European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2009:0140OS00046.09K.0721.000
Spruch:
Es verletzen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Linz
1. vom 4. November 2008, AZ 8 Bs 386/08h (ON 9), §§ 5 Abs 1 und Abs 2, 119 Abs 1 StPO und
2. vom 7. Jänner 2009, AZ 8 Bs 470/08m (ON 18), § 122 Abs 1 letzter Satz StPO.
Gründe:
Am 22. September 2008 informierte ein anonymer Anrufer die Suchtgiftgruppe der Polizeiinspektion Braunau, dass in der gemeinsamen Wohnung von Marcus S***** und Wolfgang D***** mindestens zehn Gramm Heroin und darüber hinaus vermutlich auch noch eine unbekannte Menge Speed und Kokain vorhanden seien. Die beiden Genannten würden ihren Lebensunterhalt durch Verkauf dieses Suchtgifts bestreiten. Eine von Beamten der Suchtgiftgruppe am folgenden Tag durchgeführte Strafregisteranfrage ergab, dass die beiden Personen einschlägig vorbestraft waren; Marcus S***** wies bereits drei Verurteilungen nach dem Suchtmittelgesetz auf.
Mit Anlassbericht vom 23. September 2008 (ON 2) ersuchte die Polizeiinspektion Braunau die Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis um Anordnung einer Hausdurchsuchung in der oben angeführten Wohnung. Noch am selben Tag beantragte die Staatsanwaltschaft beim Landesgericht Ried im Innkreis die Bewilligung einer entsprechenden Durchsuchungsanordnung gemäß §§ 117 Z 2, 119 Abs 1, 120 Abs 1 erster Satz StPO (ON 3). Sie ging dabei im Sinne des Anlassberichts von einem gegen Marcus S***** und Wolfgang D***** bestehenden Verdacht des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 (erster, zweiter und achter Fall) SMG sowie davon aus, dass sich in der angeführten Wohnung Gegenstände und Spuren befinden, die aus Beweisgründen sicherzustellen oder auszuwerten sind, nämlich Suchtgift und Suchtgiftutensilien, insbesondere Heroin, Speed (Amphetamine) und Kokain. Der Einzelrichter des Landesgerichts Ried im Innkreis bewilligte am 26. September 2008 unter Übernahme der Antragsbegründung (vgl dazu RIS‑Justiz RS0124017) die Durchsuchung (ON 3 S 3), welche daraufhin am 29. September 2008 von der Staatsanwaltschaft angeordnet wurde (ON 3 S 5).
Im Zuge dieser am 30. September 2008 durchgeführten Durchsuchung wurden (laut Anlassbericht vom 30. September 2008, ON 4 S 1) neben geringen Mengen Suchtgift (Marihuana) und Suchtgiftutensilien auch 24 Fotos, auf welchen ua Marcus S***** in Verbindung mit Suchtgift zu sehen ist, von der Kriminalpolizei sichergestellt.
Gegen die Durchsuchung erhoben die Beschuldigten am 8. Oktober 2008 Beschwerde (ON 5), in der sie einwendeten, die bloße Anführung der Verdachtslage in der Anordnung, wonach beide Beschuldigte in der genannten Wohnung Suchtgift, und zwar mindestens zehn Gramm Heroin, eine unbekannte Menge Speed und vermutlich auch Kokain verwahren und zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts auch an dritte Personen weiter verkaufen würden, reiche für die Darlegung „bestimmter Tatsachen", aufgrund welcher anzunehmen sei, dass sich in der Wohnung Gegenstände oder Spuren befinden, die sicherzustellen oder auszuwerten sind (§ 119 StPO), nicht hin. Überdies rechtfertige das vermutliche Auffinden der genannten (teilweise unbestimmten) Suchtgiftmengen keine Hausdurchsuchung und verletze die Anordnung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 5 StPO).
