Spruch:
Durch den angefochtenen Beschluß wurde Ludwig Rudolf L***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Begründung
Gegen Ludwig Rudolf L***** ist beim Landesgericht für Strafsachen Graz zum AZ 12 (18) Vr 8/93 ein Strafverfahren wegen des Verdachtes des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2, 148 zweiter Fall StGB und des Vergehens der Täuschung nach § 108 Abs. 1 StGB anhängig.
In der - infolge Einspruchsverzichts rechtswirksamen - Anklageschrift (ON 87) vom 6.Juli 1993 werden ihm als das bezeichnete Verbrechen in der Zeit vom 23.Juli (unrichtig: "20.1."; vgl. ON 9) bis 7.Dezember 1992 in neun Angriffen gewerbsmäßig verübte (teils) schwere Betrügereien mit einem Gesamtschaden von rund 195.000 S zur Last gelegt.
Die Hauptverhandlung ist für den 26.August 1993 anberaumt.
Über Ludwig Rudolf L***** wurde (zunächst) im Verfahren zum AZ 12 E Vr 2428/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz - nach der am 21. November 1992 erfolgten Festnahme - mit Beschluß vom 22.November 1992 aus den Gründen der Flucht-, Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr (nach § 180 Abs. 2 Z 1, 2 und 3 lit. c StPO) die Untersuchungshaft verhängt. In diesem Verfahren wurden L***** im Strafantrag vom 5.August 1992 in der Zeit vom 23.Mai bis 29.Juni 1992 (in vier Angriffen) begangene Betrugstaten zur Last gelegt.
Über Antrag der Staatsanwaltschaft (vom 22.Dezember 1992) schied der Untersuchungsrichter in der Folge eingelangte weitere Anzeigen gegen den Genannten mit Beschluß vom 29.Dezember 1992 - unangefochten - aus dem Verfahren AZ 12 E Vr 2428/92 aus und bildete zum AZ 18 Vr 18/93 einen neuen Akt. In dem zuletzt bezeichneten Verfahren wurde sodann mit Beschluß vom 25.Jänner 1993 die Voruntersuchung gegen Ludwig Rudolf L***** wegen des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2, 148 StGB eingeleitet (S 3 c, 222/I). Außerdem wurde von der Staatsanwaltschaft (am 27.Jänner 1993) beantragt (S 3 d), "für den Fall der Enthaftung des Ludwig Rudolf L***** im Verfahren 12 E Vr 2428/92" einen Haftbefehl auszustellen und die Untersuchungshaft gemäß § 180 Abs. 2 Z 1, 2 und 3 lit. c StPO zu verhängen.
Im Verfahren 12 E Vr 2428/92 wurde Ludwig Rudolf L***** mit dem (in Rechtskraft erwachsenen) Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 11.März 1993, ON 46, wegen des (am 26. und 29.Juni 1992 in zwei Angriffen begangenen) Vergehens des Betruges nach § 146 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 15.Jänner 1993, GZ 35 E Vr 1464/92-22, mit welchem er wegen des (in der Zeit vom 4. bis 8.Mai 1992 verübten) Vergehens des Betruges nach § 146 StGB zu zwei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden war, zu einer (Zusatz-)Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt. Diese Strafe wurde (unter Anrechnung der Vorhaft) bis 20.Mai 1993 vollzogen, wobei die Untersuchungshaft ab 11.März 1993 (gemäß § 180 Abs. 4 StPO) aufgehoben war. Hernach wurde im Verfahren zum AZ 18 Vr 8/93 die Untersuchungshaft mit Beschluß vom 18.Mai 1993 aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs. 2 Z 3 lit. c StPO verhängt (ON 10 S 227 t/I iVm ON 67).
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Oberlandesgericht Graz der Beschwerde des Beschuldigten gegen den seine Enthaftung ablehnenden Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 26. Mai 1993 (ON 74) nicht Folge.
Der dagegen fristgerecht erhobenen Grundrechtsbeschwerde, worin (der Sache nach) die unrichtige Beurteilung des Tatverdachtes und des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr sowie die Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft releviert werden, kommt keine Berechtigung zu.
