OGH 14Os21/24f

OGH14Os21/24f14.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Mai 2024 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Bayer in der Strafsache gegen * P*wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 17. Jänner 2024, GZ 24 Hv 94/23x‑10, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0140OS00021.24F.0514.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Amtsdelikte/Korruption

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht Innsbruck zu.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtlich verfehlten, jedoch prozessual unbeachtlichen Freispruch in Ansehung des Tatzeitraums enthält (vgl RIS‑Justiz RS0117261 [insb T7]), wurde * P* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat sie von 31. Dezember 2022 bis 2. Juli 2023 in I* als Polizeibeamtin der Polizeiinspektion I* mit dem Vorsatz, (zu ergänzen: dadurch) den Staat an dessen „Recht auf Durchführung eines ordnungs- und gesetzmäßigen Strafverfahrens“ und auf Strafverfolgung zu schädigen (US 7), ihre Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem sie eine am 31. Dezember 2022 angezeigte Körperverletzung erst nach Urgenzen eines Kollegen am 16. Februar 2023 im PAD erfasste, es unterließ, den Beschuldigten, das Opfer sowie die Zeugen zu vernehmen und einen (Abschluss‑)Bericht an die Staatsanwaltschaft zu erstatten, und in weiterer Folge am 2. Juli 2023 sämtliche Personendaten aus dem Akt löschte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Dem Vorwurf von Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) zuwider bringen die Feststellungen unmissverständlich zum Ausdruck, dass die Angeklagte ihre Befugnis als Organ der Kriminalpolizei zur Aufklärung des Verdachts einer § 83 Abs 1 StGB zu unterstellenden Körperverletzung (vgl § 2 Abs 1, § 99 Abs 1 und § 100 StPO) durch Unterlassen der Vernehmung von Zeugen und des Beschuldigten sowie der Erstattung eines (Zwischen- oder Abschluss‑)Berichts an die Staatsanwaltschaft und durch Löschung von Daten im PAD wissentlich missbrauchte (US 4 bis 6 [zur objektiven Tatseite], US 7 [zur subjektiven Tatseite]). Gleiches gilt – dem weiteren Beschwerdevorbringen zuwider – auch für den Vorsatz der Angeklagten, den Staat an dessen Recht auf Strafverfolgung zu schädigen (US 7).

[5] Der weiters geltend gemachte Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen dem Referat der entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), wonach der Vorsatz der Angeklagten das Recht auf Durchführung eines ordnungsgemäßen und gesetzmäßigen Strafverfahrens umfasste (US 1; siehe zur gleichlautenden Feststellung in den Entscheidungsgründen US 7) und der (präzisierenden) Feststellung zum Recht auf Strafverfolgung als Bezugspunkt des Schädigungsvorsatzes der Angeklagten (US 7, vgl auch US 15) liegt nicht vor. Denn beide Tatsachen lassen sich nach Maßgabe der Denkgesetze und allgemeiner Lebenserfahrung sehr wohl vereinbaren (RIS‑Justiz RS0117402 [T1]).

[6] Die Tatrichter erschlossen die subjektive Tatseite aus dem äußeren Tatgeschehen, nämlich den häufigen Zugriffen auf den elektronischen Akt, den vielfachen Urgenzen eines Arbeitskollegen, dem Löschen von Daten, dem Fehlen persönlicher oder beruflicher Überlastung, dem Ausbildungsstand und der Berufserfahrung der Angeklagten, sowie ihrer einen Fehler einräumenden Verantwortung (US 9, 11 und 13 f). Dass diese Gründe die Angeklagte nicht überzeugen, vermag keine Nichtigkeit herzustellen (vgl RIS‑Justiz RS0118317 [T9]; auch RS0116882).

[7] An sich zutreffend legt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) dar, dass das Recht auf Durchführung eines ordnungsgemäßen und gesetzmäßigen Strafverfahrens keinen tauglichen Bezugspunkt des Schädigungsvorsatzes iSd § 302 Abs 1 StGB darstellt (vgl RIS‑Justiz RS0096270 [insbes T7]). Der damit (der Sache nach) erhobene Einwand eines Rechtsfehlers mangels Feststellungen zum Schädigungsvorsatz übergeht aber die weiteren Urteilskonstatierungen, wonach die Angeklagte die Schädigung des Staates auch an seinem Recht auf Strafverfolgung ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand (US 7; vgl aber RIS‑Justiz RS0099810; zum Schädigungsvorsatz im hier gegebenen Zusammenhang 17 Os 47/14m).

[8] Mit der Behauptung, die Konstatierungen zum Tatgeschehen und zur Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs würden sich auf die „verba legalia“ beschränken, erklärt die Rüge nicht, weshalb es den diesbezüglich getroffenen, eingangs der Ausführungen dargestellten Feststellungen (US 4 ff) am gebotenen Sachverhaltsbezug fehle (RIS‑Justiz RS0119090 [T3]).

[9] Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Tatsachenfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS‑Justiz RS0124801).

[10] Diesen Bezugspunkt verfehlt die Rüge schon deshalb, weil sie mit dem Vorbringen, die Angeklagte habe das objektive Tatgeschehen eingestanden und Reue gezeigt, die Urteilskonstatierungen zum Fehlen der – für eine diversionelle Erledigung erforderlichen, entsprechendes Unrechtsbewusstsein voraussetzenden (RIS‑Justiz RS0126734; Schroll/Kert, WK‑StPO § 198 Rz 36/1 mwN) – Verantwortungsübernahme der Angeklagten übergeht (vgl auch US 16). Dass das der Angeklagten angelastete Verhalten einen – angesichts der hohen gesetzlichen Strafdrohung erforderlichen (vgl RIS‑Justiz RS0116021 [T17 und T24]) – geradezu atypisch geringen Schuldgehalt aufweise oder die über Monate vereitelte strafrechtliche Verfolgung eine bloß geringfügige oder sonst unbedeutende Schädigung an Rechten (§ 198 Abs 3 StPO) bedeute, wird nicht einmal behauptet.

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[12] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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