European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0150OS00134.19Y.0115.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ahmad H***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Danach hat er – zusammengefasst – unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden (US 8) Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen und seelischen Störung von höherem Grad beruhte, nämlich einer paranoiden Schizophrenie, Nachgenannte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, durch im Urteil wiedergegebene E‑Mails gefährlich bedroht, und zwar
A./ Mag. Andrea G***** am 24. März 2019 in W***** mit einer auffallenden Verunstaltung, indem er ihr unter anderem schrieb, er würde ihr das Gesicht verschandeln;
B./ Dr. Pamela R***** am 25. Mai 2019 in L***** mit dem Tod, wobei er unter anderem äußerte: „… wir hätten euch alle gewarnt, … es ist vorbei, … oder trau dich doch nach Israel wenn wir (quassam) euch verdammte judenschweine im besetzten Palästina wegsprengen, … oder wollt ihr wieder im AKW gegrillt werden, bis Ruhe ist? ...“,
somit Taten begangen, die als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 dritter Fall StGB (A./) und nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (B./) mit einer jeweils ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen nominell aus § 281 Abs 1 Z 5 und Z 5a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen ist nicht berechtigt.
Die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO sind voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen, wobei unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich der Nichtigkeitswerber für beschwert erachtet (RIS‑Justiz RS0115902). Soweit in der Beschwerde zum „Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 55a StPO“ (gemeint wohl Z 5 und 5a) ein undifferenziertes Vorbringen erstattet wird, entspricht dies nicht der Strafprozessordnung.
Darauf, ob das Opfer tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzt wurde, kommt es beim Tatbestand des § 107 Abs 1 StGB nicht an (RIS‑Justiz RS0092392 [T10]). Demgemäß ist es auch irrelevant, ob betreffend B./ die Adressatin schon ursprünglich eine Bedrohungssituation annahm oder erst nach dem Ergreifen von Schutzmaßnahmen für sie durch die Polizei.
Der Rechtsmittelwerber wirft dem Erstgericht einen unzulässigen Zirkelschluss vor (Z 5 vierter Fall), weil aus dem Ergreifen von Schutzmaßnahmen durch die Polizei nicht darauf geschlossen werden dürfe, dass die Adressatinnen der E‑Mails in Furcht und Unruhe versetzt werden könnten. Dabei verkennt er, dass es sich bei der Eignung, dem Bedrohten begründete Besorgnisse einzuflößen (§ 74 Abs 1 Z 5 StGB), um eine Rechtsfrage handelt (RIS‑Justiz RS0092448).
Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld‑ oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780). Indem die Beschwerde ausführt, bei Gesamtbetrachtung der E‑Mails des Betroffenen wäre die Annahme einer „echten Bedrohung“ nicht gerechtfertigt, vielmehr handelte es sich um wirre und keinem logischen Duktus folgende Nachrichten, werden erhebliche Bedenken jedenfalls nicht geweckt.
Werden die gesetzlichen Kriterien für die Gefährlichkeitsprognose verkannt oder wird die Prognosetat verfehlt als solche mit schweren Folgen beurteilt, kommt eine Anfechtung nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO in Betracht. Der Sanktionsausspruch ist dann nichtig, wenn im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose eine der in § 21 StGB genannten Erkenntnisquellen (Person, Zustand des Rechtsbrechers und Art der Tat) vernachlässigt wird oder die Feststellungsgrundlage die Ableitung der schweren Folgen als willkürlich erscheinen lässt (RIS‑Justiz RS0118581, RS0113980, RS0090341). Die ausschließlich auf die Gefährlichkeitsprognose bezogenen Ausführungen des Betroffenen legen nicht dar, weshalb die erstgerichtliche Feststellung, wonach mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass er – unbehandelt – erneut strafbare Handlungen von der Art der Anlasstaten, insbesondere qualifizierte Drohungen mit dem Tod begehen wird (US 9), betreffend die Prognosetat nicht ausreichen sollte. Weshalb es bei der Prognosetat darauf ankommen sollte, ob der Betroffene seine Drohungen in die Tat umsetzen könnte und ob die Adressaten tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzt würden, wird nicht klar (vgl RIS‑Justiz RS0092753, RS0092392 [insbesondere T12]).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
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