European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00068.19K.0903.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung der Elisabeth L***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.
Danach hat sie am 27. April 2018 in I***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruht, nämlich einer akuten vorübergehenden psychotischen Störung und einer akuten polymorphen psychotischen Störung, der Barbara O***** vorsätzlich eine schwere Körperverletzung zuzufügen versucht, indem sie mit einer vollen 0,33 Liter Mineralwasserflasche mehrmals wuchtig auf deren Kopf schlug, mit der Fußsohle auf sie eintrat und mit der Spitze einer Nagelfeile auf sie einstach, wodurch die Genannte Hämatome und Prellungen im Bereich des Kopfes linksseitig, an der linken Schulter und an der linken Hand sowie eine Verstauchung der Halswirbelsäule erlitt,
und somit eine Tat begangen, die als Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde schlägt fehl.
Entgegen dem Einwand der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung der in der Hauptverhandlung am 26. März 2019 gestellten Beweisanträge (ON 38 S 12 ff) Verteidigungsrechte nicht verletzt.
Die „Einholung eines chirurgischen und unfallchirurgischen Sachbefunds“, die Beischaffung der Krankenunterlagen und des Pflegeberichts des Tatopfers sowie die Vernehmung von Mag. Herta L*****, Maria L***** und Richard R***** waren (ausschließlich oder auch) zum Nachweis dafür begehrt worden, dass das Tatopfer durch die inkriminierten Tätlichkeiten der Beschwerdeführerin keine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung erlitt, wovon die Tatrichter aber ohnehin ausgingen (US 3, vgl auch ON 38 S 13 f). Die Beweisaufnahmen konnten in diesem Umfang daher schon deshalb sanktionslos unterbleiben (§ 55 Abs 2 Z 3 StPO).
In Bezug auf das zur Vernehmung des Krankenpflegers R***** zusätzlich genannte Beweisthema, dass dieser nämlich bei seinem Eintreffen im Zimmer des Tatopfers „keinerlei Tätlichkeiten der Betroffenen wahrgenommen hat und auch keineswegs ein ganzes Ärzteteam ins Zimmer gekommen ist“, ließ sich dem Antrag weder entnehmen, aus welchem Grund diese Umstände erheblich gewesen wären (RIS-Justiz RS0118444), noch enthielt er ein Vorbringen dazu, inwiefern die Befragung des Genannten geeignet sein sollte, eine – über dessen schriftliche Beschreibung der Situation bei seinem Eintreffen am Tatort (Beilage ./III zu ON 38; vgl auch US 6) hinausgehende – Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage zu bewirken. Das Begehren zielte somit auch diesbezüglich auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 330).
Soweit durch die „Einholung eines unfallchirurgischen Fachgutachtens unter Einbeziehung sämtlicher Behandlungsunterlagen der Barbara O*****“ („eines medizinischen Sachbefunds“) auch der Nachweis erbracht werden sollte, dass deren Angaben zum Tathergang „objektiv unrichtig sind, weil diesfalls bei einer blutverdünnten Patientin jedenfalls Blutungen aufgetreten wären, ebenso Stichwunden vorliegen müssten“ und die von der genannten Zeugin „geschilderte Vorgehensweise eine versuchte schwere Körperverletzung nicht darstellen kann, da es diesbezüglich zu massiven Blutungen gekommen sein müsste und die Gewaltanwendung nicht massiv ausgefallen sein kann, da es sonst nicht erklärbar ist, dass lediglich eine Beule Ergebnis dieser Gewaltanwendung gewesen ist“ (ON 38 S 12 f und S 14), erfolgte die Abweisung des Antrags gleichfalls zu Recht.
