OGH 15Os130/22i

OGH15Os130/22i18.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Jänner 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Mag. Lonin als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des * B* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 17. November 2022, GZ 38 Hv 47/22k‑30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00130.22I.0118.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * B* nach § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er am 9. Oktober 2021 in S* unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer kombinierten Persönlichkeitsstörung sowie einer paranoiden Schizophrenie, versuchte,

I./ Beamte durch gefährliche Drohung und Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern, und zwar die Justizwachebeamten K*, V*, W*, M*, P*, J* und S* an seiner Verlegung in einen anderen Haftraum, indem er zu K* „Soll ich dich umbringen? Was ist mit dir. Willst du es wirklich wissen?“ schrie, mit einem Messer durch eine Öffnung des Zwischengitters seiner Haftraumtür in Richtung W* stach (US 3: weiters das Messer nach diesem warf) und mit einem Besenstiel durch das Zwischengitter in Richtung der einschreitenden Justizwachebeamten stach;

II./ „durch die unter I./ angeführte Handlung“ den Justizwachebeamten W* am Körper zu verletzen, wobei er die Körperverletzung (§ 83 Abs 1 StGB) an einem Beamten während der Vollziehung seiner Aufgaben zu begehen versuchte,

sohin eine Tat beging, die als das Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB (I./) und das Vergehen der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (II./) mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.

Rechtliche Beurteilung

[2] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, die ihr Ziel verfehlt.

 

[3] Die vermisste Auseinandersetzung mit ins Treffen geführten Details der – grundsätzlich erörterten – Aussage des Zeugen M* (US 5 f) begründet keine Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall). Denn die – bloß isoliert hervorgehobenen – Aussagepassagen, der Zeuge habe die Handlungen des Betroffenen im (unmittelbaren) Moment des Herausstechens mit dem Messer aus der Speiseklappe in der Zwischengittertür „nicht wirklich 100% ernst“ genommen, „weil er ja gar nicht raus könnte“ und die Beamten „einen halben oder dreiviertel Meter“ entfernt gestanden seien, stehen der Feststellung entscheidender Tatsachen zu I./ und zu II./ – auch zur subjektiven Tatseite – nicht entgegen.

[4] Gleiches gilt für die Kritik an der unterbliebenen Erörterung (Z 5 zweiter Fall) der Angaben des Zeugen V*, durch die Schutzausrüstung hätte „nichts Gravierendes passieren“ können.

[5] Inwiefern diese Verfahrensergebnisse allein wegen der von der Beschwerde aufgezeigten (anfänglichen) Entfernung der Beamten zur Speiseklappe indizieren sollten, dass eine Verletzung des W* zu II./ im Zug der zu I./ dargestellten Amtshandlung nach Art der Handlungen des Betroffenen (unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls) unter keinen Umständen möglich war (vgl § 15 Abs 3 StGB; RIS‑Justiz RS0098852), legt die insoweit einen Feststellungsmangel (nominell Z 9 lit a; dSn [wegen der Idealkonkurrenz zu I./] Z 10) behauptende Beschwerde nicht dar.

[6] Soweit die Beschwerde zu I./ die „subjektive Vorwerfbarkeit“ (erkennbar gemeint: den Tatvorsatz) bestreitet, orientiert sie sich prozessordnungswidrig nicht an den Urteilsfeststellungen (US 4) und vernachlässigt somit den Bezugspunkt materiell‑rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810). Inhaltlich bekämpft sie damit bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter (US 5 f).

[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

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