OGH 14Os41/13f

OGH14Os41/13f9.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. April 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wancata als Schriftführer in der Strafsache gegen Alexander M***** wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 11. Dezember 2012, GZ 36 Hv 127/12x-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger und der Verteidigerin Mag. Leitner zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache AZ 36 Hv 127/12x des Landesgerichts Innsbruck verletzt das Urteil dieses Gerichts vom 11. Dezember 2012 (ON 18)

in seinem Schuldspruch I/1 und 2 § 57 Abs 2 und Abs 3 letzter Fall StGB sowie

in seinem Strafausspruch § 43a Abs 3 StGB.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch I/1 und 2, demgemäß in der zu I gebildeten Subsumtionseinheit sowie im Strafausspruch aufgehoben und es wird im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Alexander M***** wird von der gegen ihn erhobenen Anklage, er habe zu nicht mehr exakt feststellbaren Zeitpunkten in W*****

(I) anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1) im Jahr 2002 dem Thomas Z***** ein Paar Rennschi der Marke Fischer in einem unerhobenen Wert;

2) im Zeitraum 2004 bis 2005 dem Thomas Z***** ein Paar Rennschi der Marke Salomon unerhobenen Werts,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für die ihm nach dem unberührten Teil des Schuldspruchs weiterhin zur Last liegenden Vergehen des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4 StGB (I/3 bis 10) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (II) wird Alexander M***** unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 128 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten und zwei Wochen verurteilt.

Gemäß § 43a Abs 3 StGB wird ein Teil dieser Freiheitsstrafe im Ausmaß von fünf Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Text

Gründe:

Mit - gekürzt ausgefertigtem - Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 11. Dezember 2012, GZ 36 Hv 127/12x-18, wurde Alexander M***** der Vergehen des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4 StGB (I) sowie der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 128 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, wobei ein Teil von vier Monaten gemäß § 43a Abs 3 StGB für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

Nach dem Schuldspruch hat er

„zu großteils nicht mehr exakt feststellbaren Zeitpunkten in der Zeit zwischen dem Jahr 2002 und 20. Jänner 2012 in W*****, K*****, N***** und an anderen Orten

(I) anderen fremde bewegliche Sachen in einem insgesamt unbekannten, 3.000 Euro jedenfalls übersteigenden Wert mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:

1) im Jahr 2002 dem Thomas Z***** ein Paar Rennschi der Marke Fischer in einem unerhobenen Wert;

2) im Zeitraum 2004 bis 2005 dem Thomas Z***** ein Paar Rennschi der Marke Salomon unerhobenen Wertes“;

3) am 20. Jänner 2006 Mag. Peter P***** einen Rucksack samt im Urteil näher bezeichnetem Inhalt;

4) 5) 7) 8) und 9) Thomas Z***** im Zeitraum 2006 bis 2010 zwei Rucksäcke, im Jahr 2011 ein Fahrrad, im Zeitraum Oktober bis Dezember 2010 eine Daunenjacke, im Herbst 2011 ein Paar Handschuhe und im Zeitraum November bis Dezember 2011 Laufschuhe;

6) im Oktober 2011 Thomas L***** ein Ausziehfernrohr und ein Fernglas;

10) am 20. Jänner 2012 Faruk G***** 300 Euro, eine Taschenlampe, eine Zange und Alkohol;

(II) Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, nämlich im Rucksack des Mag. Peter P***** (Punkt I/3) befindliche, im Urteil näher beschriebene Dokumente, mit dem Vorsatz unterdrückt zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, indem er zumindest einen Reisepass bis 23. Jänner 2012 behielt und die restlichen Urkunden entsorgte.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, steht dieses Urteil im Schuldspruch I/1 und 2 und im Strafausspruch mit dem Gesetz nicht im Einklang.

1. Realkonkurrierende Taten verjähren - abgesehen vom Fall des § 58 Abs 2 StGB - jeweils für sich (Marek in WK² StGB § 57 Rz 12), woran deren Zusammenfassung zu einer Subsumtionseinheit nach § 29 StGB nichts ändert (Ratz in WK² StGB Vor §§ 28 - 31 Rz 15, § 29 Rz 7, 9 f).

