OGH 14Os126/13f

OGH14Os126/13f1.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Oktober 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bandarra als Schriftführer in der Strafsache gegen Hüseyin K***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall, 15, 12 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. Mai 2013, GZ 114 Hv 3/13s-319, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hüseyin K***** im zweiten Rechtsgang ‑ nach Einstellung des Verfahrens wegen der Tat, die dem im ersten Rechtsgang mit Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 28. August 2012, AZ 14 Os 169/11a, aufgehobenen Schuldspruch (E/1) zugrunde lag ‑ für das bereits im ersten Rechtsgang rechtskräftig abgeurteilte Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall, 15, 12 zweiter Fall StGB (A/I/a bis d, A/II/a und b; B) und die ebenso bereits rechtskräftigen Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB (C), der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (E/2) und der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB (F) unter Bedachtnahme nach § 31 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 17. April 2007, AZ 10 U 100/04p, nach dem zweiten Strafsatz des § 148 StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 11 dritter Fall des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Mit dem Vorbringen, das Erstgericht habe zwar den Milderungsgrund (zu ergänzen: unverhältnismäßig) langer Verfahrensdauer (§ 34 Abs 2 StGB) angenommen, dabei aber die dadurch bewirkte Strafreduktion nicht rechnerisch spezifiziert, sodass „nicht überprüft werden kann, in welchem Umfang nun die Grundrechtsverletzung [Art 6 Abs 1 MRK] vom Erstgericht berücksichtigt wurde“, wird ein unvertretbarer Verstoß gegen Bestimmungen über die Strafbemessung im Sinn des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes nicht aufgezeigt.

Vorauszuschicken ist, dass eine unangemessen lange Verfahrensdauer zum Ausgleich der dadurch bewirkten Grundrechtsverletzung (Art 6 Abs 1 MRK) ausdrücklich in Rechnung zu stellen und durch eine spür- und messbare (mit anderen Worten rechnerisch spezifizierte) Strafmilderung auszugleichen ist, wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach (so auch im ersten Rechtsgang des gegenständlichen Verfahrens) ausgesprochen hat (RIS-Justiz RS0114926; EGMR 10. 11. 2005, Nr 65745/01, Dzelili gegen Deutschland, NL 2005, 279; EGMR 22. 5. 2007, Nr 32407/04, Donner gegen Österreich, NL 2007, 34). Nur wenn durch die innerstaatlichen Behörden solcherart angemessene Wiedergutmachung geleistet wurde, besteht auch nach der Rechtsprechung des EGMR die von Art 34 MRK verlangte Opfereigenschaft nicht mehr fort (vgl auch EGMR 6. 5. 2008, Nr 29749/04, Karg gegen Österreich, NL 2008, 131).

Richtig ist weiters, dass Nichtigkeit aus Z 11 dritter Fall des § 281 Abs 1 StPO in Frage kommt, wenn ein Gericht Umstände unberücksichtigt lässt, welche einen Verstoß gegen die MRK darstellen und durch eine messbare Strafreduktion bei der Strafbemessung ihren Niederschlag zu finden haben. Der Nichtigkeitsgrund ist jedoch ‑ schon weil die Nichtannahme eines Strafmilderungsgrundes grundsätzlich mit Berufung geltend zu machen ist ‑ bei solchen Konventionsverstößen nicht ohne weiteres zu bejahen, es sei denn, es bedarf zur Aufrechterhaltung der Rechtskultur klarer Worte des Höchstgerichts (vgl zum Ganzen Ratz, WK-StPO, § 281 Rz 86 und 724).

So wurde im Erkenntnis eines verstärkten Senates zu AZ 12 Os 119/06a (EvBl 2007/130) ausgesprochen, dass gerade auch die Nichtannahme des Milderungsgrundes des § 34 Abs 2 StGB keine Nichtigkeit des Sanktionsausspruchs nach sich zieht, sondern (nur) einen Berufungsgrund verwirklicht.

Dies trifft umso mehr auf den ‑ hier vorliegenden ‑ Fall zu, dass das Erstgericht den in Rede stehenden Milderungsgrund ohnedies angenommen und eine dadurch bewirkte Strafreduktion explizit in Rechnung gestellt hat (vgl US 5 und 7), dabei aber eine rechnerische Spezifizierung derselben unterblieb.

Unter dem Aspekt fehlender Überprüfbarkeit des Umfangs der Berücksichtigung der Grundrechtsverletzung durch das Erstgericht behauptet der Nichtigkeitswerber ‑ konsequent fortgedacht ‑ eine zu geringe Veranschlagung derselben, damit aber keinen unvertretbaren Verstoß gegen Bestimmungen über die Strafbemessung, sondern bloß einen Ermessensfehler bei der Gewichtung der Strafzumessungsgründe, der mit Berufung geltend zu machen ist (vgl RIS-Justiz RS0099892 [T3]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO). Dieses wird bei Bejahung der schon vom Erstgericht angenommenen Grundrechtsverletzung zu deren Ausgleich den oben angesprochenen Grundsätzen Rechnung zu tragen haben.

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte