Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die durch seine erfolglos gebliebenen Rechtsmittel verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Stefan P*****, geborener S*****, der Vergehen (zu 1.) nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG und (zu 2.) - insoweit abweichend von der wider ihn wegen Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB erhobenen Anklage - der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er in Absam/Tirol
1.) von 1997 bis 6. Juni 1999, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt eine genehmigungspflichtige Schusswaffe, nämlich einen Revolver Smith & Wesson, besessen und
2.) am 6. Juni 1999 fahrlässig den Tod seiner Ehegattin Erika P***** herbeigeführt, indem er trotz eines früheren Selbstmordversuchs und trotz der Medikamentensucht seiner Frau den Revolver samt Munition unversperrt in der Wohnung auf dem Schlafzimmerkasten verwahrte, sodass Erika P***** diese Waffe erlangen und sich damit selbst erschießen konnte.
Die Geschworenen hatten die anklagekonform auf das Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB gerichtete Hauptfrage 1. verneint, hingegen die auf das Vergehen der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB gerichtete Eventualfrage ebenso wie die auf das Vergehen nach dem Waffengesetz gerichtete Hauptfrage 2. bejaht.
Dieses Urteil bekämpfen der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft mit Nichtigkeitsbeschwerde, die der Angeklagte auf Z 11 lit a und die Anklagebehörde auf Z 1 und 5 des § 345 Abs 1 StPO stützen.
Zur Beschwerde der Staatsanwaltschaft:
Rechtliche Beurteilung
Unter der Z 1 macht die Anklagebehörde geltend, dass nicht alle Geschworenen der ganzen Verhandlung (geistig) beigewohnt haben, weil "eine Geschworene" in der wohl wichtigsten Phase, nämlich während der Demonstration von Lichtbildern über die obduktions- und spurenkundlichen Ergebnisse durch den Sachverständigen Univ. Dr. Rabl "geschlafen hat". Zum Nachweis dieses Vorbringens legt sie die schriftliche Erklärung dreier Personen vor, die in der Hauptverhandlung anwesend waren:
Eine Frau namens Bettina L***** gab dazu in ihrer eidesstattlichen Erklärung an, dass während des Lichtbildvortrages von Univ. Dr. Rabl die Geschworene ganz links in der ersten Reihe "eingeschlafen ist", "minutenlang die Augen geschlossen und eine typische Schlafhaltung hatte". Auch der Schwurgerichtshof sei auf den Zustand der Geschworenen aufmerksam geworden und es sei ihr ein Glas Wasser gebracht worden (S 219/VI). Das Reichen eines Bechers an jene in der ersten Sitzbank, glaublich an die aus Sicht des Schwurgerichtshofes auf dem zweiten Sessel plazierte Geschworene, wurde auch von der Staatsanwältin Mag. Gabriele G***** in einem Gedächtnisprotokoll bestätigt (S 223/VI). Hingegen führt Maria E. S***** in ihrer eidesstättigen Erklärung vom 11. Mai 2000 aus, dass der Geschworene in der letzten Reihe rechts mit heller Oberbekleidung während des Vortrages von Dr. Rabl eingeschlafen sei (S 221/VI).
Der Vorsitzende des Schwurgerichtshofes hielt in einem Aktenvermerk vom 10. Juli 2000 fest, dass der Geschworenen Christine K***** ein Glas Wasser gebracht worden sei, nachdem sie kurz die Augen geschlossen und einen erfrischungsbedürftigen Eindruck gemacht habe. Auf telefonische Anfrage habe ihm diese Geschworene dazu sinngemäß erklärt, sie sei zwar angestrengt gewesen und habe kurz die Augen geschlossen, jedoch sei sie ständig bei vollem Bewusstsein gewesen und nicht etwa eingeschlafen (S 233/VI).
§ 345 Abs 1 Z 1 StPO soll (ua) sicherstellen, dass jedes Mitglied des erkennenden Gerichtes das gesamte Geschehen der Hauptverhandlung unmittelbar sinnlich wahrzunehmen in der Lage ist und ihm solcher Art alle Vorgänge in der Verhandlung (und damit insbesondere im Zug der Beweisaufnahme) aus eigener Wahrnehmung zugänglich sind, wie dies dem Grundsatz der Unmittelbarkeit entspricht. Aus dem Vorgehen des Vorsitzenden in der Verhandlung vor dem Geschworenengericht (Erfrischung einer ermüdeten Geschworenen durch ein Glas Wasser) ergibt sich, dass der Schwurgerichtshof selbst auf ein die unmittelbar sinnliche Wahrnehmung des Geschehens in der Verhandlung beeinträchtigendes Verhalten der Geschworenen (auf Grund eigener Beobachtung oder Hinweis) sofort reagierte und geeignete Maßnahmen dagegen getroffen hat. Das aus Anstrengung erfolgte kurzzeitige Schließen der Augen (allenfalls auch unter Einnahme einer "Schlafhaltung") impliziert jedoch keinen eine geistige Abwesenheit bewirkenden Tiefschlaf. Bloße physische Ermüdungserscheinungen sind aber nicht geeignet, eine Nichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 1 StPO zu bewirken (12 Os 138/90).
