OGH 14Os20/90

OGH14Os20/906.3.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.März 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Ponholzer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Christian S*** und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1, 130 erster Fall und 15 StGB sowie einer anderen strafbaren Handlung über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18.August 1989, GZ 6 c Vr 2.081/89-51, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und eines Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. August 1989, GZ 6 c Vr 2.081/89-51, verletzt im Schuldspruch des Angeklagten Christian S*** laut den Punkten A/III/2 und B/I/1 das Gesetz in dem sich aus dem XX. Hauptstück der Strafprozeßordnung ergebenden Grundsatz, daß gegen denselben Beschuldigten wegen derselben Tat nicht neuerlich ein gerichtliches Strafverfahren eingeleitet werden darf ("ne bis in idem").

Dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird im vorbezeichneten Umfang sowie in dem den Angeklagten Christian S*** betreffenden Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und es wird gemäß §§ 288 Abs. 2 Z 3, 292 StPO in der Sache selbst erkannt:

Christian S*** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe in Wien

1. am 30.Dezember 1988 gewerbsmäßig Gewahrsamsträgern der Firma C***-D*** fremde bewegliche Sachen, nämlich 2 Flaschen Bacardi, 1 Flasche Whisky der Marke "Four Roses", 1 Flasche Ballantines, 1 Flasche Cointreau, 1 Packung Toastbrot und 1 Herrenslip im Gesamtwert von 835,90 S mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern

(Anklagepunkt A/III/2);

2. am 7.September 1988, wenn auch nur fahrlässig, sich durch den Genuß von Alkohol und Medikamenten in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt und in diesem Zustand im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Hildegard F*** Gewahrsamsträgern der G*** K***-AG gewerbsmäßig eine fremde bewegliche Sache, nämlich eine Flasche Parfum der Marke "Lagerfeld" im Wert von 530 S mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern (Anklagepunkte B/I/1); er habe (auch) hiedurch - im Zusammenhang mit den ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruchs zur Last liegenden Taten - (zu 1.) das Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129

Z 1, 130 erster Fall und 15 StGB sowie (zu 2.) das Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 (§§ 15, 127, 130 erster Fall) StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Zur Strafneubemessung wird die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Wien zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem oben bezeichneten, unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Urteil wurde Christian S*** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1, 130 erster Fall und 15 StGB sowie des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 (§§ 15, 127, 130 erster Fall) StGB schuldig erkannt und über ihn deshalb eine Freiheitsstrafe von 14 Monaten verhängt, die er derzeit in der Strafvollzugsanstalt Hirtenberg mit voraussichtlichem Strafende 21. August 1990 verbüßt (ON 59, 61).

Gegenstand dieses Urteils waren u.a. auch die beiden im Spruch beschriebenen Straftaten (Punkte A/III/2 und B/I/1 des erstinstanzlichen Urteilssatzes), derentwegen Christian S*** jedoch bereits mit Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 15.Feber 1989, GZ 7 U 2.476/88-12 (laut den Punkten 5 und 9 dieses Urteils = ON 5 und ON 9 des bezirksgerichtlichen Strafaktes) rechtskräftig verurteilt worden war.

Rechtliche Beurteilung

Der sohin ("ne bis in idem") gesetzwidrige und dem Angeklagten nachteilige spätere Schuldspruch durch das Landesgericht für Strafsachen Wien samt Strafausspruch war daher - in Stattgebung der deshalb vom Generalprokurator erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes - aufzuheben und Christian S*** insoweit freizusprechen.

Die damit notwendig gewordene Strafneubemessung konnte allerdings - entgegen dem Antrag des Generalprokurators - nicht sogleich duch den Obersten Gerichtshof selbst erfolgen. Da der Angeklagte in Haft ist, konnte er zum Gerichtstag über die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nicht selbst erscheinen; es wäre nur eine Vertretung durch einen Verteidiger in Betracht gekommen (§§ 286 Abs. 2, 292 StPO), der im Gerichtstag auch die Rechte des Angeklagten in bezug auf die Straffrage hätte wahrnehmen können (Art. 6 Abs. 3 lit. c MRK). In erster Instanz war Christian S*** durch einen Verteidiger gemäß § 41 Abs. 2 StPO vertreten (ON 39), dessen Beigebung allerdings für das Verfahren nach §§ 33, 292 StPO nicht wirksam ist (JBl. 1985, 505 = EvBl. 1986/17). Mangels eines Verteidigers war sohin eine Strafneubemessung durch den Obersten Gerichtshof nicht möglich (JBl. 1985, 505 = EvBl. 1986/17; 10 Os 143,144/86 = JUSExtra 1987 Nr. 24, S 15; 13 Os 38/88), zu welchem Zweck die Sache daher an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen war (10 Os 143,144/86, 12 Os 63/88), zumal mangels Ergreifung einer Berufung die Kompetenz des Gerichtshofes II. Instanz niemals begründet worden ist.

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