen immer von der für den Antragsgegner günstigsten Variante auszugehen, weshalb der inkriminierte Artikel im Zweifel dahin zu verstehen sei, dass die Antragstellerin bloß als tatverdächtig bezeichnet wurde. Dabei verkennt er, dass der Zweifelsgrundsatz erst dann zum Tragen kommt, wenn nach eingehender Würdigung der Beweise objektiv vernünftige Zweifel am Vorliegen von für die Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidenden tatsächlichen Umständen (hier: eines für die Antragsgegnerin nachteiligen Bedeutungsinhalts der inkriminierten Äußerung) gegeben sind (vgl Lendl, WK-StPO § 258 Rz 36). Eine Beweisregel in dem Sinn, dass zur Frage des Bedeutungsinhalts jedenfalls von der für den Angeklagten (Antragsgegner) günstigsten denkmöglichen Variante auszugehen sei, ist dem Gesetz fremd. Nur dann, wenn mehrere verschiedene Auslegungen zur Beurteilung des Sinngehalts einer Aussage im Rahmen der Beweiswürdigung nicht ausgeschlossen werden können, kommt - entsprechend dem Grundsatz „in dubio pro reo" - die für den Angeklagten (Antragsgegner) günstigste dieser Versionen zum Tragen (11 Os 124/07f, 15 Os 6/08h).
Bedenken gegen die eingehend begründeten (S 9 f in ON 11, S 10 in ON 24) tatrichterlichen Annahmen, die Antragstellerin sei durch die inkriminierte Textstelle gegenständlich als einer gerichtlich strafbaren Handlung nicht bloß verdächtig, sondern überführt oder schuldig hingestellt worden, vermag der Erneuerungsantrag mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten und unter Vernachlässigung des Gesamteindrucks nicht zu wecken. Eine Verletzung des Grundrechts der Antragsgegnerin auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 MRK iSd § 363a Abs 1 StPO wird somit im Antrag nicht begründet dargetan.
Deren Erneuerungsantrag war daher als offenbar unbegründet bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO).
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