OGH 14Os66/08z

OGH14Os66/08z8.7.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Juli 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp und Hon.-Prof. Dr. Schroll sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Harammer als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz F***** und weitere Angeklagte wegen des teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) verbliebenen Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 1 und 4, 130 dritter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Franz F***** und Michael Fo***** sowie über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten Manuel Fr***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. Jänner 2008, GZ 022 S Hv 101/07t-72, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden und aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 StPO) wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der den Angeklagten angelasteten Diebstähle auch unter § 128 Abs 1 Z 1 und § 130 dritter Fall StGB sowie demzufolge in sämtlichen Strafaussprüchen einschließlich der Vorhaftanrechnung aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Den Angeklagten Franz F***** und Michael Fo***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Teilfreisprüche und einen Verfolgungsvorbehalt enthaltenden Urteil wurden die Angeklagten Franz F*****, Manuel Fr***** und Michael Fo***** des teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) verbliebenen Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 1 und 4, 130 dritter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie am 20. Juni 2007 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter nach Fassen eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses mit dem Vorsatz, sich durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, anderen, nämlich hochbetagten gehbehinderten Damen, unter Ausnützung dieses Zustands, der sie hilflos macht, fremde bewegliche Sachen in einem (insgesamt) 3.000 EUR übersteigenden Wert weggenommen oder wegzunehmen versucht, wobei sie den schweren Diebstahl jeweils in der Absicht begingen, sich durch dessen wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar

1.) der am 10. Februar 1931 geborenen gehbehinderten Maria P***** Geld und Wertsachen wegzunehmen versucht;

2.) der am 11. November 1925 geborenen Hildegard H***** Bargeld im Betrag von 1.400 EUR sowie fünf goldene Armreifen mit Anhänger, zwei goldene Broschen, eine Halskette mit Herzanhänger, ein goldenes Medaillon, sieben Ohrstecker, ein silbernes Armband und eine goldene Halskette mit Bernsteinanhänger im Wert von zumindest 1.600 EUR weggenommen;

3.) einer unbekannt gebliebenen betagten Geschädigten Bargeld im Betrag von 1.370 EUR, vier goldene Ringe und einen goldenen Manschettenknopf in nicht mehr feststellbarem Gesamtwert weggenommen. Franz F***** und Michael Fo***** bekämpfen dieses Urteil mit einer (gemeinsam ausgeführten) auf die Gründe der Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der teilweise Berechtigung zukommt.

In ihrer Mängelrüge (Z 5) wenden sich die Beschwerdeführer zunächst gegen die Konstatierung eines vorgefassten Tatplans anlässlich ihres Zusammentreffens in einer Gastwirtschaft (US 12), legen aber nicht dar, weshalb diese Tatsache Einfluss auf die Unterstellung der Tat unter das Gesetz oder die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes (für die an sich geständigen Angeklagten) haben sollte. Im Übrigen hat das Erstgericht diese Feststellung - nicht ohne Begründung, sondern - gestützt auf die Aussage des Michael Fo***** (S 205/VIII) sowie aufgrund des Umstands getroffen, dass sich Franz F***** mit einem „Z-Schlüssel" sowie Einwegplastikhandschuhen ausgestattet hatte (US 19). Die divergierenden Schilderungen der Angeklagten wurden dabei mitberücksichtigt, letztlich aber wurde keine Version als überzeugend befunden (US 19).

Rechtliche Beurteilung

Soweit die Mängelrüge eine unzureichende Begründung der gewerbsmäßigen Begehung der (in Ansehung des Grundtatbestands nicht bekämpften) Diebstähle moniert, richtet sie sich gegen die beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichts nach Art einer - hier unzulässigen - Schuldberufung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 451), denen sie die bisherige Unbescholtenheit der Angeklagten, die Relativierung ihrer finanziellen Schwierigkeiten, die Behauptung einer Spontanhandlung aufgrund medialer Berichterstattung über ähnliche Vorfälle sowie den Umstand entgegensetzt, dass ihnen bloß ein versuchter und zwei vollendete Diebstahlsfakten angelastet werden. Die Tatrichter haben jedoch im Rahmen der Begründung des Ausspruchs über die Gewerbsmäßigkeit ihre Überzeugung mit den tristen finanziellen Verhältnissen der Beschwerdeführer und der Mehrzahl der von ihnen gesetzten Taten logisch und empirisch einwandfrei begründet (US 27).