Dieser ließ nämlich nicht erkennen, aus welchem Grund ein Sachverständiger auf Basis der gewonnenen Entscheidungsgrundlagen zum Schluss kommen sollte, dass die inkriminierten Schläge mit dem Boden einer (kleinen) Glasflasche gegen den Kopf des Opfers, Fußtritte gegen dessen Unterkörper oder Stiche mit der Spitze einer Nagelfeile im konkreten Fall jedenfalls (massive) Blutungen und Stichwunden nach sich ziehen hätten müssen, die Durchführung der begehrten Beweisaufnahme also das behauptete
Ergebnis erwarten lasse (vgl RIS-Justiz RS0099453). Was den angestrebten Nachweis betrifft, dass die Verursachung bloß einer Beule keine massive Gewaltanwendung indiziere, ging die Antragstellerin zudem von anderen als den vom Erstgericht angenommenen Verletzungsfolgen (vgl US 3: Hämatome und Prellungen im Bereich des Kopfes, an der Schulter und der linken Hand, Verstauchung der Halswirbelsäule) aus (RIS-Justiz RS0099721). Dass Tätlichkeiten wie die der Betroffenen vorgeworfenen (übrigens auch ohne besondere Wucht der Schläge) zu schweren Verletzungen führen können, haben die Tatrichter (zu Recht) auf Basis allgemeiner Lebenserfahrung aber ohnehin als erwiesen angesehen (ON 38 S 14 f). Inwiefern für diese Einschätzung besondere Fachkenntnisse eines Sachverständigen notwendig gewesen wären, ist nicht erkennbar und wurde im Antrag auch nicht dargelegt (RIS‑Justiz RS0097283; zum Ganzen: Ratz, WK-StPO § 281 Rz 346 f).
Die in der Beschwerdeschrift zur Fundierung einzelner Beweisanträge nachgetragenen Ausführungen unterliegen dem Neuerungsverbot und sind daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).
Mit der Kritik am Unterbleiben einer Vernehmung von Helga L***** und Dr. Michaela F***** scheitert die weitere Verfahrensrüge schon daran, dass sie sich auf keinen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag der Beschwerdeführerin beruft (ON 38; RIS-Justiz RS0099099; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 302, 309 ff). Sofern mit dem Hinweis auf Schriftsätze (ON 25, 35) auch ein Verstoß gegen die Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung angesprochen werden soll, genügt der Hinweis auf die Subsidiarität der Aufklärungsrüge (Z 5a) gegenüber der Verfahrensrüge (Z 4; RIS-Justiz RS0115823 [T2]).
Entgegen dem Vorwurf von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) mussten sich die Tatrichter mit den Befundberichten der Universitätsklinik I***** vom 27. und 28. April 2018, die ohnehin (auch) Grundlage des im Verfahren eingeholten Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen Dr. M***** waren (ON 8 S 33 ff), nicht gesondert auseinandersetzen. Denn die darin enthaltene Beschreibung des Zustands der Betroffenen am Vor- und Folgetag der inkriminierten Tätlichkeiten samt den dazu gestellten Diagnosen (am 26. April 2018: Mutismus, Katalepsie der oberen Extremitäten, dissoziativer Stupor; am 28. April 2018: Notwendigkeit der Anlegung eines Harndauerkatheters aufgrund der Ergebnisse einer Blasenscanmessung und des Misslingens einer Motivation der Betroffenen zur Blasenentleerung) stehen (auch mit Blick auf die Ausführungen im Pflegebericht vom Tattag; Beilage ./III zu ON 38) ebenso wenig im erörterungspflichtigen Widerspruch zu den – mit diesem Vorbringen bekämpften – Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen wie die Einschätzung der behandelnden Ärzte, nach der bei der Beschwerdeführerin anlässlich der ersten Visite am Morgen des 27. April 2018 keine akute Selbst- oder Fremdgefährdung bestand.
Der Bericht des Krankenpflegers R***** zu seinen Wahrnehmungen bei Eintreffen am Tatort (Beilage ./III zu ON 38) wurde ausdrücklich erörtert und den Feststellungen zugrunde gelegt (US 6).
