OGH 14Os121/03

OGH14Os121/0318.11.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. November 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Dachsberger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Johannes K***** (im Akt auch: K***** und K*****) wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 erster Fall SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 13. Juni 2003, GZ 602 Hv 2/03g-16, sowie über seine Beschwerde gegen den gleichzeitig gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefassten Beschluss nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Beurteilung des unter I.) bezeichneten Verbrechens nach § 28 Abs 2 erster Fall SMG als vollendet und demgemäß auch im Strafausspruch sowie der gleichzeitig gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefasste Beschluss aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung und Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johannes K***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 (erster Fall) SMG (I.) und (richtig) der Vergehen nach § 27 Abs 1 (erster und zweiter Fall) SMG (II.) schuldig erkannt. Demnach hat er den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, und zwar Cannabiskraut,

I.) von Frühjahr 2002 bis 24. August 2002 in Wolkersdorf in einer großen Menge, nämlich ca 450 Gramm mit einem Reinheitsgehalt von 30 +/- 3,1 Gramm Delta-9-THC, durch Anpflanzen und Aufzucht von Cannabispflanzen erzeugt und II.) vom 18. Mai 2001 bis 24. August 2002 in Wolkersdorf und Wien in fortlaufenden Angriffen in jeweils geringen Mengen erworben und besessen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit b und 10 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt teilweise Berechtigung zu.

Der Verfahrensrüge (Z 4) gebricht es an der Beschwerdelegitimation, weil der Angeklagte den in der Hauptverhandlung vom 20. Februar 2003 gestellten (S 86) und vom Schöffengericht abgewiesenen (S 87) Antrag auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass das von ihm konsumierte Cannabis die von ihm geschilderte schmerzlindernde Wirkung erziele, in der wegen Zeitablaufs gemäß § 276a StPO neudurchgeführten Hauptverhandlung am 13. Juni 2003 nicht wiederholt hat (Ratz, WK-StPO Rz 310, Mayerhofer StPO4 E 31, jeweils zu § 281 Abs 1 Z 4).

Im Übrigen ist das Erstgericht ohnehin von der unter Beweis gestellten Tatsache schmerzlindernder Wirkung von Cannabinoiden ausgegangen (S 87, US 6).

Entgegen dem Vorwurf unzureichender Auseinandersetzung mit jenen Teilen der Verantwortung des Angeklagten sowie den Angaben seiner Mutter, in denen von unerträglich starken Schmerzen des Beschwerdeführers die Rede war (Z 5), haben sich die Erkenntnisrichter im Zuge ihrer beweiswürdigenden Erwägungen mit den (insoweit als glaubwürdig erachteten) Aussagen der Mutter des Angeklagten auseinandergesetzt (US 9). Dabei gingen sie einerseits von einer "anhaltenden, mit herkömmlichen Analgetika nicht beherrschbaren Schmerzsymtomatik" aus (US 5), andererseits aber auch davon, dass schon die durchgeführte Behandlung mit synthetischen Cannabinoiden für den Angeklagten eine deutliche Linderung seiner körperlichen, aber auch psychischen Beschwerden mit sich brachte (US 6).

Das Erstgericht hat zudem mit der gebotenen Gedrängtheit (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) dargelegt, dass es ausschließlich der geständigen, als glaubwürdig beurteilten Verantwortung des Beschwerdeführers vor der Gendarmerie (S 19 f), "immer wieder gelegentlich" gekauftes Cannabiskraut konsumiert zu haben, folgte (US 8), nicht aber seinen davon abweichenden Angaben in der Hauptverhandlung. Die Vermutung des Nichtigkeitswerbers, das Tatgericht hätte sich im Falle einer Auseinandersetzung mit seiner Verantwortung und den Angaben seiner Mutter zur Annahme einer Notstandssituation verstanden, unterstreicht, dass er mit diesem Vorbringen lediglich die beweiswürdigenden Erwägungen des Schöffengerichts nach Art einer - im kollegialgerichtlichen Verfahren jedoch unzulässigen - Schuldberufung in Zweifel zu ziehen sucht.

Mit der auf das Vorbringen der Mängelrüge verweisenden Kritik mangelnder Feststellungen über das Vorliegen des Schuldausschließungsgrundes des Notstandes (§ 10 StGB) hinsichtlich beider Schuldspruchfakten (Z 9 lit b) verfehlt der Angeklagte die prozessgemäße Darstellung dieses Nichtigkeitsgrundes. Die Ausführungen zur Z 5 beziehen sich nämlich ausschließlich auf das Schuldspruchfaktum II. (sodass die Beschwerde zum Faktum I. jedweder Begründung entbehrt), stellen sich aber auch insoweit nur als unzulässiger Versuch einer Anfechtung tatrichterlicher Beweiswürdigung dar.

Im bisher dargestellten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285d Abs 1 StPO zurückzuweisen.

Zutreffend weist die Subsumtionsrüge (Z 10) jedoch daraufhin, dass rechtsirrtümlich keine Feststellungen darüber getroffen wurden, ob die Cannabispflanzen bereits erntereif waren. Somit ist eine abschließende Beurteilung, ob die Tat bloß versucht oder bereits vollendet war, nicht möglich. Denn das Erzeugen von Suchtgift als Oberbegriff für dessen Herstellung und Gewinnung setzt beim Anbau der Cannabispflanzen ein und umfasst jeden Akt der Aufzucht bis zur Erntereife als Versuch (12 Os 141/97 uva, zuletzt 12 Os 53/03). Im Urteil ist nur davon die Rede, dass der Beschwerdeführer die Hanfpflanzen "anpflanzte, pflegte und bewässerte" (US 7). Ausdrückliche Feststellungen über das Stadium der Reife dieser Pflanzen enthält es aber nicht, obwohl aus dem Sachverständigengutachten Dris. H***** hervorgeht, dass die Sicherstellung der Pflanzen (am 24. August 2002, vgl US 8) "ca zwei Wochen vor der beabsichtigten Ernte erfolgte" (S 109). Da von der Beantwortung der Frage, ob die Pflanzen bereits erntereif waren, abhängt, ob das Verbrechen nach § 28 Abs 2 erster Fall SMG vollendet wurde oder nur im Stadium des Versuchs verblieb, war insoweit mit Teilkassation des Urteils vorzugehen, zumal eine solche Feststellung nach der Aktenlage in einem neuen Verfahren getroffen werden kann, mithin eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat (§ 285e StPO). Im Übrigen war die teils offenbar unbegründete, teils nicht prozessordnungsgemäß ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde gleichfalls bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO). Mit seiner Berufung und Beschwerde war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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