OGH 12Os3/87

OGH12Os3/8726.3.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.März 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lindner als Schriftführer in der Strafsache gegen Leopold K*** wegen des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung des Finanzamtes Graz-Stadt als Finanzstrafbehörde I. Instanz gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 13.August 1986, GZ. 11 Vr 2624/85-21, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, des Angeklagten Leopoold K*** und des Verteidigers Dr. Schlick zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, der Leopold K*** betreffende Teil des Urteils aufgehoben und im Umfange dieser Aufhebung gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Leopold K*** wird von der gegen ihn erhobenen Anklage, er habe in Graz zu nachangeführten Zeiten als unmittelbarer Täter vorsätzlich durch Verkürzung von Einnahmen unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung der Umsatz-, der Einkommen- und der Gewerbesteuer, sowie der Alkoholabgabe bewirkt, wobei der strafbestimmende Wertbetrag 1,000.000 S übersteigt, und zwar

1./ Umsatzsteuer:

1973 97.786,-- S

1974 11.293,-- S

1975 65.115,-- S

1976 94.724,-- S

1977 95.800,-- S

1978 97.773,-- S

also insges. 462.491,-- S

2./ Gewerbesteuer:

1974 3.945,-- S

1975 15.793,-- S

1976 18.939,-- S

1977 36.955,-- S

1978 50.926,-- S

also insges. 126.558,-- S

3./ Einkommensteuer:

1973 4.145,-- S

1974 45.272,-- S

1975 64.704,-- S

1976 96.858,-- S

1977 173.834,-- S

1978 266.324,-- S

also insges. 651.137,-- S

4./ Alkoholabgabe:

1973 10.803,-- S

1974 9.885,-- S

1975 9.838,-- S

1976 16.879,-- S

1977 11.589,-- S

1978 12.414,-- S

also insges. 71.408,-- S;

er habe hiedurch das Vergehen der "Abgabenverkürzung" (richtig: Abgabenhinterziehung), nach § 33 Abs. 1 FinStrG begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Der Angeklagte und das Finanzamt Graz-Stadt werden mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die am 30.Jänner 1941 geborene Geschäftsfrau Bertraud K*** und ihr Ehemann, der am 16. Juni 1936 geborene ÖBB-Bedienstete Leopold K***, des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG schuldig erkannt. Es wird ihnen angelastet, in den Jahren 1973 bis 1978 in Graz als unmittelbare Täter vorsätzlich durch Verkürzung (gemeint:

durch unrichtige Angabe) von Einnahmen unter Verletzung der

abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine

Abgabenverkürzung der Umsatzsteuer (um insgesamt 462.491 S), der

Gewerbesteuer (um insgesamt 126.558 S), der Einkommensteuer (um

insgesamt 651.137 S) und der Abgaben von alkoholischen Getränken (um

insgesamt 71.408 S) bewirkt zu haben, wobei der strafbestimmende

Wertbetrag 1,000.000 S übersteigt.

Gegen dieses Urteil lagen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen

der Eheleute K*** und eine Berufung des Finanzamtes Graz-Stadt

vor. Infolge Ablebens der Bertraud K*** am 16.März 1987

schränkte der Oberste Gerichtshof den Gerichtstag zur öffentlichen

Verhandlung auf die den Angeklagten Leopold K*** betreffenden

Rechtsmittel ein.

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner den

Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO relevierenden

Mängelrüge gegen die Tatsachenfeststellung des Erstgerichtes, er

habe (ebenso wie seine Ehefrau Bertraud K***) vorsätzlich

unrichtige Umsatzsteuer-, Gewerbesteuer- und

Einkommensteuererklärungen sowie falsche Erklärungen über die

Abgaben von alkoholischen Getränken abgegeben, bei denen "wesentlich

niedrigere als die tatsächlichen Vorgänge" einbekannt wurden, als

"aktenwidrig" (gemeint offensichtlich: unzureichend begründet),

sowie mit seiner auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281

Abs. 1 StPO gestützten Rechtsrüge gegen die Rechtsansicht des

Erstgerichtes, er habe, ausgehend von solchen Tathandlungen,

vorsätzlich eine abgabenrechtliche Offenlegungs- und

Wahrheitspflicht verletzt und es liege daher auch ihm das

Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG zur Last.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist berechtigt.

"Unmittelbarer Täter" (Haupttäter) im Sinn des § 11 erster Fall FinStrG (entsprechend dem § 12 erster Fall StGB) - bei Tatbegehung im Zusammenwirken mit einem anderen unmittelbaren Täter "Mittäter" - kann hier nur derjenige sein, den eine abgabenrechtliche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht trifft (vgl. Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Komm. zum FinStrG, E 1 und 10 zu § 11). Das war im vorliegenden Fall allein die Ehefrau des Beschwerdeführers, welche nach den Urteilsfeststellungen in Graz seit 1973 eine Frühstückspension und ein Espresso betrieb und an den Erlösen mehrerer Spielautomaten beteiligt war. Sie allein war Abgabenschuldnerin, und dementsprechend lauten auch die hier in Rede stehenden rechtskräftigen Abgabenbescheide allein auf ihren Namen. Der Beschwerdeführer hingegen ist ÖBB-Bediensteter und arbeitete bloß während seiner Freizeit im Betrieb seiner Ehefrau mit. Damit kann er aus rechtlichen Gründen von vornherein im vorliegenden Fall nicht unmittelbarer Täter des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG sein. Die Prüfung, ob dem Beschwerdeführer allenfalls eine sonstige Täterschaftsform (Bestimmungstäterschaft im Sinn des zweiten oder Beitragstäterschaft im Sinn des dritten Falles des § 11 FinStrG) des erwähnten Finanzvergehens anzulasten ist (in welcher Art auch ein Nichtabgabepflichtiger ein Finanzvergehen begehen kann; vgl. Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, a.a.O., E 10 und 11 zu § 11), ergibt folgendes:

Das Erstgericht stellt in Ansehung des Beschwerdeführers - abgesehen von der schon erwähnten Beschreibung seiner Tätigkeit im Betrieb der Ehefrau - nur fest, daß er mit Wissen seiner Frau geheime Aufzeichnungen über die tatsächlichen Betriebseinnahmen, bzw. den Umsatz für die Jahre 1975 und 1976 angelegt hatte und anläßlich einer am 8.November 1979 begonnenen Betriebsprüfung durch Organe der damaligen Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes Graz-Stadt in den Räumen der Fremdenpension der Bertraud K*** den - schließlich von den Beamten vereitelten - Versuch unternahm, diese Geheimaufzeichnungen durch Hinunterspülen in die Toilette zu vernichten. Im übrigen konstatierte der Schöffensenat bloß global, daß "sie" (gemeint: beide Angeklagte) in den Jahren 1973 bis 1979 (richtig offenbar: 1978) "ihre" Wahrheits- und Offenlegungspflicht verletzten, indem "sie" unrichtige Umsatzsteuer-, Gewerbesteuer- und Einkommensteuererklärungen sowie falsche Erklärungen über die Abgaben von alkoholischen Getränken abgegeben haben, bei denen "wesentlich niedrigere als die tatsächlichen Vorgänge" einbekannt wurden und wodurch eine Hinterziehung der erwähnten Steuern und Abgaben erfolgt ist. Aus diesen Feststellungen kann - wie in der Beschwerde zutreffend ausgeführt wird - weder eine Bestimmungstäterschaft, noch ein "sonstiger Tatbeitrag" des Beschwerdeführers im Sinne des § 11 zweiter bzw. dritter Fall FinStrG abgeleitet werden, zumal nicht festgestellt wird und auch nicht ersichtlich ist, daß die Führung von Geheimaufzeichnungen über die tatsächlichen Betriebseinnahmen seiner Frau durch den Beschwerdeführer bezüglich zweier von der Gesamttatzeit umfaßter Jahre nicht etwa bloß der Erlangung einer Übersicht über die tatsächlichen Einkommensverhältnisse diente, sondern in irgendeiner Weise eine vorsätzliche Förderung der von Bertraud K*** begangenen Abgabenhinterziehungen darstellte oder darstellen sollte. Auf welche sonstige konkrete Weise der Beschwerdeführer allenfalls an der "Abgabe" unrichtiger Steuer- und Abgabenerklärungen durch seine Frau beteiligt gewesen sein soll, läßt sich dem oben erwähnten, allgemein und in der Mehrzahl gehaltenen, gegen Bertraud und Leopold K*** gerichteten Tatvorwurf nicht entnehmen, und es begründet auch die bloße fallweise Mitarbeit im Betrieb der Bertraud K*** selbst unter der Annahme des Wissens um deren vorsätzliche Abgabenhinterziehung (vgl. neuerlich Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, a.a.O. E 7 zu § 11) keine Beitragstäterschaft. Schließlich kann auch der am 8. November 1979 gesetzte Versuch des Beschwerdeführers, seine als Beweismittel für die Abgabenverkürzungen seiner Ehefrau von Organen der Finanzbehörde beschlagnahmten geheimen Aufzeichnungen zu vernichten, nicht als sonstiger Beitrag zur Tat der Bertraud K*** gewertet werden, weil zu diesem Zeitpunkt das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung längst vollendet und eine Beitragstäterschaft daher rechtlich nicht mehr möglich war. Ausgehend von den getroffenen Feststellungen kann daher dem Beschwerdeführer bei richtiger rechtlicher Beurteilung seines Verhaltens das Vergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG in keiner Täterschaftsform angelastet werden, woran sein im Verfahren dem Grunde nach abgelegtes Schuldgeständnis nichts zu ändern vermag.

Wohl hat der Beschwerdeführer durch sein Verhalten am 8. November 1979 das versuchte Vergehen der Unterdrückung eines Beweismittels nach §§ 15, 295 StGB begangen, weil er seine geheimen Einnahmenaufzeichnungen, die durch ihre Entdeckung zu einem Beweismittel geworden waren, das zur Verwendung im finanzbehördlichen Verfahren in bezug auf Bertraud K*** bestimmt war und über das er zufolge der bereits erfolgten Beschlagnahme nicht allein verfügen durfte, mit dem Vorsatz zu vernichten versuchte, zu verhindern, daß das Beweismittel im Verfahren gebraucht werde. Diese Straftat ist aber verjährt, das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer - der nach der Aktenlage keine sonstigen Straftaten begangen hat - erst am 25.Juli 1985 (S 1) gerichtsanhängig (§ 58 Abs. 2 Z 3 StGB) wurde, zu welchem Zeitpunkt die dreijährige Verjährungsfrist (§ 57 in Verbindung mit § 295 StGB) bereits abgelaufen war.

Der Beschwerdeführer war daher schon im Hinblick auf die materielle Rechtslage - ohne daß es eines weiteren Eingehens auf die Mängelrüge bedarf - von der gegen ihn ausschließlich wegen des Finanzvergehens erhobenen Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO freizusprechen.

Mit ihren Berufungen waren Leopold K*** und das Finanzamt Graz-Stadt hierauf zu verweisen.

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