Die erstmals im Rahmen der Beschwerde vorgebrachten Ausführungen sind zudem unzulässig und verspätet, weil entgegen der Vorschrift des § 345 Abs 2 StPO der relevierte Umstand nicht sogleich, nachdem er bekannt geworden ist, geltend gemacht wurde, wie aus dem mit 4. Mai 2000 datierten Gedächtnisprotokoll der Staatsanwältin Mag. G***** hervorgeht (SSt 56/84).
Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen geht somit in jeder Hinsicht ins Leere.
Die Verfahrensrüge (Z 5) richtet sich gegen die Abweisung des vom Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft gestellten Antrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, "dass der bereits mehrfach erwähnte Abschiedsbrief [der Erika P*****] nicht in der Nähe des 6. 6. 1999 und nicht mit dem heute von der Verteidigung vorgelegten Kugelschreiber geschrieben wurde". Auf Frage des Vorsitzenden führte der Antragsteller aus, es gebe Anhaltspunkte dafür, dass dieser Brief früher geschrieben worden sei, weil Erika P***** im Juli 1998 einen Selbstmordversuch unternommen habe. Dafür, dass der in der Hauptverhandlung vorgelegte Kugelschreiber verwendet worden sei, gebe es überhaupt keine Anhaltspunkte (S 165 ff/VI).
Der Schwurgerichtshof lehnte diese Beweisaufnahme zu Recht ab (S 167 f/VI), weil das Beweisthema bei realistischer Betrachtung - der Beschwerde zuwider - von vorneherein ungeeignet war, auf die Entscheidung der Geschworenen irgendeinen Einfluss zu üben, und der Antrag im Kern nur auf die Aufnahme eines unzulässigen Erkundungsbeweises zielte.
Selbst ein (gelungener) Nachweis, dass der fragliche Abschiedsbrief zu einem früheren Zeitpunkt geschrieben wurde, wäre weder für sich allein noch im Zusammenhang mit den sonst im Verfahren hervorgekommenen Umständen ein tauglicher Beweis für die Schuld des Angeklagten, zumal ein Selbstmörder auch einen schon früher geschriebenen Abschiedsbrief hinterlassen kann. Auch der Umstand, dass der Brief nicht mit dem vom Verteidiger vorgelegten Kugelschreiber geschrieben wurde, vermag den Angeklagten nicht in der von der Staatsanwaltschaft intendierten Weise zu belasten. Darüberhinaus bleibt das Vorbringen des Staatsanwaltes jeglichen konkreten Anhaltspunkt dafür schuldig, warum das Schreiben nicht doch unmittelbar vor dem Tod der Erika P***** verfasst worden sein kann. Allein aus der Tatsache, dass das Opfer bereits im Juli 1998 einen Selbstmordversuch unternommen hatte, lässt sich dies nicht ableiten. Somit erweist sich der vorliegende Antrag in der Tat als auf Durchführung eines bloßen Erkundungsbeweises gerichtet (siehe näher hiezu Mayrhofer StPO4 § 281 Z 4 E 88 ff).
Des weiteren ermangelt es auch an einem Vorbringen im Verfahren erster Instanz, aus welchen konkreten Gründen der Beweis dafür erbracht werden könnte, dass der Abschiedsbrief früher geschrieben wurde. Ist doch die Bestimmung des Alters einer Kugelschreiberschrift nach der Gerichtserfahrung generell sehr schwierig. Dazu bedarf es für die Erstellung einer erfolgversprechenden Expertise (unter anderem) jedenfalls eines - vorliegend nicht verfügbaren - umfangreichen Vergleichsmaterials (vgl auch 12 Os 156/83).
Demnach wurden durch die Abweisung des Beweisantrages keine Grundsätze hintangesetzt, deren Beobachtung ein die Strafverfolgung sicherndes, faires Verfahren verlangt.
