OGH 14Os74/93

OGH14Os74/9325.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Mai 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Hautz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Peter A* und andere wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Peter H* sowie die Berufung des Angeklagten Peter A* gegen das Urteil es Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20.Jänner 1993, GZ 4 d Vr 5760/92‑67, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0140OS00074.9300000.0525.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Peter H* wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil in Ansehung dieses Angeklagten sowie gemäß § 290 Abs. 1 StPO auch hinsichtlich der Angeklagten Peter A* und Ernst Anton K* - sohin zur Gänze ‑ aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Angeklagten Peter H* und Peter A* werden mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung verwiesen.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Peter A*, Peter H* und Ernst Anton K* des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB schuldig erkannt.

Darnach haben sie im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter gewerbsmäßig in der Zeit vom 7.September bis 29.November 1990 (in Wien) mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Beamte des Finanzamtes für Körperschaften durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung falscher Urkunden, nämlich durch Abgabe wahrheitswidriger Umsatzsteuervoranmeldungen für die R* und V* GesmbH, in denen sie mit Vorumsatzsteuern belastete Vorumsätze in der Höhe von 56,518.711,92 S fingierten, wobei sie Beamten der Finanzverwaltung fingierte Rechnungen von Scheinfirmen, sohin falsche Urkunden vorwiesen, zu Handlungen, nämlich zur Auszahlung eines (scheinbaren) Umsatzsteuerguthabens

I. in der Höhe von 5,874.491 S verleitet, wodurch die Republik Österreich einen Vermögensschaden in dieser Höhe erlitt, und

II. in der Höhe von 3,509.094 S zu verleiten versucht, wodurch die Republik Österreich einen Vermögensschaden in dieser Höhe erleiden sollte.

 

Rechtliche Beurteilung

Nur der Angeklagte Peter H* bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Das Schöffengericht verneinte vorliegend die durch § 22 Abs. 2 FinStrG geschaffene Privilegierung von Betrugs‑ und Täuschungshandlungen als Mittel zur Begehung von Finanzvergehen im wesentlichen mit der Begründung, daß das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung begrifflich das Bestehen einer Abgabenpflicht voraussetze, die fehle, wenn den Täter überhaupt keine Abgabenpflicht treffe, sondern der abgabenrechtliche Tatbestand (unternehmerischer Leistungsaustausch) nur vorgetäuscht werde, wobei für das Entstehen der Umsatzsteuerpflicht jedenfalls die entgeltliche Erbringung von Leistungen notwendig sei. Bei der Beurteilung der Frage, ob es sich um eine Leistung anderer Art oder um einen Steuerüberschuß handle, könne es nicht nur auf die äußere Form der Tathandlung als Steuererklärung und damit auf die listige Kennzeichnung der beabsichtigten Beute als "Abgabe" ankommen, desgleichen auch nicht bloß auf die Stellung des Täters als Unternehmer. Es sei vielmehr darauf zu achten, ob rein fiskalische Interessen des Staates verletzt werden, oder ob die Herauslockung eines Geldbetrages durch Vortäuschen einer nie stattgefundenen Geschäftstätigkeit geschehen soll. Da im vorliegenden Fall von den Angeklagten Geschäftsvorfälle in Millionenhöhe völlig frei erfunden worden seien, obwohl in den fraglichen Zeiträumen keinerlei abgabenrechtliche Tatbestände verwirklicht wurden, scheide "die Anwendung des Finanzstrafgesetzes auf den dadurch verwirklichten Tatbestand aus" (US 18 ff).

Der eine Bestrafung wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG anstrebenden Subsumtionsrüge des Angeklagten H* kommt Berechtigung zu:

Dieses Finanzvergehens macht sich schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem Umsatzsteuergesetz 1972 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer (Vorauszahlungen oder Gutschriften) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß hält. Nach § 33 Abs. 3 FinStrG ist eine Abgabenverkürzung nach Abs. 1 oder 2 ua dann bewirkt, wenn Abgaben, die selbst zu berechnen sind, ganz oder teilweise nicht entrichtet (abgeführt) wurden (lit. b), oder wenn Abgabengutschriften, die nicht bescheidmäßig festzusetzen sind, zu Unrecht oder zu hoch geltend gemacht wurden (lit. d). Verletzt der Unternehmer die im § 21 UStG 1972 festgelegte Verpflichtung zur Abgabe der (richtigen) Voranmeldung, so kann damit entweder ein Ausfall an Vorauszahlung (Abs. 3 lit. b) oder die Geltendmachung einer nicht gebührenden Gutschrift (Abs. 3 lit. d) einhergehen. Sowohl die gänzliche oder teilweise Nichtentrichtung der Vorauszahlung als auch die unrechtmäßige Bewirkung einer Gutschrift an Umsatzsteuer fallen unter den Begriff "Verkürzung von Umsatzsteuer" (siehe VwGH 8.4.1991, 89/15/0144 = ÖJZ 1992, 348, 48 F; Dorazil‑Harbich‑Reichel‑Kropfitsch, Finanzstrafgesetz § 33 Anm. 7). Der strafbestimmende Wertbetrag richtet sich in einem solchen Fall nach dem Ausmaß an Abgaben, das dem Fiskus wirklich entgangen ist; er entspricht somit jener Zahlengröße, mit der die Abgabe festzusetzen bzw. zu berechnen gewesen wäre (13 Os 174/83, 13 Os 38/86). Wurde die Verkürzung ausschließlich (durch die Geltendmachung unrichtiger Vorsteuerabzüge bewirkt (§ 33 Abs. 3 lit. d FinStrG), so richtet sich der strafbestimmende Wertbetrag nur nach der Höhe der zu Unrecht oder zu hoch geltend gemachten Gutschrift (ÖJZ‑LSK 1978/319).