Wenn der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die seit 21.November 1992 "ununterbrochen" bestehende Haft ins Treffen führt, zum Zeitpunkt der Beschlußfassung auf (neuerliche) Verhängung der Untersuchungshaft (am 18. Mai 1993) sei die in § 193 Abs. 3 StPO normierte Frist von sechs Monaten bereits abgelaufen gewesen, vernachlässigt er zunächst, daß er vom 11.März bis 20.Mai 1993 in Strafhaft angehalten wurde (s. Strafvollzugsbericht ON 70 = ON 50 in 12 E Vr 2428/92). Da unter den Voraussetzungen des § 180 Abs. 4 StPO die Untersuchungshaft, die (ua) nicht verhängt oder aufrechterhalten werden darf, wenn die Haftzwecke auch durch eine gleichzeitige Strafhaft erreicht werden können, aufzuheben ist (Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr. 12 b;
Foregger-Serini-Kodek5 Anm. III jeweils zu § 180 StPO), danach somit keine Untersuchungshaft vorliegt, fehlt es in diesen Fällen ab Einleitung des Strafvollzuges oder der Verhängung der Haft anderer Art (etwa der Einleitung eines Verwaltungsstrafvollzuges) an einem gesetzlichen Anknüpfungspunkt für die Anwendung der Fristbestimmung des § 193 StPO (14 Os 95/93).
Vorliegend begann jedoch die hier aktuelle (sechsmonatige) Haftfrist, wie das Oberlandesgericht zutreffend erkannte, (nach dem Vollzug der Freiheitsstrafe) am 20.Mai 1993 (neu) zu laufen. Dies ergibt sich schon daraus, daß Gegenstand der - faktenbezogen vorzunehmenden (§ 180 Abs. 1 StPO) - Prüfung der Voraussetzungen für die Verhängung der Untersuchungshaft im Verfahren 12 E Vr 2428/92 lediglich die vom dort gestellten Strafantrag (vom 5.August 1992) erfaßten Betrugstaten gewesen waren. Die dem Angeklagten im nunmehrigen Verfahren zum AZ 12
(18) Vr 8/93 - auf Grund der rechtskräftigen Anklage - zur Last liegenden Betrügereien waren in der bezeichneten Einzelrichtersache bei der Prüfung der Haftfrage nicht Verfahrensgegenstand. Hinzu kommt, daß die Anzeigen hinsichtlich der Fakten 1, 3, 8 und 9 der Anklageschrift sogar erst nach der (am 29.Dezember 1992) erfolgten Ausscheidung bei Gericht eingelangt sind (vgl. S 3 d, g, j und n iVm ON 9, 13, 23 und 39) und sohin für die erstmalige Verhängung der Untersuchungshaft gleichfalls keinen Anlaß geboten haben konnten (siehe hiezu auch EvBl. 1987/96). Das Oberlandesgericht ist daher im Recht, wenn es vorliegend zum Ergebnis gelangte, daß im Verfahren 18 Vr 8/93 die Sechsmonatefrist des § 193 Abs. 3 StPO erst mit der Verhängung der Untersuchungshaft - nach dem Vollzug der Freiheitsstrafe zum AZ 12 E Vr 2428/92 am 20.Mai 1993 - (neu) zu laufen begonnen hat.
Den das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts bestreitenden Einwendungen hinwieder genügt es zu erwidern, daß sich dieser in der Vorentscheidung der Ratskammer manifestiert, worauf das Oberlandesgericht im Ergebnis ebenfalls Bezug genommen hat. Auch nach der vom Obersten Gerichtshof vorgenommenen Prüfung im Licht der in der Anklageschrift (auf Grund der Ergebnisse des Vorverfahrens) angeführten Umstände vermögen die aktenkundigen Indizien - wie kriminelles Vorleben, Wesensart des Angeklagten, finanzielle Situation - den im § 180 Abs. 1 StPO verlangten höheren Grad an Wahrscheinlichkeit, daß der Beschwerdeführer die ihm angelasteten Straftaten begangen hat, zu bewirken. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, daß im bekämpften Beschluß - worauf die Beschwerde abzielt - von "insgesamt mindestens zwölf Angriffen mit Schadensbeträgen um 200.000 S" die Rede ist, wogegen die Anklageschrift, wie eingangs dargelegt, (bloß) neun Angriffe mit einem Gesamtschaden von rund 195.000 S umfaßt. Ob aber die vorliegenden - jedenfalls die Annahme eines dringenden Tatverdachtes rechtfertigenden - Verfahrensergebnisse auch ausreichen, den Beschwerdeführer im Sinn der gegen ihn erhobenen Anklage zu überführen, darf vom Obersten Gerichtshof im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nicht geprüft werden, sondern muß nach den das österreichische Strafverfahrensrecht beherrschenden Grundsätzen der Mündlichkeit, Unmittelbarkeit und freien richterlichen Beweiswürdigung ausschließlich den zur Urteilsfällung berufenen Tatrichtern vorbehalten bleiben (NRsp 1993/52 ua).