Mit Beschluss vom 4. November 2008 (ON 9) gab das Oberlandesgericht Linz (8 Bs 386/08h) den Beschwerden, die es auch als Einsprüche gegen die Durchsuchungsanordnung qualifizierte, Folge und änderte den Beschluss des Einzelrichters dahingehend ab, dass der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Bewilligung der Durchsuchung abgewiesen und die Anordnung aufgehoben wurde.
Dazu führte das Oberlandesgericht aus, es mangle aufgrund der vagen Angaben eines anonymen Anrufers an der für die Bewilligung einer Durchsuchungsanordnung erforderlichen Verdachtslage (§ 119 Abs 1 StPO), woran auch die einschlägige Vorstrafenbelastung beider Beschuldigten nichts ändere. Überdies erweise sich die zur Aufklärung der in die bezirksgerichtliche Zuständigkeit ressortierenden Straftaten gewählte Zwangsmaßnahme - unter weiterer Berücksichtigung der Anonymität des Anzeigers - als unverhältnismäßig (§ 5 Abs 1 und 2 StPO), wären doch im Vorfeld - neben der Vernehmung der Beschuldigten - grundrechtsschonendere sachdienliche Erkundigungen oder Observationen betreffend den mutmaßlichen Abnehmerkreis zu erwägen gewesen.
Unbeschadet dessen beantragte die Staatsanwaltschaft am 13. November 2008 beim Landesgericht Ried im Innkreis (abermals) die Beschlagnahme der sichergestellten Gegenstände gemäß § 115 Abs 1 Z 1 StPO (ON 1 S 3). Mit Beschluss vom 2. Dezember 2008 (ON 12) ordnete dieses gemäß § 115 Abs 1 Z 1, 3 und Abs 2 StPO die Beschlagnahme an.
Den gegen diesen Beschlagnahmebeschluss erhobenen Beschwerden der Beschuldigten vom 5. Dezember 2008 (ON 14 S 3 f), welche die Maßnahme für unzulässig erachteten, weil durch die nachträgliche Aufhebung der Durchsuchungsanordnung auch die Voraussetzung für die Sicherstellung und damit für die Beschlagnahme weggefallen sei, gab das Oberlandesgericht Linz mit Beschluss vom 7. Jänner 2009, AZ 8 Bs 470/08m (ON 18), teilweise Folge und änderte den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Beschlagnahme der 24 Fotos abgewiesen wurde. Im Übrigen (das Suchtgift und suchtgiftbehaftete Gegenstände betreffend) wurde der Beschwerde nicht Folge gegeben.
Eine Ausfolgung von absolut (gemeint: allgemein) verbotenen Gegenständen (Suchtgift) komme nicht in Betracht, weil die Kriminalpolizei zu deren Sicherstellung von sich aus ermächtigt sei (§ 110 Abs 3 Z 2 StPO).
Gemäß § 122 Abs 1 letzter Satz StPO seien aber - wie im vorliegenden Fall der nachträglichen Verweigerung der gerichtlichen Durchsuchungsbewilligung - sichergestellte Beweismittel wieder auszufolgen. Da eine Sicherstellung der 24 Fotos durch die Kriminalpolizei von sich aus mangels Auflistung in § 110 Abs 3 StPO nicht möglich sei, sei auch deren Beschlagnahme unzulässig.
In ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde führt die Generalprokuratur Folgendes aus:
1. Indem das Oberlandesgericht in seiner nachprüfenden Entscheidung vom 4. November 2008 (ON 9) mit der oben angeführten Begründung den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Bewilligung der Durchsuchung abwies und die Anordnung aufhob, überschritt es das ihm eingeräumte Ermessen und verletzte dadurch das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 5 Abs 1 und 2; 119 Abs 1 StPO.
