Spruch:
Im Verfahren AZ 141 Hv 57/08y des Landesgerichts für Strafsachen Wien verletzt das Urteil dieses Gerichts als Schöffengericht vom 24. September 2009 (ON 368) § 32 Abs 1 letzter Satz StPO.
Dieses Urteil, das im Übrigen (demnach in Betreff der Freisprüche) unberührt bleibt, in seinen Schuld- und Strafaussprüchen einschließlich der Vorhaftanrechnung, weiters in den Aussprüchen über die Einziehung sichergestellten Suchtgifts und über die Abschöpfung unrechtmäßiger Bereicherung sowie der unter einem gefasste Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsichten werden aufgehoben und die Sache wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Mit ihren Rechtsmitteln werden der Angeklagte Pedro C***** und die Staatsanwaltschaft auf die Urteils- und Beschlussaufhebung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Freisprüche enthaltenden Urteil wurden Pedro C***** und David S***** jeweils des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 1 und Z 3 SMG und mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Z 2 SMG (Pedro C***** auch nach § 15 StGB), Braima B***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 SMG sowie alle drei Angeklagten des Vergehens nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG (idF BGBl I 2002/134) schuldig erkannt und dafür unter Vorhaftanrechnung zu Freiheitsstrafen sowie zur Zahlung von Geldbeträgen in Höhe der dadurch eingetretenen Bereicherung (§ 20 Abs 1 StGB) verurteilt. Unter einem wurde sichergestelltes Suchtgift eingezogen (§ 34 SMG iVm § 26 StGB) und der Beschluss auf Widerruf sämtlichen Angeklagten gewährter bedingter Strafnachsichten gefasst.
Gegen dieses Urteil richten sich die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Pedro C***** und die (nur diesen Angeklagten betreffende) Berufung der Staatsanwaltschaft, gegen den Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht die Beschwerde des Erstgenannten.
Die Hauptverhandlung wurde am 24. September 2009 durchgeführt, das Urteil am selben Tag verkündet (ON 367), wobei das erkennende Gericht aus zwei Richtern und zwei Schöffen zusammengesetzt war (ON 367 S 1).
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht diese Gerichtsbesetzung mit dem Gesetz nicht in Einklang.
Mit dem Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl I 2009/52, wurde der letzte Satz des § 32 Abs 1 StPO dahin geändert, dass das Landesgericht als Schöffengericht aus einem Richter und zwei Schöffen besteht, womit das Erstgericht nicht gehörig besetzt war (Jerabek, WK-StPO § 514 Rz 9; zur gegenteiligen, im Erlass des BMJ vom 17. Juni 2009 über die Änderungen des StGB, der StPO, des JGG, des StAG und des StVG durch das Budgetbegleitgesetz 2009, JMZ 894000L/4/II3/09, JABl 2009/15, geäußerten Rechtsansicht vgl für alle: 13 Os 115/09z, 13 Os 125/09w).
Da fallbezogen die in Rede stehende Rechtsfrage nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 367) nicht erörtert worden ist, in diesem speziellen Fall selbst rechtskundigen Verteidigern die erforderliche Kenntnis der wahren prozessualen Rechtslage nicht einfach unterstellt werden kann (vgl dazu erneut 13 Os 115/09z, 13 Os 125/09w), zumal die erste klarstellende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs erst am 17. November 2009 gefällt wurde (14 Os 130/09p, 141/09f), ist nicht davon auszugehen, dass die Verteidiger die Rüge des Besetzungsmangels (§ 281 Abs 1 Z 1 StPO) bewusst unterlassen haben (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 133).
Mit Blick auf die Bestimmung des § 292 letzter Satz StPO sah sich der Oberste Gerichtshof daher veranlasst, die Feststellung der Gesetzesverletzung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen.
Der Angeklagte Pedro C***** und die Staatsanwaltschaft waren mit ihren Rechtsmitteln auf die Kassation der damit angefochtenen Entscheidungen zu verweisen.
Um im nunmehr erforderlichen zweiten Rechtsgang mögliche Fehler hintanzuhalten, sei festgehalten, dass die Nennung der (zum Schuldspruch A/1 gar „nicht feststellbaren“ [US 4]) Bruttomengen mit dem Beifügen, es handle sich hiebei um eine „die Grenzmenge jedenfalls 25-fach übersteigende“ oder „mehrfach überschreitende“ Quantität, nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Beurteilung einer tatverfangenen Suchtgiftmenge als groß (§ 28b SMG) oder übergroß (§ 28a Abs 4 Z 3 SMG) nicht ausreicht (RIS-Justiz RS0111350).
Es werden daher zu sämtlichen Schuldsprüchen deutliche konkrete Feststellungen zur Mindestmenge an tatgegenständlichem Suchtgift, bezogen auf die Reinsubstanz des Wirkstoffs, zu treffen sein, die dem angefochtenen Urteil unmissverständlich bloß zu den Schuldsprüchen B, C und D/1/a/bb (US 5f, 19, 25), in Betreff des weiteren Faktenkomplexes D nur andeutungsweise (US 18, 25) und zu A überhaupt nicht zu entnehmen sind. Der Bestimmung des § 270 Abs 2 Z 5 StPO entsprechend werden diese Konstatierungen ebenso zu begründen sein wie die - bislang gänzlich unbegründet gebliebenen - Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite.
Ungeachtet der rechtlichen Gleichwertigkeit der Beteiligungsformen nach § 12 StGB (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 646) bleibt weiters anzumerken, dass (Mit-)Täter nur derjenige sein kann, der eine dem Tatbild entsprechende Ausführungshandlung setzt. Die zum Schuldspruch A konstatierte Bestimmung des abgesondert verfolgten Armando B***** zur Lieferung von Suchtgift von Holland über Deutschland nach Österreich durch die als Drogenkurier agierende Sandra Lopes M***** (US 19 ff) wäre daher als Bestimmungstäterschaft nach § 12 zweiter Fall StGB zur Ein- und Ausfuhr von Suchtgift durch die unmittelbar ausführenden Täter zu beurteilen.
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