Der nominell gleichfalls nach der Z 5 - inhaltlich aber ausschließlich nach der Z 10 - des § 281 Abs 1 StPO ausgeführten Beschwerde kann hingegen insoweit Berechtigung nicht abgesprochen werden, als sie sich gegen die Unterstellung der Diebstähle (auch) unter die Qualifikation des § 128 Abs 1 Z 1 StGB sowie - daraus resultierend - unter § 130 dritter Fall StGB wendet: Die Beschwerde moniert zu Recht, dass ein Bedrängnisdiebstahl im Sinn dieser Gesetzesstelle (im hier aktuellen Fall) die Tatbegehung unter Ausnützung eines den Bestohlenen hilflos machenden Zustands voraussetzt (Leukauf/Steininger Komm3 § 128 RN 13 ff; RIS-Justiz RS0093377; Bertel in WK2 [2005] § 128 Rz 3 f).

Das Vorliegen solcher Gegebenheiten hat das Erstgericht - wie die Beschwerde zutreffend darlegt - aber nicht festgestellt: Nach den getroffenen Urteilskonstatierungen suchten die Angeklagten Gegenden, in denen sich sehr viele Altbauten befinden, auf. Sie hofften, dort betagte Personen, die aufgrund ihres Alters in ihrer Beweglichkeit und auch ihrer Aufnahmefähigkeit bereits eingeschränkt sind, auf der Straße anzutreffen, sie in ihre Häuser zu verfolgen und dann unter einem Vorwand zum Einlass in ihre jeweilige Wohnungen zu veranlassen. Dort verwickelte einer von ihnen das jeweilige Opfer in ein Gespräch und lenkte es ab, während ein anderer die Räumlichkeiten nach Geld, Schmuck und anderen Vermögenswerten durchsuchte. Manuel Fr***** leistete im Auto Aufpasserdienste (US 12 f). Bei der am 10. Februar 1931 geborenen Maria P***** handelt es sich um eine gehbehinderte Frau, welche nach einem Oberschenkelhalsbruch mit einer Krücke geht (US 15) und schrie, als sie F***** im Wohnzimmer bemerkte. Die am 11. November 1925 geborene Hildegard H***** wirkt zierlich (US 14) und vermochte den Angeklagten nicht rasch genug auf die Straße zu folgen (US 15). Die unbekannt gebliebene Geschädigte war hochbetagt (US 14). Die Beschwerde vermisst zu Recht die für die Annahme einer Qualifikation nach § 128 Abs 1 Z 1 StGB notwendigen Feststellungen, wonach diese Opfer jeweils objektiv physisch oder psychisch außerstande oder schwer behindert waren, sich gegen diebische Angriffe zur Wehr zu setzen und inwieweit diese Hilflosigkeit der Opfer in subjektiver Hinsicht von den Angeklagten auch ausgenützt wurde (vgl Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 128 Rz 8 ff; RIS-Justiz RS0093377).

Es liegt somit ein sämtliche Angeklagten betreffender Rechtsfehler mangels Feststellungen im Sinn der Z 10 vor, der hinsichtlich des Angeklagten Manuel Fr*****, der lediglich eine Berufung erhoben hat, gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen war und eine Aufhebung der rechtlichen Unterstellung der Diebstähle unter die oben zitierten Qualfikationen - jene nach § 130 dritter Fall StGB gründet sich allein auf die Annahme einer Bedrängnis nach § 128 Abs 1 Z 1 StGB - unvermeidlich macht.

Im zweiten Rechtsgang werden die Tatrichter besonderes Augenmerk darauf zu legen haben, inwieweit die geschädigten Frauen zur Tatzeit physisch oder psychisch außerstande oder schwerbehindert waren, sich gegen diebische Angriffe zur Wehr zu setzen. Weiters wird dem Umstand Beachtung zu schenken sein, ob die Opfer den Diebstahl bloß deshalb (zunächst) nicht bemerkten, weil sie vom Angeklagten Michael Fo***** in einem anderen Raum abgelenkt wurden und somit nicht etwa ihre Hilflosigkeit, sondern ihre Unaufmerksamkeit oder Abwesenheit ausgenützt wurde (vgl RIS-Justiz RS0103834, RS0108601). Sollten ausreichende Konstatierungen für die Qualifikation nach § 128 Abs 1 Z 1 und § 130 dritter Fall StGB nicht nachgeholt werden können, käme nur mehr die Annahme jener nach § 130 erster Fall StGB in Betracht.

Dem Erstgericht war somit im aufgezeigten Umfang die Verfahrenserneuerung aufzutragen.

Im Übrigen waren die Nichtigkeitsbeschwerden zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Mit ihren - allein gegen den Strafausspruch gerichteten - Berufungen waren die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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