European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0150OS00142.20A.0222.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten H***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen Freispruch betreffend den Mitangeklagten enthält, wurde L***** H***** des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 10. Juni 2020 in S***** A***** K***** durch Versetzen von Fußtritten gegen das Gesicht und den Kopf am Körper verletzt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich (ua) einen Bruch des Oberkiefers des Genannten herbeigeführt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a und Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H*****, die ihr Ziel verfehlt.
[4] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) ortet einen „Feststellungsmangel“ (gemeint: Rechtsfehler mangels Feststellungen; vgl RIS‑Justiz RS0119090) zur subjektiven Tatseite wegen substanzlosen Gebrauchs der „verba
legalia“, legt aber nicht dar, weshalb es den auf US 7 getroffenen Konstatierungen am gebotenen Sachverhaltsbezug fehlen und sie daher nicht ausreichend sein sollten (RIS‑Justiz RS0098664).
[5] Entgegen dem in diesem Zusammenhang inhaltlich erhobenen Einwand einer offenbar unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) ist die Ableitung des (zumindest) bedingten Vorsatzes auf Zufügung einer schweren Verletzung aus dem äußeren Tatgeschehen (Fußtritte gegen den Gesichts‑, Kopf‑ und Schulterbereich eines am Boden liegenden Menschen; US 12 f) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.
[6] Indem die Subsumtionsrüge (Z 10) unter Bestreitung des Eintritts einer an sich schweren Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung iSd § 84 Abs 4 StGB (iVm § 84 Abs 1 StGB) darauf hinweist, dass kein operativer Eingriff erforderlich gewesen und der Knochenbruch innerhalb von 21 Tagen komplikationslos abgeheilt sei, lässt sie offen, weshalb es sich beim Oberkiefer um einen kleineren Knochen von untergeordneter Bedeutung handeln sollte (vgl aber RIS‑Justiz RS0092410 [T2]; RS0092611) und es im Zusammenhang mit einer an sich schweren Verletzung (hier in Form eines Knochenbruchs) auf die Dauer der Gesundheitsschädigung, die Art der Behandlung oder die folgenlose Abheilung ankommen sollte (vgl dazu RIS‑Justiz RS0092425, RS0092460). Soweit die Beschwerde zudem von einem bloß unverschobenen Bruch ausgeht, orientiert sie sich nicht an den Urteilsgründen, wonach das Opfer eine Mehrfachfragmentfraktur des rechten Oberkiefers mit Dislokation eines Frakturfragments erlitt (US 12).
[7] Schließlich sei darauf hingewiesen, dass bei – wie hier nach den Feststellungen gegebenem – Vorsatz auf Zufügung einer schweren Verletzung (US 7) das Verbrechen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB selbst im Fall des Eintritts eines letztlich bloß leichten Verletzungserfolgs gleichwohl, dann nämlich in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) verwirklicht wäre (RIS‑Justiz RS0131591).
[8] Soweit das Rechtsmittel nach Art einer Aufklärungsrüge (dSn Z 5a) die Unterlassung der (amtswegigen) Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zu den Verletzungsfolgen kritisiert, gibt es nicht zu erkennen, wodurch der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer an zweckentsprechender Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen wäre (RIS‑Justiz RS0115823). Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Verletzung als schwer iSd § 84 Abs 1 StGB einzustufen ist oder nicht, handelt es sich jedenfalls um eine Rechtsfrage, die daher vom Gericht und nicht vom Sachverständigen zu lösen ist (RIS‑Justiz RS0092554).
[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§ 285i StPO).
[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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