Die Durchsuchung einer Wohnung hat zur Voraussetzung, dass mit auf bestimmte Tatsachen gegründeter Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich in dem zu durchsuchenden Raum eine der strafbaren Handlung verdächtige Person verbirgt oder Gegenstände oder Spuren befinden, die aus Beweisgründen sicherzustellen oder auszuwerten wären (Bauer, Ausgewählte beweissichernde Zwangsmittel in der neuen StPO, ÖJZ 2008 S 760; EBRV 25 BlgNR 22. GP , 165). Bloße Gerüchte und vage Vermutungen allein reichen demnach für eine Durchsuchung grundsätzlich nicht aus. Eine anonyme Anzeige kann jedoch eine ausreichende Verdachtslage begründen, wenn ihr Inhalt glaubwürdig und plausibel erscheint.
Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft sind im Rahmen ihrer Aufgaben verpflichtet, jeden ihnen - auch durch eine anonyme Anzeige (siehe zur vergleichbaren deutschen Rechtslage: Krehl, Heidelberger Kommentar zur Strafprozessordnung3 § 158 Rz 5; Rieß, Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz25 § 158 dStPO Rz 11) - zur Kenntnis gelangten Verdacht einer Straftat, die nicht bloß auf Verlangen einer hiezu berechtigten Person zu verfolgen ist, in einem Ermittlungsverfahren von Amts wegen aufzuklären (§ 2 Abs 1 StPO). Hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat lösen daher ‑ auch im Fall anonymer Anzeigen - die unbedingte und ermessensfreie Pflicht der genannten Strafverfolgungsbehörden und -organe aus, nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung tätig zu werden (Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren [2005] Rz 11; RV 25 BlgNR 22. GP , 26 f).
Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erachtet es für zulässig, sich im Ermittlungsstadium auf Quellen wie anonyme Anzeigen zu stützen (Handstanger/Okresek, Sicherheitsverwaltung und MRK, Rechtsprechung der Organe der MRK zum Handeln der Sicherheitspolizei, ÖJZ 1995, 251 [255] mwN).
Anonyme Anzeigen bergen stets das erhöhte Manko der Unverlässlichkeit in sich. Die Möglichkeiten, deren Glaubwürdigkeit vorweg zu prüfen und zu beurteilen, sind letztlich auch von der Brisanz der Vorwürfe abhängig.
Im Zusammenhalt mit den durch die Polizeiinspektion Braunau vor Berichterstattung an die Staatsanwaltschaft durchgeführten Strafregisteranfragen, die einschlägige Vorstrafenbelastungen beider Beschuldigter (ON 2/S 9 ff) ergaben, konnten aber die belastenden, zwar knappen aber durchaus präzisen Informationen über die in der Wohnung befindlichen Suchtgifte (ON 2/S 5) durchaus als glaubwürdig gewertet werden (vgl zum Begriff der „Glaubwürdigkeit anonymer Anzeigen" Zerbes WK‑StPO [2006] § 87 aF Rz 6) und bildeten daher eine ausreichende Durchsuchungsgrundlage. Weshalb unter diesen Umständen den Bewilligungsvoraussetzungen nach § 119 Abs 1 StPO nicht entsprochen sein soll, ist nicht nachvollziehbar.
Gleiches gilt für die vom Oberlandesgericht unterstellte Unverhältnismäßigkeit der gewählten Zwangsmaßnahme.
Mangels besonderer Bestimmungen für die Behandlung ‑ wie vorliegend - anonymer Anzeigen (§§ 8 und 42 DV‑StAG), sind auch diese am (allgemeinen) - in § 5 StPO geregelten - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen, wonach die durch Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht zur Aufgabenerfüllung erforderliche Ausübung von Befugnissen und Aufnahme von Beweisen bewirkte Rechtsgutbeeinträchtigung in einem angemessenen Verhältnis zum Gewicht der Straftat, zum Grad des Verdachts und zum angestrebten Erfolg stehen muss. Bei mehreren zielführenden Ermittlungshandlungen und Zwangsmaßnahmen sind jene zu ergreifen, welche die Rechte der Betroffenen am Geringsten beeinträchtigen (§ 5 Abs 1 und 2, erster Satz StPO).