Nach § 49 Abs. 1 lit. b FinStrG macht sich einer Finanzordnungswidrigkeit schuldig, wer vorsätzlich durch Abgabe unrichtiger Voranmeldungen (§ 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972) ungerechtfertigte Abgabengutschriften geltend macht. Diese ‑ ausschließlich von der Finanzstrafbehörde wahrzunehmende (§ 53 Abs. 5 FinStrG) ‑ Strafbestimmung unterscheidet sich von der nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG nicht nur im Vorsatzerfordernis, sondern auch in der verschiedenartigen inhaltlichen Struktur der Deliktshandlungen: § 49 Abs. 1 lit. b FinStrG pönalisiert die Geltendmachung ungerechtfertigter Abgabengutschriften mittels unrichtiger Voranmeldungen (§ 21 Umsatzsteuergesetz 1972), § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG hingegen die Bewirkung von Vorauszahlungsverkürzungen unter Zuwiderhandlung gegen die Voranmeldungspflicht (13 Os 56/86).

Ist ein Finanzvergehen ‑ wie das nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG ‑ auf betrügerische Weise oder durch Täuschung begangen worden, so ist nach § 22 Abs. 2 FinStrG die Tat ausschließlich als Finanzvergehen zu ahnden. Hingegen können die von Betrug und Täuschung systematisch getrennten strafbaren Handlungen wie Fälschungs‑, Aussage‑ und Beweismitteltatbestände mit Finanzvergehen eintätig zusammentreffen (SSt. 51/32; Dorazil‑Harbich‑Reichel‑Kropfitsch aaO § 22 Anm. 5 und E 5). Eine als Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 FinStrG zu qualifizierende Tat kann auch als Betrug oder Täuschung strafbar sein, weil § 22 Abs. 2 FinStrG nur für Finanzvergehen gilt. Wird eine Abgabenpflicht ‑ als Prämisse für das betrügerische Herauslocken von Zahlungen der öffentlichen Hand (als nur vermeintlich auf eine Abgabenschuld anzurechnende Gutschriften) ‑ bloß vorgetäuscht, so ist das dadurch bewirkte Erschleichen von (demzufolge in Wahrheit gar nicht in Abgabengutschriften bestehenden anderen) Leistungen keine Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG, sondern Betrug (ÖJZ‑LSK 1983/25 = EvBl. 1983/124).

In rechtsirrtümlicher Verkennung des Tatbestandes des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG hat das Erstgericht keine Feststellungen dahin getroffen, ob die Angeklagten durch die Abgabe der unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen wissentlich eine Vorauszahlungsverkürzung an Umsatzsteuer bewirkt haben oder ob dies ‑ etwa mangels jeglicher steuerpflichtiger Umsätze der Gesellschaft in den Voranmeldungszeiträumen ‑ nicht der Fall war. Ist die Tat als Finanzvergehen strafbar, so ist nach § 22 Abs. 2 FinStrG ihre Verfolgung wegen Betruges ausgeschlossen, wogegen eine Ahndung des ‑ eintätig oder mehrtätig ‑ zusammentreffenden Vergehens der Urkundenfälschung möglich wäre.

Der aufgezeigte Mangel an Feststellungen über für die rechtliche Beurteilung entscheidende Tatsachen bewirkt eine Urteilsnichtigkeit (Z 10), welche die Aufhebung des Schuldspruchs ‑ und zwar auch hinsichtlich der Mitangeklagten Peter A* und Ernst Anton K* - erfordert. Nach Anhörung der Generalprokuratur war daher bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen (§§ 285 e, 290 Abs. 1 StPO).

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten Peter A* und Peter H* auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Im erneuerten Verfahren wird zu beachten sein, daß unmittelbarer (Mit‑)Täter (§ 12 erster Fall StGB, § 11 erster Fall FinStrG) nur derjenige ist, der eine dem Tatbild entsprechende Ausführungshandlung, beim Betrug also selbst eigene Täuschungshandlungen gegenüber dem Opfer setzt (siehe Kienapfel, BT2 § 146 RN 257a; Leukauf‑Steininger, StGB3, § 12 RN 17; Fabrizy im WK, § 12 Rz 18). Unmittelbarer Täter des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung kann darüber hinaus nur derjenige sein, den eine abgabenrechtliche Offenlegungs‑ und Wahrheitspflicht trifft (12 Os 3/87), wogegen die faktische Wahrnehmung der Angelegenheiten des Abgabenpflichtigen (bloß) die strafrechtliche Haftung als Beitragstäter (§ 11 dritter Fall FinStrG) begründet (13 Os 168/88).

Im übrigen wäre zu beachten, daß die Qualifikation des Betruges nach § 147 Abs. 1 Z 1 StGB die Benützung der Urkunde zur Täuschung voraussetzt (siehe Kienapfel aaO § 147 RN 41). Wird die gefälschte Urkunde aber erst nach dem betrügerischen Geschäftsabschluß und Eintritt der durch die Täuschung bewirkten Vermögensschädigung im Rechtsverkehr verwendet (wie etwa zur nachträglichen Bekräftigung der bereits eingetretenen Täuschung), so verantwortet der Täter ‑ anders als bei einer im Versuchsstadium verbliebenen Betrugstat ‑ nicht schweren Betrug nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 StGB, sondern Betrug ohne die genannte Qualifikation und zusätzlich das Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 StGB (siehe Mayerhofer‑Rieder, StGB3, § 147 ENr. 8).

 

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