OGH 14Os89/24f

OGH14Os89/24f8.10.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Oktober 2024 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Farkas in Gegenwart des Schriftführers Dr. Jetzinger in der Strafsache gegen R* Z* wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 27. Juni 2024, GZ 13 Hv 14/24g‑26.5, sowie seine Beschwerde gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Erteilung einer Weisung (ON 26.6) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0140OS00089.24F.1008.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Sexualdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde R* Z* mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er von Ende Juni bis September 2023 in W* außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an der zur Tatzeit zehnjährigen, mithin unmündigen, * J* vorgenommen oder versucht, von dieser an sich vornehmen zu lassen, indem er mehrfach mit einer Hand unter ihr Leibchen griff und ihre nackte Brust massierte, zweimal mit seiner Hand in ihre Unterhose fuhr und ihre Vagina massierte sowie gleichzeitig ihre Hand zu seinem bekleideten Penis mit der Aufforderung, diesen zu massieren, führte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5 und 5a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

[4] Die Verfahrensrüge (Z 3) moniert den Ausschluss der Öffentlichkeit, insbesondere dessen Dauer (vom Beginn der Vernehmung des Beschwerdeführers bis kurz vor der Urteilsverkündung [ON 26.4, 2 und 50]), weil der vom Erstgericht angenommene Ausschlussgrund des § 229 Abs 1 Z 2 StPO in der Regel nur temporär wirke (vgl Danek/Mann, WK-StPO § 229 Rz 5). Die Rechtmäßigkeit der kritisierten Maßnahme ist anhand der Verfahrenssituation im Entscheidungszeitpunkt zu beurteilen. Dass eine Erörterung des persönlichen Lebensbereichs des Opfers (vgl ON 26.4, 2) ex ante zu erwarten war, ergibt sich zwanglos bereits aus dem Verhandlungsgegenstand (vgl 14 Os 119/14b, 120/14z). Weshalb dies bloß für die Vernehmung des Opfers und nicht auch für jene des Beschwerdeführers oder weiterer Zeugen sowie die Schlussvorträge der Parteien gelte, erklärt die Rüge nicht. Ob es während der unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführten Verfahrensschritte tatsächlich zu Erörterungen im obigen Sinn kam, ist unter dem Aspekt der Verfahrensnichtigkeit ohne Bedeutung (RIS‑Justiz RS0098875, RS0098868; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 256).

[5] Entgegen der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) hat das Erstgericht zwei Beweisanträge des Beschwerdeführers zu Recht abgewiesen (ON 26.4, 47 f).

[6] Jener auf zeugenschaftliche Vernehmung von D* Z* nannte kein erhebliches Beweisthema (vgl aber RIS‑Justiz RS0116503), soweit diese hätte bekunden sollen, „dass beide Stiefgroßeltern regelmäßig die Kinder betreut haben, regelmäßig bzw. überwiegend mit den Kindern die Hausübung gemacht haben und daher die anders lautenden Angaben vom heutigen Beweisverfahren unrichtig sind“ sowie dass „ein gutes Einvernehmen zwischen den Stiefgroßeltern und den Kindern herrschte“. In Bezug auf das weitere Thema, „ein Verhalten wie jetzt dem Angeklagten vorgeworfen“ habe „nicht stattgefunden“, erklärte der Antrag nicht, weshalb die begehrte Zeugenvernehmung das behauptete Ergebnis hätte erwarten lassen, und war deshalb auf im Hauptverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet (RIS-Justiz RS0118444 [T6]).

[7] In Bezug auf die „Einholung eines aussagepsychologischen Sachverständigen-Gutachtens“ hinsichtlich J* legte der Antrag nicht dar, dass diese und ihre gesetzlichen Vertreter die erforderliche Zustimmung zur psychologischen Exploration erteilt hätten (RIS-Justiz RS0108614 [T3]). Zudem wurden auch keine besonderen Gründe genannt, weshalb das Gericht ausnahmsweise nicht in der Lage gewesen wäre, die Glaubwürdigkeit dieser Zeugin selbst zu beurteilen (vgl RIS‑Justiz RS0097733).

[8] Dass das Erstgericht die Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus der – detailliert dargestellten – „objektiven Vorgehensweise“ (des Beschwerdeführers) ableitete (US 8), ist der Mängelrüge zuwider unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden, vielmehr bei (wie hier) leugnenden Angeklagten methodisch meist nicht zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0098671 [T5]).

[9] Mit dem bloßen Hinweis, es liege „eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation“ vor, weil J* als einzige direkte Tatzeugin den Beschwerdeführer belaste und dieser „durchgehend und vehement während des gesamten Verfahrens stringent die ihm zur Last gelegten Taten“ bestritten habe, weckt die Tatsachenrüge (Z 5a) keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.

[10] Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird Nichtigkeit aus Z 5a nicht angesprochen (RIS‑Justiz RS0102162).

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[12] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die gegen den Beschluss auf Erteilung einer Weisung gerichtete Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

[13] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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