OGH 14Os28/08m

OGH14Os28/08m14.3.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. März 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richterin im Evidenzbüro Mag. Rieder als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dragan J***** und einen anderen Angeklagten wegen Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 410 Hv 3/07h des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Dragan J***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 19. Dezember 2007, AZ 20 Bs 340/07g (= ON 128 der Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dragan J***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil vom 12. November 2007 (ON 108) wurde Dragan J***** (richtig:) der Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (A.) und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 2 erster und zweiter Fall StGB (B.) schuldig erkannt und zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Danach hat er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Emir D***** am 12. Juni 2006 in Wien

A./ Goran S***** und Igor B***** jeweils eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1) durch zahlreiche Faustschläge sowie dadurch absichtlich zugefügt, dass Dragan J***** dem Goran S***** wiederholt mit dem Knauf seiner Waffe auf den Kopf schlug und Emir D***** mehrfach massiv mit Stahlrohrsesseln und Teilen von diesen auf die Genannten einschlug, wodurch Goran S***** neben mehreren Rissquetschwunden im Gesichtsbereich, einer Zerrung der Halswirbelsäule, Prellungen und einer Hautabschürfung eine Schädeldachimpressionsfraktur stirnseitig rechts und einen Bruch des linken Oberkiefers und Igor B***** ebenfalls multiple Verletzungen, darunter eine Fraktur des linken Jochbeins, erlitten; B./ Zoran J*****, Goran S***** und Igor B***** mit dem Tod und mit einer erheblichen Verstümmelung gefährlich bedroht, indem Dragan J***** eine Pistole gegen sie richtete und Emir D***** ankündigte, ihnen mit einem Messer die Finger abzuschneiden.

Die dagegen von Dragan J***** erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 19. Februar 2008, GZ 14 Os 7/08y-7, zurückgewiesen, über seine Berufung wurde noch nicht entschieden.

Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 30. November 2007 wurde die am 25. Februar 2007 über Dragan J***** verhängte (ON 6), bereits wiederholt fortgesetzte Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO (idF vor BGBl I 2004/19) neuerlich fortgesetzt (ON 119).

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien der dagegen erhobenen Beschwerde des Angeklagten keine Folge und ordnete seinerseits die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den schon vom Erstgericht angenommenen Haftgründen an (ON 128).

Dagegen richtet sich eine Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten, mit der er sich gegen die Annahme des Vorliegens von Haftgründen wendet und die dazu angestellten Erwägungen des Beschwerdegerichts als bloße Scheinbegründung kritisiert. Sie ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Annahme einer der von § 180 Abs 2 StPO (idF vor BGBl I 2004/19; vgl nunmehr § 173 Abs 2 StPO) genannten Gefahren wird vom Obersten Gerichtshof im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens dahin geprüft, ob sie aus den in der angefochtenen Entscheidung angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als unvertretbar („willkürlich") angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0117806). Der Beschwerdeführer zeigt jedoch keinerlei Willkür bei der Annahme der Tatbegehungsgefahr auf.

Das Oberlandesgericht leitete den genannten Haftgrund mängelfrei aus der nach der Verdachtslage ohne nachvollziehbaren Anlass erfolgten Begehung einer Mehrzahl schwerwiegender, von beträchtlicher Brutalität und Gewaltbereitschaft gekennzeichneter strafbedrohter Handlungen im Kontext mit dem dadurch hinreichend indizierten Aggressionspotential des Angeklagten ab (BS 5). Damit wurde die Annahme der Gefahr, Dragan J***** werde auf freiem Fuß ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens weitere strafbare Handlungen mit schweren oder nicht bloß leichten Folgen begehen, die gegen das selbe Rechtsgut - die körperliche Unversehrtheit anderer - gerichtet sind, wie die ihm angelasteten wiederholt begangenen Handlungen, gesetzmäßig begründet.

Einzelne aus der Sicht des Beschwerdeführers erörterungsbedürftige Umstände bei dieser Prognose nicht erwähnt zu haben, kann der angefochtenen Entscheidung nicht als Grundrechtsverletzung vorgeworfen werden (13 Os 118/03, 15 Os 86/06w). Den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten, den Umstand, dass er das Haftübel erstmals verspürt und das längere Zurückliegen der Anlasstaten hat das Beschwerdegericht im Übrigen ohnehin in seine Erwägungen einbezogen (BS 5).

Soweit sich der Beschwerdeführer mit der (weitgehend auf spekulativen Überlegungen und eigenen Beweiswerterwägungen fußenden) Behauptung, der Angeklagte sei als Polizeiinformant aus Rache mehrfach falsch beschuldigt worden, bloß dagegen wendet, dass das Oberlandesgericht (in einem Einschub) zur Beschreibung der Täterpersönlichkeit unter - aktenkonformer - Bezugnahme auf zwei Zeugenaussagen (S 289, 303/II) zusätzlich illustrativ erwähnt hat, dass der Angeklagte „nach der Aktenlage als Schläger im Rotlichtmilieu berüchtigt" sei (BS 5), und „in diesem Zusammenhang" darauf „verweist", dass die Angaben der Belastungszeugen S*****, B***** und J***** - aus seiner Sicht - unglaubwürdig und widersprüchlich seien, wird die Tatsachengrundlage für die Prognoseentscheidung nicht prozessordnungsgemäß in Frage gestellt, was die Beschwerde ohnehin selbst einräumt (BS 4). Im Übrigen gilt die Unschuldsvermutung des Art 6 Abs 2 MRK hinsichtlich der für die Annahme eines Haftgrundes nach § 173 Abs 2 StPO herangezogenen bestimmten Tatsachen nicht (vgl Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention² § 24 Rz 26, 120). Eine Erörterung der Argumente gegen die vom Oberlandesgericht ebenfalls als bestehend angesehene Fluchtgefahr erübrigt sich, weil bei gegebenem dringenden Tatverdacht bereits ein Haftgrund die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft rechtfertigt (RIS-Justiz RS0061196).

Somit wurde der Beschuldigte im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

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