Spruch:
Das Urteil des Landesgerichts Linz vom 18. Jänner 1988, 27 Vr 2402/87-18, verletzt die §§ 223 Abs 1, 224 StGB. Gemäß § 292 StPO. wird das Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch II 2, soweit der Christine R*** zur Last gelegt wird, eine "besonders geschützte Urkunde gebraucht" zu haben, ferner in der Beurteilung der ihr zur II 1 angelasteten Tat als Vergehen der Urkundenfälschung auch nach § 223 Abs 1 StGB., des weiteren in der Beurteilung der ihr zu II 2 angelasteten Tat als Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach § 224 StGB. sowie im Strafausspruch aufgehoben und gemäß §§ 288 Abs 2 Z. 3, 292 StPO. unter Neufassung des Spruchs im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Christine R*** ist schuldig, sie hat in Linz
1. am 7. Oktober 1987 einen Empfangschein der Ö***
L***,
2. am 9. Oktober 1987 einen Empfangschein der Ö***
P***,
die sie durch nachträgliche Änderung des tatsächlich eingezahlten Betrags von jeweils 20 S auf jeweils 27.020 S verfälscht hatte, im Rechtsverkehr durch Vorlage bei der Firma L*** zum Beweis einer Tatsache, nämlich der Einzahlung einer Kaution und einer Vermittlungsprovision von 27.020 S, gebraucht. Christine R*** hat hiedurch das Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB. begangen.
Zur Neubemessung der Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz abgetreten.
Text
Gründe:
Die am 5. Mai 1965 geborene, beschäftigungslos gewesene Christine R*** ist des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB. (I), des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 und 2 StGB. (II 1) und des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach § 224 StGB. (II 2) schuldig erkannt und hiefür nach §§ 28, 147 Abs 3 StGB. zu einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt worden. Gegen dieses Urteil erhob die Angeklagte lediglich die Berufung wegen Strafe, über die noch nicht entschieden worden ist. Inhaltlich des Schuldspruchs II 1 hat die Angeklagte am 7. Oktober 1987 in Linz einen Empfangschein der Ö*** L*** durch Änderung der Angabe über den eingezahlten Betrag von 20 S auf 27.020 S verfälscht und im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich einer Bareinzahlung von 27.020 S gebraucht. Diesen Sachverhalt beurteilte das Gericht als Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 und 2 StGB.
Rechtliche Beurteilung
Die Unterstellung der Tat auch unter § 223 Abs 1 StGB. steht mit dem Gesetz nicht in Einklang. Der Täter, der eine von ihm gefälschte Urkunde im Rechtsverkehr selbst gebraucht, haftet nur nach § 223 Abs 2 StGB. Die Herstellung der verfälschten Urkunde stellt sich als eine nachbestrafte und daher straflose Vortat dar (LSK. 1977/299 u.v.a.).
Laut Schuldspruch II 2 liegt der Angeklagten zur Last, am 9. Oktober 1987 einen postamtlich bestätigten Empfangschein der Ö*** P*** gleichfalls durch Erhöhung der als
eingezahlt ausgewiesenen Betragsangabe von 20 S auf 27.020 S verfälscht und sodann im Rechtsverkehr zum Beweis einer Bareinzahlung in der letztgenannten Höhe verwendet zu haben. Das Gericht beurteilte den postamtlich bestätigten Empfangschein der Ö*** P*** als öffentliche Urkunde und
erkannte demgemäß Christine R*** des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach § 224 StGB. schuldig. Auch dieser Schuldspruch steht mit dem Gesetz nicht im Einklang. Nach nunmehr herrschender Rechtsprechung stellt die postamtliche Bestätigung einer Einzahlung auf einem Empfangschein der Ö*** P*** keine öffentliche Urkunde dar
(EvBl. 1986/124 mit eingehender Begründung). Rechtsrichtig wäre die Angeklagte sohin auch deswegen nur des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB. schuldig zu erkennen gewesen.
Die aufgezeigten Gesetzesverletzungen wirkten sich schon wegen der gegenüber derjenigen des § 223 StGB. höheren Strafdrohung des § 224 StGB. zum Nachteil der Angeklagten aus.
In Stattgebung der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs 2 StPO. erhobenen Beschwerde waren daher die verfehlten Schuldsprüche zu korrigieren (§ 292, letzter Satz, StPO.) und der Strafausspruch, dessen Grundlage sich damit geändert hat, zu kassieren. Eine sofortige Strafneubemessung durch den Obersten Gerichtshof kam im Hinblick darauf nicht in Betracht, daß die in Haft befindliche Angeklagte zum Gerichtstag über die Nichtigkeitsbeschwerde nicht selbst zu erscheinen vermag (§§ 286 Abs 2, 292 StPO.) und die Beigabe eines Verteidigers nach § 41 Abs 2 StPO. für ein Verfahren nach §§ 33, 292 StPO. nicht wirksam ist. Die Neubemessung der über Christine R*** zu verhängenden Strafe mußte darum einer Instanz überlassen werden, vor der sich die Angeklagte wenigstens von dem für sie bestellten Verfahrenshelfer vertreten lassen kann (wenn sie schon die in §§ 294 Abs 5, 296 Abs 3 StPO. statuierte Versäumung des in der Berufung oder Gegenausführung zu stellenden Vorführungsantrags gegen sich gelten lassen muß). Als eine solche Instanz fungiert das Oberlandesgericht. Die Verhandlung über die Strafneubemessung unterscheidet sich dort formal nicht von jener Verhandlung, die über die nun gegenstandslos gewordene Berufung abzuführen gewesen wäre. Aus diesem Grund erstreckt sich die Wirksamkeit der Verteidigerbestellung nach § 41 Abs 2, letzter Satz, StPO. jedenfalls auf die Verhandlung vor dem Gerichtshof zweiter Instanz über die Strafneubemessung (vgl. die ähnliche Prozeßrechtslage in EvBl. 1982 Nr. 181, letzter Absatz; ebenso 13 Os 44/82). In Ausübung des ihm gemäß § 292, letzter Satz, StPO. eingeräumten Ermessens hat der Oberste Gerichtshof sonach die Akten zum Zweck der Strafneubemessung dem örtlich zuständigen Gerichtshof zweiter Instanz abgetreten (zum ganzen grundsätzlich EvBl. 1986 Nr. 17 = JBl. 1985 S. 505).
Eine Rückverweisung der Sache an das Landesgericht kam aus prozeßrechtssystematischen Erwägungen nicht in Betracht. Das Erstgericht ist Tatsacheninstanz. Eine Rückverweisung dorthin kommt nur in Frage, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts noch irgendeine Tätigkeit im Verfahren zu entfalten ist, welche die Prozeßordnung den Tatrichtern vorbehält (siehe jeweils letzter Absatz in EvBl. 1986 Nr. 17 = JBl. 1985 S. 505). Vom Vorenthalten einer Instanz kann hier ebensowenig gesprochen werden wie in dem Fall der Strafneubemessung seitens des Obersten Gerichtshofs oder der erstmaligen Strafbemessung in zweiter Instanz nach der Aufhebung eines Freispruchs.
Darnach war insgesamt wie im Spruch zu erkennen.
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