In Ansehung des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr verweist der Gerichtshof zweiter Instanz auf die bisherigen (ab 1971 insgesamt "17", laut Anklageschrift 24) Verurteilungen des Angeklagten wegen schwerer Eigentumsdelikte, die Fortsetzung der Betrugstaten während der beiden eingangs bezeichneten Strafverfahren (wegen Betruges) und auf das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen (ON 80), wonach es sich beim Angeklagten um einen geltungsbedürftigen Hochstapler handle.
Damit hat das Beschwerdegericht jene bestimmten Tatsachen, die auf die akute Gefahr abermaliger Begehung derartiger Vermögensstraftaten hinweisen, wie sie § 180 Abs. 2 Z 3 lit. c StPO voraussetzt, zutreffend nicht nur auf die Vielzahl, die Art und den Hergang der Taten, sondern auch auf innere Umstände (Charaktereigenschaften und Wesenszüge des Angeklagten), mithin auf Prämissen gestützt, die in ihrer Gesamtheit betrachtet, eine ausreichende Grundlage für den in Rede stehenden Haftgrund bilden. Die vom Beschwerdeführer gegen das zuvor bezeichnete Gutachten ins Treffen geführten Argumente aber können vom Obersten Gerichtshof im vorliegenden Verfahren (gleichfalls) nicht geprüft werden; die Würdigung auch dieses Beweismittels bleibt vielmehr ausschließlich dem zur Urteilsfällung berufenen Schöffensenat vorbehalten.
Zum Einwand, die Voruntersuchung sei "verschleppt und verzögert bzw. blockiert" worden, genügt, abgesehen davon, daß zur Abhilfe derartiger Vorkommnisse zunächst die Beschwerde an die Ratskammer vorgesehen (§ 113 StPO) und eine Prüfung erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges durch Ausnützung dieses Rechtsbehelfes möglich ist, der Hinweis, daß aus Verzögerungen in der Verfahrensführung eine Grundrechtsverletzung erst dann abgeleitet werden kann, wenn eine solche Säumnis zu einer Unverhältnismäßigkeit der Haft führt (13 Os 56/93, 13 Os 26/93 ua). Von einer derartigen Säumnis kann jedoch angesichts der bisherigen Dauer der Haft unter weiterer Berücksichtigung der im Akt erliegenden umfangereichen Anträge des Angeklagten keine Rede sein.
Schließlich versagt auch der zur Frage der Angemessenheit der bisherigen Haftdauer erhobene (weitere) Beschwerdeeinwand, das Oberlandesgericht sei zufolge Fehlens eines 500.000 S übersteigenden Schadens zu Unrecht von einem Strafrahmen bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe ausgegangen. Der Angeklagte, bei dem die Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 StGB vorliegen, übersieht nämlich, daß die ihm - ausgehend von der eingangs beschriebenen Verdachtslage in Richtung des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges - vorgeworfene Qualifikation nach § 148 zweiter Fall StGB mit gleichhoher Strafe bedroht ist. Daß sich die zu beachtende Unverhältnismäßigkeitsproblematik bei der bisherigen Dauer der Untersuchungshaft auch im Fall der Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung (bloß) im Sinn des ersten Falls des § 148 StGB noch nicht stellen würde, sei nur noch der Vollständigkeit halber bemerkt.
Da sohin durch den angefochtenen Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz keine Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit des Beschwerdeführers stattgefunden hat (§ 2 Abs. 1 iVm § 7 GRBG), war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Demzufolge hatte gemäß § 8 GRBG ein Ausspruch über den - vorliegend zudem nicht geltend gemachten - Ersatz der Beschwerdekosten zu entfallen.
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