Die nach alter Rechtslage (§ 87 Abs 2 StPO aF) für die Erhebung (glaubwürdiger) anonymer Anzeigen bestehende Verpflichtung zur Vermeidung allen Aufsehens und möglichster Schonung der Ehre der beschuldigten Person (vgl Zerbes WK‑StPO [2006] § 87 aF Rz 6) findet nunmehr bei jeder Art von Anzeige Anwendung (§ 5 Abs 2 letzter Satz StPO; RV 25 BlgNR 22. GP , 29 ff).
Im vorliegenden Fall wurde durch die gewählte Zwangsmaßnahme auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 5 StPO) entsprochen. Denn der Umstand, dass lediglich der Verdacht einer in die bezirksgerichtliche Zuständigkeit ressortierenden Straftat bestand, hinderte eine Hausdurchsuchung grundsätzlich nicht, sieht doch das Gesetz eine derartige Einschränkung wohlweislich nicht vor. Denn das Gewicht einer strafbaren Handlung und deren sozialer Störwert messen sich nicht ausschließlich an der Strafdrohung. So gesehen war die gewählte Zwangsmaßnahme im Hinblick auf die immerhin den Besitz von zehn Gramm Heroin umfassenden Anschuldigungen sowie den oben bereits beschriebenen - auf glaubwürdig und plausibel zu erachtende Angaben gestützten - Verdachtsgrad unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt. Die bloße - nicht näher substanziierte - Behauptung des Beschwerdegerichts, die bewirkte Rechtsgutbeeinträchtigung wäre im Hinblick auf das Gewicht der konkreten Straftat und des Verdachtsgrades unverhältnismäßig, erweist sich demnach als geradezu willkürlich. Auch die Argumentation des Oberlandesgerichts, grundrechtsschonendere Erhebungsschritte, nämlich die Einvernahme der beiden Beschuldigten sowie sachdienliche Erkundigungen und Observationen des vermutlichen Abnehmerkreises, wären im Vorfeld möglich gewesen, ist verfehlt, weil es sich dabei unter den gegebenen Umständen nicht um zielführende Ermittlungsmaßnahmen (§ 5 Abs 2 erster Satz StPO) handelt. Denn eine Erfolg versprechende Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität setzt gerade die rasche und unangekündigte Sicherstellung von Suchtgift voraus, weil nur dadurch die Verbringung beziehungsweise Vernichtung von Beweisgegenständen verhindert werden kann. Im Übrigen stellt die Observation zur Ausforschung eines möglichen Abnehmerkreises auch keinen grundrechtsschonenderen Erhebungsschritt dar, sind doch von dieser Maßnahme nicht nur die Beschuldigten, sondern auch unbeteiligte Dritte betroffen.
2. Auch der Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 7. Jänner 2009 (ON 18), mit welchem in teilweiser Stattgebung der Beschwerden der Beschuldigten der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Beschlagnahme der 24 Fotos abgewiesen wurde, verletzt das Gesetz.
A) Soweit das Oberlandesgericht aus § 122 Abs 1 letzter Satz StPO, wonach im Falle der Nichterteilung einer gerichtlichen Durchsuchungsbewilligung Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln den der gerichtlichen Entscheidung entsprechenden Rechtszustand herzustellen haben, den Schluss zieht, dass im Zuge der Durchsuchung vorgefundene und sichergestellte Beweismittel wieder auszufolgen oder - zB Spuren - zu vernichten sind, verkennt es, dass diese „Rückabwicklungspflicht" ausschließlich nur auf den (hier nicht vorliegenden) Fall einer Durchsuchung bei Gefahr in Verzug durch die Kriminalpolizei ohne vorangehende gerichtlich bewilligte Anordnung durch die Staatsanwaltschaft (§ 120 Abs 1 erster Satz, letzter Halbsatz StPO) bezogen ist.
Auch die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum Strafprozessreformgesetz, 25 BlgNR 22. GP , führen eine solche - überdies nur grundsätzlich bestehende - Ausfolgungspflicht von Gegenständen (Fabrizy StPO10 § 122 Rz 4; Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren [2005] Rz 520; Bertel/Venier, Strafprozessrecht3 [2009] Rz 305) als Ausgleich zum Entfall einer präventiven gerichtlichen Kontrolle nur im Zusammenhang mit einer Durchsuchung gemäß § 120 Abs 1 erster Satz, letzter Halbsatz StPO an (Schwaighofer, Die neue Strafprozessordnung S 257f; RV 25 BlgNR 22. GP , 169).
B) Die allgemeinen (hier anzuwendenden) Bestimmungen über die Beschwerde (§§ 87 ff StPO) normieren für den Fall einer (nachträglich) vom Rechtsmittelgericht ausgesprochenen Ablehnung einer Bewilligung der Durchsuchungsanordnung keine Verpflichtung zur Rückgabe beziehungsweise Vernichtung der bei der (unzulässigen) Durchsuchung sichergestellten Gegenstände oder gewonnenen Spuren und Daten. Nur wenn einer Beschwerde wegen - im gegenständlichen Fall nicht vorliegender - Unzulässigkeit einer im 5. und 6. Abschnitt des 8. Hauptstücks der StPO (§§ 134 bis 143) geregelten Ermittlungsmaßnahme Folge gegeben wird, ist sogleich anzuordnen, dass alle durch diese Ermittlungsmaßnahme gewonnenen Ergebnisse zu vernichten sind (§ 89 Abs 4 StPO). Der Umkehrschluss aus § 89 Abs 4 StPO zeigt, dass die StPO - ganz im Sinn der Intention des historischen Gesetzgebers - eine Verwendungsverbotskonsequenz nur in Ausnahmefällen verlangt (13 Os 83/08t, RIS‑Justiz RS0124162).
Auch der 2. Abschnitt des 8. Hauptstücks der StPO, welchem die Bestimmungen über die Durchsuchung von Orten und Gegenständen sowie von Personen (§§ 119 ff StPO) zugehören, sieht eine Vernichtungsanordnung (aus welcher ein Rückschluss auf eine allenfalls bestehende unbedingte „Rückabwicklungspflicht" gezogen werden könnte) in Betreff unzulässig erlangter Ergebnisse von Ermittlungsmaßnahmen nur in zwei - hier ebenfalls nicht in Frage stehenden - Fällen vor (§§ 123 Abs 3, 124 Abs 4 StPO [13 Os 83/08t]).
C) Selbst unter der Annahme eines Anwendungsfalls des § 107 Abs 4 StPO ergibt sich hieraus nicht zwangsläufig die Verpflichtung, alle bei der - in der Folge vom Gericht nicht bewilligten - Durchsuchung sichergestellten Gegenstände wieder auszufolgen.
Die gerichtliche Bewilligung als Voraussetzung für die Durchsuchung von Orten und Gegenständen dient in erster Linie dem Schutz des Hausrechts (Kirchbacher WK‑StPO § 246 Rz 88 [zu § 141 Abs 1 StPO aF]). Die nachträgliche Verweigerung einer Durchsuchungsbewilligung soll aber nicht - bei der Durchsuchung sichergestellte - Beweisgegenstände gegen deren Verwertung im Strafverfahren immunisieren. In derartigen Fällen liegt somit zwar ein Erhebungsverbot vor, mit dem aber in Hinblick auf die geschützten Interessen kein Verwertungsverbot verbunden ist (Kirchbacher WK‑StPO § 246 Rz 127 [zu § 141 Abs 1 StPO aF]).
Der Gesetzesauftrag zur Wiederherstellung des der gerichtlichen Entscheidung entsprechenden Rechtszustands bedeutet daher primär, dass die von der Durchsuchung herrührenden Daten und Spuren zu vernichten sind. Grundsätzlich sollen auch im Zuge der Durchsuchung sichergestellte Gegenstände wieder ausgefolgt werden (Fabrizy StPO10 § 122 Rz 4; Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren [2005] Rz 520; Bertel/Venier, Strafprozessrecht3 [2009] Rz 305). Das gilt aber nicht für Gegenstände, deren Besitz allgemein verboten ist (§ 445a Abs 1 StPO) - wie zB Suchtgift -, weil die Kriminalpolizei zu deren Sicherstellung auch von sich aus (gemäß § 110 Abs 3 Z 2 StPO) ermächtigt ist (Bauer, Ausgewählte beweissichernde Zwangsmittel in der neuen StPO, ÖJZ 2008 S 760). Das kann aber - ausgehend von den oben angeführten Erwägungen - insbesondere im Hinblick auf das Fehlen eines Beweisverwertungsverbots auch nicht für verfahrensrelevante Beweisgegenstände gelten, hinsichtlich derer die Voraussetzungen für die Beschlagnahme (§ 115 StPO) vorliegen.
Darüber hinaus verkennt das Beschwerdegericht, dass es sich bei den gegenständlichen 24 Fotos um geringwertige Gegenstände im Sinne des § 110 Abs 3 Z 1 lit d StPO handelt, die von der Kriminalpolizei gleichfalls von sich aus sichergestellt werden durften.
D) Aber auch die Behandlung von Zufallsfunden (§ 122 Abs 2 StPO) spricht gegen eine unter allen Umständen bestehende Rückstellungspflicht im Falle einer nachträglichen Verweigerung der Bewilligung einer Durchsuchungsanordnung. Werden bei einer Durchsuchung Gegenstände vorgefunden, die auf die Begehung einer anderen als der Straftat schließen lassen, derentwegen die Durchsuchung vorgenommen wird (Zufallsfunde), sind diese gemäß § 122 Abs 2 erster Halbsatz StPO sicherzustellen (Bauer, Ausgewählte beweissichernde Zwangsmittel in der neuen StPO, ÖJZ 2008 S 759; Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren [2005] Rz 521). Das Gesetz unterscheidet hier nicht zwischen einer gerichtlich bewilligten oder einer unzulässigen Durchsuchung.
Ein Verbot der Sicherstellung beziehungsweise eine daraus folgende Rückgabepflicht normiert der Gesetzgeber - in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtslage (§ 144 StPO aF; Tipold/Zerbes WK‑StPO aF § 144 Rz 1 ff; Bauer, Ausgewählte beweissichernde Zwangsmittel in der neuen StPO, ÖJZ 2008 S 759; Schwaighofer, Die neue Strafprozessordnung S 258) - somit selbst für den Fall nicht, dass eine Durchsuchung wegen des Verdachts einer (nun nachträglich neu hervorgekommenen) Straftat gar nicht angeordnet wurde. Eine Rückgabepflicht der beschlagnahmten Gegenstände bestand gemäß § 144 letzter Satz StPO aF in diesen Fällen nur bei der - hier nicht vorliegenden - Nichteinleitung eines Strafverfahrens durch den Staatsanwalt (Tipold/Zerbes WK‑StPO aF § 144 Rz 1 ff).
Die Verweigerung der Beschlagnahme der 24 Fotos, die den Erstbeschuldigten in Verbindung mit Suchtgift zeigen, erfolgte daher rechtsirrig.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:
Auch der Inhalt einer anonymen Anzeige kommt, wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt, als eine die Durchsuchung von Orten (§ 117 Z 2 lit b StPO) rechtfertigende bestimmte Tatsache in Betracht. Gleichermaßen zutreffend ist, dass die sachliche Zuständigkeit des Bezirksgerichts für das Hauptverfahren ihr keineswegs generell unter dem Aspekt der Unverhältnismäßigkeit entgegensteht und die vom Oberlandesgericht unter diesem Gesichtspunkt verlangten vorangehenden Ermittlungshandlungen den Erfolg der Durchsuchung ernstlich gefährdet hätten (vgl nur § 89 Abs 5 zweiter Satz StPO). Demnach verletzte der Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 4. November 2008 die im Erkenntnis angeführten Bestimmungen.
Im weiters angefochtenen Beschluss vom 7. Jänner 2009 wurde die Verweigerung der Beschlagnahme von Fotos verfehlt auf § 122 Abs 1 StPO gestützt, weil diese Vorschrift ausdrücklich bloß ohne Anordnung und Bewilligung vorgenommene Durchsuchungen „nach § 120 Abs 1 erster Satz letzter Halbsatz" StPO betrifft. Dass die Bewilligung letztlich verweigert wurde, steht dem nicht entgegen, weil im Zeitpunkt der Durchsuchung eine gerichtliche Bewilligung vorlag. Im Übrigen kommt einer gegen die erstgerichtliche Bewilligung eingebrachten Beschwerde aufschiebende Wirkung nicht zu (§ 87 Abs 3 StPO). Die Rechtswirkung im Durchsuchungszeitpunkt gültiger, erst nachfolgend vom Rechtsmittelgericht verweigerter Bewilligung bestimmt sich bei zugleich erledigtem Einspruch wegen Rechtsverletzung nach § 107 Abs 4 StPO, ansonsten in Analogie zu dieser Vorschrift (vgl 14 Os 108/08a, EvBl 2008/174; vgl auch Art 90a B‑VG; iglS 13 Os 122/08b und 13 Os 37/09d).
Dabei zeigt ein Umkehrschluss aus gesetzlichen Vernichtungsanordnungen, dass es sich in anderen Fällen verbietet, einen (neben der Anerkennung der Unzulässigkeit des Eingriffs gebotenen) Ausgleich der geschehenen Rechtsverletzung durch eine Verfügung zu schaffen, welche die Verwendung als Beweismittel in der Hauptverhandlung gefährdet, und so dem erkennenden Gericht in nicht wiedergutzumachender Weise durch ein vorzeitiges Beweisverbot (ohne ausdrückliche gesetzliche Basis) vorzugreifen. Der erforderliche Grundrechtsschutz des Angeklagten (und diesem gleichgestellter Personen) durch eine im Sinn des Art 13 MRK wirksame Beschwerde ist im Hauptverfahren durch die Verfahrensrüge des § 281 Abs 1 Z 4 StPO gegeben. Diese stellt sicher, dass den Verfahrensmängeln der Z 2 und 3 einigermaßen gleichwertige Eingriffe durch Verwendung von Beweismitteln hintangehalten werden. So folgt - wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt - aus der Verletzung eines Beweiserhebungsverbots im Ermittlungsverfahren keineswegs ohne weiteres ein Verbot der Vorführung des so erlangten Beweismittels in der Hauptverhandlung (13 Os 83/08t, EvBl‑LS 2008/40; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 65 ff, 337 f, insb 368; zum Grundrechtsschutz Dritter: Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 176, 357).
Herstellung des rechtmäßigen Zustands aufgrund einer über Einspruch wegen Rechtsverletzung oder Beschwerde des Beschuldigten (oder einer gesetzlich gleichgestellten Person) für unzulässig erklärten Ermittlungsmaßnahme bedeutet demnach dort, wo es an einer gesetzlichen Vernichtungsanordnung fehlt, bloß, dass solcherart erlangte Beweismittel ohne Einverständnis des Beschuldigten zu dessen Nachteil (vgl dazu Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 213 f, 217) weder für die Entscheidung über die Beendigung des Ermittlungsverfahrens (§§ 91 Abs 1, 210 Abs 1 StPO) noch zur Begründung eines Festnahme oder Untersuchungshaft dieses Beschuldigten zugrunde liegenden Tatverdachts verwendet werden dürfen.
Demnach hat das Oberlandesgericht zu Unrecht die Rückgabe der als Beweismittel gegen die Beschuldigten (§ 48 Abs 2 StPO) in der Hauptverhandlung in Frage kommenden Fotos angeordnet.
Da die aufgezeigten Gesetzesverletzungen den Beschuldigten nicht zum Nachteil gereichen, hat es mit ihrer bloßen Feststellung sein Bewenden.
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