Zur Beschwerde des Angeklagten:
Entgegen der Rechtsrüge (Z 11 lit a) hat der Angeklagte auf Grund der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Tatsachen die fahrlässige Tötung seiner Ehegattin wegen mangelhafter Verwahrung der Faustfeuerwaffe, mit der Erika P***** Selbstmord beging, zu verantworten. Aus § 8 Abs 6 Z 2 WaffG ist abzuleiten, dass Waffen sicher zu verwahren sind. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Stefan P***** eine genehmigungspflichtige Schusswaffe ohne behördliche Bewilligung besaß. Die sichere Verwahrung von Schusswaffen ist in § 3 der 2. Waffengesetz - Durchführungsverordnung, BGBl II 1998/313, näher geregelt. Nach deren Abs 1 ist eine Schusswaffe (nur dann) sicher verwahrt, wenn ihr Besitzer sie in zumutbarerweise vor unberechtigtem - auf Aneignung oder unbefugte Verwendung gerichtetem - Zugriff schützt. Abs 2 Z 3 führt als einen der für die Beurteilung der Sicherheit der Verwahrung von Waffen und Munition insbesondere maßgeblichen Umstände an, inwieweit diese Gegenstände vor dem Zugriff von Mitbewohnern, die zu deren Verwendung nicht befugt sind, geschützt sind.
Die Verpflichtung zur sorgfältigen Verwahrung von Waffen besteht auch gegenüber dem Ehegatten (VwGH vom 17. Juni 1999, GZ 99/20/0158). Besondere Sorgfalt ist unter anderem dann geboten, wenn bei einem nicht zum Besitz von Waffen berechtigten Ehegatten eine psychische Ausnahmesituation oder die Neigung zu Aggressionen erkennbar ist (VwGH vom 9. Oktober 1997, GZ 95/20/0421). Die Verwahrung einer Waffe entweder in einem unversperrten Nachtkästchen (VwGH vom 17. Juni 1999, GZ 99/20/0158) oder in einem unversperrten (VwGH vom 23. Februar 1994, GZ 93/01/0327) oder jederzeit aufsperrbaren Kasten (VwGH vom 7. Mai 1998, GZ 98/20/0083) ist als mangelhaft anzusehen.
Ausgehend von den im Wahrspruch der Geschworenen getroffenen Feststellungen waren dem Beschwerdeführer, einem langjährigen Waffenmeister beim Österreichischen Bundesheer, ein früherer Selbstmordversuch und die Medikamentensucht seiner Ehegattin bekannt. Gerade diese auf einen psychischen Ausnahmezustand und auf Selbstaggression hinweisenden Umstände hätten ihn zu besonderer Sorgfalt bei der Verwahrung der Waffe verpflichten müssen. Der Beschwerde zuwider minderte die Medikamentensucht der Erika P***** den auf die Verwahrung der Waffe anzuwendenden (strengen) Sorgfaltsmaßstab in keiner Weise. Durch die nachlässige - den Zugriff eines Unbefugten jederzeit und ohne besondere Schwierigkeit ermöglichende - Verwahrung des Revolvers samt Munition in einer oben auf dem Schlafzimmerkasten liegenden Tasche ist der Nichtigkeitswerber der ihn treffenden Sorgfaltspflicht nicht hinreichend nachgekommen und hat daher fahrlässig den Tod der Erika P***** zu verantworten.
Die zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen.
Das Geschworenengericht verurteilte den Angeklagten nach § 80 StGB unter Anwendung der §§ 28 Abs 1 und 37 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätze zu je 550,- - S, im Fall der Uneinbringlichkeit zu 120 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, die es gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB rechnete es auf die verhängte Strafe die Vorhaft vom 20. Oktober 1999 bis zum 5. Mai 2000 an.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend das Zusammentreffen zweier Vergehen und den langen Zeitraum des unbefugten Waffenbesitzes, als mildernd hingegen das untadelige Vorleben des Angeklagten, sein Geständnis und die Betroffenheit durch den Tod der eigenen Ehegattin sowie den vorsätzlichen Tatbeitrag der Erika P*****.
Dagegen richtet sich die Berufung des Angeklagten mit dem nicht näher konkretisierten Antrag, "die verhängte Strafe schuld- und tatangemessen herabzusetzen".
Sie ist nicht im Recht. Das Geschworenengericht hat die Strafzumessungstatsachen im Ergebnis nicht nur vollständig festgestellt, sondern sie auch entsprechend gewichtet und über den Angeklagten eine in keine Richtung hin reduktionsfähige (bedingt nachgesehene) Geldstrafe verhängt. Der vom Berufungswerber zusätzlich ins Treffen geführte Umstand, er habe die Schusswaffe in seiner Wohnung aus achtenswerten Beweggründen verwahrt, um die Waffe dem unberechtigten Zugriff der mj. Kinder seines Stiefsohnes zu entziehen, somit im guten Glauben gehandelt, durch die Verwahrung der Waffe Unheil von dritten Personen abzuwenden, liegt nicht vor.
Somit war auch der Berufung ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die im Spruch angeführte Gesetzesstelle.
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