Die Taten laut Schuldspruch I/1 und 2 sind rechtlich selbstständig betrachtet jeweils dem Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB zu subsumieren, weshalb deren Strafbarkeit im Hinblick auf die Strafdrohung und mangels urteilsmäßig festgestellter neuerlicher und auf gleicher schädlicher Neigung beruhender Tatbegehung innerhalb der Verjährungsfrist (§ 58 Abs 2 StGB; vgl Marek in WK2 StGB § 58 Rz 7) mit Ablauf eines Jahres nach ihrer Begehung verjährt war (§ 57 Abs 2 und Abs 3 letzter Fall StGB).

2. Nach § 43a Abs 3 letzter Satz StGB darf bei Gewährung bedingter Nachsicht eines Teils der Freiheitsstrafe der nicht bedingt nachgesehene Teil nicht mehr als ein Drittel der Strafe betragen, womit ein unbedingt ausgesprochener Strafteil von drei Monaten bei Verhängung einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten das Gesetz verletzt.

Da diese (Nichtigkeit im Sinn des § 281 Abs 1 Z 9 lit b und 11 erster Fall StPO begründenden) Gesetzesverletzungen zum Nachteil des Verurteilten wirken, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung gemäß § 292 letzter Satz StPO mit konkreter Wirkung zu verknüpfen.

Die Verjährungsbestimmungen nach § 58 StGB stellen (materielle) Strafaufhebungsgründe und keine (prozessualen) Verfolgungshindernisse dar. Da aber angesichts der Aktenlage (und zwar auch bei Berücksichtigung, dass Alexander M***** mit rechtskräftigen Urteilen des Bezirksgerichts Kufstein vom 8. Jänner 2007, GZ 3 U 149/06w-19, und vom 26. Jänner 2009, GZ 3 U 274/08f-7, wegen jeweils eines - und zwar am 12. November 2005 und am 30. August 2008 verübten - Vergehens des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB verurteilt wurde) der Verjährung entgegenstehende Konstatierungen auch in einem erneuerten Rechtsgang nicht zu erwarten sind, war aus prozessökonomischen Gründen von einer Rückverweisung an die Tatsacheninstanz abzusehen, in der Sache selbst zu entscheiden und insoweit mit Freispruch zu den Urteilspunkten I/1 und 2 vorzugehen (vgl RIS-Justiz RS0118545).

Bei der erforderlichen Strafbemessung waren das Zusammentreffen von zwei Vergehen und die Tatbegehung durch längere Zeit hindurch (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) sowie zwei auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorverurteilungen (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB) erschwerend, die teilweise Sicherstellung der Beute mit Zustimmung des Angeklagten (§ 34 Abs 1 Z 14 StGB) und seine geständige Verantwortung (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB) mildernd.

Eine gänzlich bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe verbietet sich, weil die bloße Androhung des Vollzugs allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen mit Blick auf die mangelnde Wirkung früherer Abstrafungen und der Tatbegehung selbst während offener Probezeit der mit dem Urteil des Bezirksgerichts Kufstein vom 26. Jänner 2009, GZ 3 U 274/08f-7, gewährten bedingten Strafnachsicht nicht geeignet erscheint, den Angeklagten von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten.

Bleibt im Übrigen anzumerken, dass idealkonkurrierende strafbare Handlungen nur gemeinsam verjähren (RIS-Justiz RS0113960; Marek in WK² StGB § 57 Rz 13), weshalb das bis 23. Jänner 2012 andauernde (vgl Kienapfel/Schroll in WK² StGB § 229 Rz 38) und an diesem Tag beendete (vgl Marek in WK² StGB § 57 Rz 13) Unterdrücken von Urkunden laut Urteilspunkt II nicht nur Verjährung der Taten laut Urteilspunkt I/4 bis 10 (§ 58 Abs 2 StGB) sondern auch jene der Tat laut Urteilspunkt I/3 (§ 58 Abs 1 StGB) nicht eintreten ließ.

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