Mit den in diesem Zusammenhang – teils auf Grundlage aktenfremder Prämissen („medizinische Literatur“; „Rücksprache mit … Dr. F***** ...“, „Aussagen der Maria L*****“) – angestellten rein spekulativen Überlegungen zum „Körper- und Geisteszustand“ der Betroffenen zur Tatzeit, der es ihr nach dem Beschwerdestandpunkt unmöglich gemacht hätte, die ihr angelasteten Attacken auszuführen und der (wörtlich als solche bezeichneten) Unterstellung, die Zeugin O***** selbst habe die Beschwerdeführerin in eine „kataleptische Körperhaltung“ gebracht, werden in der Hauptverhandlung vorgekommene, angeblich übergangene konkrete Verfahrensergebnisse nicht genannt (RIS-Justiz RS0118316 [T1]), sondern unzulässig die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung bekämpft. Die auf Basis dieser Erwägungen geäußerte Kritik am Unterbleiben der (amtswegigen) Einholung eines (ergänzenden) psychiatrischen Gutachtens lässt ein weiteres Mal ein Vorbringen dazu vermissen, wodurch die Beschwerdeführerin an einer entsprechenden Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen wäre (RIS-Justiz RS0114036).
Die das Tatopfer betreffenden – im diesbezüglichen Abschlussbericht zusammengefassten – medizinischen Untersuchungsberichte vom 27., 29. und 30. April 2018 (ON 2 S 21 ff) blieben nicht unberücksichtigt (US 5 f). Den Eintritt einer schweren Körperverletzung haben die Tatrichter im Übrigen gerade nicht festgestellt.
Mit ihrem weiteren Vorbringen zielt die Mängelrüge darauf ab, die von den Tatrichtern bejahte Glaubwürdigkeit der Zeugin O***** in Zweifel zu ziehen, verweist aber dazu bloß auf angebliche Widersprüche innerhalb der Aussagen der Genannten sowie zwischen jenen und anderen Verfahrensergebnissen, die entweder gar nicht vorliegen (in Bezug auf die Schilderung des Tathergangs durch das Opfer; vgl ON 2 S 19, ON 4 S 5 f, ON 38 S 5 ff) oder keine entscheidenden Tatsachen betreffen (etwa zur exakten Uhrzeit des inkriminierten Vorfalls, zur genauen Anzahl der mit der Flasche gegen den Kopf des Opfers geführten Schläge, zur Art der bei diesem durchgeführten medizinischen Untersuchungen oder zur Frage, ob dabei eine Beule oder eine Prellmarke am Kopf diagnostiziert wurde). Ausschließlich eine solche wäre aber tauglicher Bezugspunkt des Einwands der Unvollständigkeit bei der Beurteilung der Überzeugungskraft von Personalbeweisen (RIS-Justiz RS0119422 [T4]).
Dass das Erstgericht aus den angeführten Verfahrensergebnissen, vor allem der Aussage des Tatopfers und den medizinischen Befunden, andere als die von der Beschwerdeführerin gewünschten
Schlüsse zog, stellt keinen Begründungsmangel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO dar.
Indem die Rüge – wieder unter der Prämisse anderer als der im Urteil konstatierten Verletzungsfolgen – das Vorliegen der subjektiven Tatseite bestreitet, erschöpft sie sich ein weiteres Mal in unzulässiger Beweiswürdigungskritik.
Der Tatsachenrüge (Z 5a) gelingt es mit dem erneuten Hinweis auf die schon in der Mängelrüge angesprochenen „Befunde und Untersuchungsergebnisse der Universitätsklinik für Radiologie und Unfallchirurgie“ sowie die „radiologischen Diagnosen der bei O***** festgestellten Verletzungen“ nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen zu wecken.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die (nicht ausgeführte) Berufung sowie die – gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO als erhoben zu betrachtende –
Beschwerde gegen den zugleich ergangenen (
verfehlt in die Urteilsausfertigung aufgenommenen [RIS-Justiz RS0120887 {T3}]) Beschluss auf Anordnung der Bewährungshilfe und Erteilung von Weisungen (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).
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