European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00098.17V.1107.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Irfo H***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 206 Abs 1, 15 StGB (I), des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II) und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach §§ 212 Abs 1 Z 2, 15 StGB (III) schuldig erkannt.
Danach hat er von Mitte 2006 bis Mitte 2012 in W***** und in B*****
I/ mit der am 20. Juli 1998 geborenen, mithin unmündigen, Celine W***** dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen,
A/ unternommen, und zwar in zumindest fünf Fällen, indem er mit seiner Hand in ihre Hose und Unterhose fuhr und zwei Finger in ihre Vagina einführte;
B/ zu unternehmen versucht, indem er sie einmal im Jahr 2011 aufforderte, die im Punkt I/A beschriebenen geschlechtlichen Handlungen zuzulassen, was sie „ablehnte, weshalb es beim Versuch blieb“;
II/ außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an Celine W***** vorgenommen, indem er ihr in einer unbestimmten Zahl von Fällen auf die Brust griff;
III/ mit der minderjährigen Celine W*****, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person,
A/ die zu den Punkten I/A und II beschriebenen geschlechtlichen Handlungen vorgenommen;
B/ die zum Punkt I/B beschriebene geschlechtliche Handlung vorzunehmen versucht.
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 10 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Antrag auf Vernehmung der Zeugin Zejneb H***** (ON 20 iVm ON 21 S 17) zu Recht abgewiesen, denn das Antragsvorbringen ließ – mit Blick auf die allein thematisierte Glaubwürdigkeit des Opfers – keine konkreten Anhaltspunkte erkennen, dass dieses in Bezug auf entscheidende Tatsachen die Unwahrheit gesagt habe (RIS‑Justiz RS0120109 [T3]). Das zur Antragsfundierung nachgetragene Beschwerdevorbringen (zur Relevanz offenbar im Zusammenhang mit den Schuldsprüchen I/B und III/B) ist als prozessual verspätet unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618).
Die Mängelrüge spricht mit der Kritik (der Sache nach Z 5 dritter Fall), dem Beschwerdeführer würden einerseits (im Referat der entscheidenden Tatsachen [§ 260 Abs 1 Z 1 StPO]) (etwa) fünf (US 3), in den Entscheidungsgründen jedoch (zumindest) vier (US 6) § 206 Abs 1 StGB subsumierte (vollendete) Taten angelastet, keine entscheidende Tatsache an (RIS‑Justiz RS0117499), denn der Schuldspruch zu I/A umfasst eine gleichartige Verbrechensmenge bloß pauschal individualisierter Taten. Der Wegfall bloß einer von diesen hätte keinen Einfluss auf den Schuldspruch (vgl RIS‑Justiz RS0115706).
Mit der Behauptung, aus der (selektiv zitierten) Aussage der Zeugin Raphaela K***** (ON 27 S 7, vgl aber S 11 ff) ergebe sich, dass der Beschwerdeführer bloß eine Missbrauchshandlung gesetzt habe, wird bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung bekämpft.
Entgegen der weiteren Mängelrüge hat das Erstgericht die Feststellung, die Brust des Opfers sei bei den zum Schuldspruch II angelasteten Missbrauchshandlungen bereits entwickelt gewesen (US 5), sehr wohl begründet und sich dabei – aus Z 5 vierter Fall unbedenklich – auf die dahingehende Aussage des Tatopfers gestützt (US 13 iVm ON 11 S 45).
Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang das Unterbleiben amtswegiger Sachverhaltsaufklärung beklagt (der Sache nach Z 5a), unterlässt er die gebotene Darlegung, weshalb er an entsprechender Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert war (vgl ON 21 S 3).
Indem die zum Schuldspruch II ausgeführte Rechtsrüge (Z 9 lit a) diese Feststellungen (zur Entwicklung der Brust des Opfers) ignoriert, verfehlt sie die prozessordnungsgemäße Darstellung. Gleiches gilt für die Behauptung fehlender Angaben zum Tatzeitraum (vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0117498).
Die Annahme, der Beschwerdeführer sei bei der zu Punkt I/B angelasteten Handlung bereits ins strafbare Versuchsstadium eingetreten, stützt das Erstgericht auf die– dislozierte, aber hinreichend deutliche – Feststellung (US 13), das Opfer habe die (bereits in Richtung der Scheide des Mädchens bewegte) Hand des Beschwerdeführers weggeschlagen (vgl RIS‑Justiz RS0089796). Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) diese Konstatierungen bekämpft – ohne im Übrigen einen Begründungsmangel deutlich und bestimmt geltend zu machen – verfehlt sie den im Urteilssachverhalt gelegenen tatsächlichen Bezugspunkt des materiellen Nichtigkeitsgrundes.
Dass „§ 212 StGB zu den §§ 206, 207 StGB subsidiär“ sei, behauptet die Subsumtionsrüge (Z 10) ohne methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz (RIS‑Justiz RS0116565; vgl im Übrigen RS0095110).
Gleiches gilt für den – zudem § 58 Abs 3 Z 3 StGB außer Acht lassenden – Einwand, die in Idealkonkurrenz mit Verbrechen nach § 206 Abs 1 und § 207 Abs 1 StGB verwirklichten (US 7) Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses wären separat verjährt (vgl den auf Verjährung der Strafbarkeit von Taten [nicht von strafbaren Handlungen] abstellenden Wortlaut des § 57 Abs 2 StGB [dazu RIS‑Justiz RS0113960]).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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