OGH 14Os90/14p

OGH14Os90/14p28.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Oktober 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Spunda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andrew M***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 11. März 2014, GZ 25 Hv 117/13t‑21, und weiters über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsichten nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0140OS00090.14P.1028.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die „Berufung wegen Schuld“ werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die gegen den Ausspruch über die Strafe gerichteten Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Andrew M***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 15. März 2013 in S***** mit der am 25. April 1999 geborenen Afra S***** den Beischlaf unternommen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 5a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die

außerhalb solcher

Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Indem die Beschwerde die Annahme, der Angeklagte habe die Unmündigkeit der Afra S***** ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden (US 3)

, im Wesentlichen mit dem Hinweis darauf bestreitet, dass den Angaben des Tatopfers und der Zeugin Lisa P*****, auf die die Tatrichter ihre diesbezügliche Überzeugung im Wesentlichen stützten (US 3 iVm 4 f), gegenteilige Aussagen (nämlich jene des Beschwerdeführers und [einzelne] Bekundungen der Zeugen Stefan S***** und Kevin R*****) gegenübergestanden seien,

weckt sie keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen. Vielmehr stellt der Angeklagte - unter Außerachtlassung der umfassenden und mängelfreien (Z 5) Würdigung sämtlicher Verfahrensergebnisse durch die Tatrichter (US 4 f) ‑ zu seinen Gunsten

eigene Überlegungen zur Verlässlichkeit der ‑ erst Monate nach dem Vorfall vernommenen ‑ Beweispersonen sowie (aktenfremde) Spekulationen zum Verhalten Jugendlicher im Allgemeinen an und wendet sich damit insgesamt nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die erstrichterliche Beweiswürdigung.

Mit Berufung auf den

Zweifelsgrundsatz (§ 14 StPO) wird Nichtigkeit aus Z 5a nicht aufgezeigt (RIS-Justiz RS0102162).

Die Rechtsrüge (nominell Z 9 lit b, der Sache nach Z 9 lit a; vgl für viele: 13 Os 40/13a) behauptet das Vorliegen eines Rechtsirrtums (§ 9 StGB), spricht aber mit dem ‑ erneut beweiswürdigenden und spekulativen ‑ Einwand, dem Beschwerdeführer sei aufgrund des Auftretens und des Erscheinungsbilds des Tatopfers dessen Unmündigkeit nicht erkennbar gewesen, inhaltlich einen

Tatbildirrtum an und bestreitet damit erneut der Sache nach das Vorliegen des dem Tatbestand entsprechenden Vorsatzes (Höpfel in WK² StGB § 9 Rz 7; Steininger SbgK § 5 Rz 24 und § 9 Rz 39). Sie übergeht dabei die ausdrücklich gegenteiligen ‑ mit Tatsachenrüge erfolglos bekämpften ‑ Feststellungen der Tatrichter (erneut US 3) und verfehlt solcherart den ausschließlich im Vergleich des Urteilssachverhalts mit der Rechtslage gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 581).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach - ebenso wie die angemeldete (ON 23), im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich jedoch nicht vorgesehene

Berufung wegen Schuld ‑ bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die gegen den Ausspruch über die Strafe gerichteten Berufungen und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Dieses wird ‑ entgegen der Ansicht der Generalprokuratur ‑ auch über die Zulässigkeit der nicht angemeldeten, gemeinsam mit der (zum Nachteil des Angeklagten) erhobenen Berufung ausgeführten Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsichten (ON 22, 24; § 498 Abs 2 und 3 StPO; vgl dazu RIS-Justiz RS0108552) zu entscheiden haben (vgl dazu auch 14 Os 169/13d; 14 Os 169/11a; 13 Os 187/08m [13 Os 155/09g]).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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