Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Aus deren Anlaß werden jedoch
1. das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, daß der Angeklagte die unter Punkt I/A/1 des Urteilssatzes beschriebenen Diebstähle durch Aufbrechen von Behältnissen begangen habe, demgemäß in deren rechtlicher Beurteilung als ein nach § 129 Z 2 StGB qualifiziertes Verbrechen, sowie im Strafausspruch, einschließlich der (fehlerhaften) Vorhaftanrechnung;
2. der Beschluß auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Entlassung
(II)
aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird in der Sache selbst erkannt:
Reinhold P***** ist (weiters) schuldig, er hat am 9.März 1994 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten Gernot T***** als Mittäter anläßlich der zu Punkt I/A/1 des Urteilssatzes beschriebenen Diebstähle fremde Sachen, nämlich die Geldrückgabeladen von Telephonautomaten, sohin von für öffentliche Zwecke bestimmten Fernmeldeanlagen, durch Blockieren mittels eines in den vorhandenen Spalt gewaltsam eingeschlagenen 10-Groschen-Stückes unbrauchbar gemacht.
Er hat hiedurch das Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB begangen und wird hiefür, sowie für die ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruchs zur Last liegenden Vergehen der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB und des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls nach §§ 127 und 15 StGB gemäß §§ 28 Abs 1, 84 Abs 1 StGB zu 9 (neun) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.
Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wird die verwaltungsbehördliche Vorhaft am 24. Juni 1993 von 9.00 Uhr bis 14.40 Uhr und vom 9.März 1994, 17.45 Uhr bis 10.März 1994, 10.00 Uhr, auf die Freiheitsstrafe angerechnet.
Gemäß § 53 Abs 1 StGB (§ 494 a Abs 1 Z 4 StPO) wird die zufolge Entschließung des Bundespräsidenten am 18.Dezember 1991 verfügte bedingte Entlassung des Reinhold P***** aus der Strafhaft zum AZ 9 d Vr 4.289/90 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (Strafrest 9 Monate, 23 Tage, 19 Stunden und 50 Minuten) widerrufen.
Auf die Strafneubemessung wird der Angeklagte mit seiner Berufung, auf den Widerrufsbeschluß die Staatsanwaltschaft mit ihrer Beschwerde verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Verfahrens über seine Rechtsmittel zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Reinhold P***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 2 und § 15 StGB (I/A/1) und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (A/I/2) schuldig erkannt und zu 18 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Vom Widerruf einer bedingten Entlassung aus Anlaß der neuen Verurteilung wurde abgesehen (§ 494 a Abs 1 Z 2 StPO).
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs (I/A) hat der Angeklagte in Wien
1. am 9.März 1994 im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten Gernot T***** als Mittäter Unbekannten (richtig:
der Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland) fremde bewegliche Sachen, nämlich Münzgeld, in nachstehender Höhe mit dem Vorsatz, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, dadurch, daß er die Geldladen von Telephonapparaten blockierte, um in den Besitz eingeworfener Geldmünzen zu gelangen, nachdem er die Geldladen, somit Behältnisse, anschließend wieder mit Schraubenziehern aufbrach,
a) ca 500 S weggenommen;
b) ca 210 S wegzunehmen versucht;
2. am 28.November 1994 den Heinrich W***** durch einen Faustschlag ins Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Tat eine an sich schwere Verletzung, nämlich eine Nasenbeinfraktur mit Verschiebung der Bruchenden sowie Hämatome beider Augen, zur Folge hatte.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO, den Strafausspruch ficht er mit Berufung an. Die Staatsanwaltschaft hinwieder beschwert sich über die Ablehnung ihres Antrages auf Widerruf einer bedingten Entlassung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde versagt.
Zum Schuldspruch wegen Diebstahls:
Dem Beschwerdevorbringen (Z 5) zuwider hat das Schöffengericht die Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, die Geldladen der Telephonapparate nicht präpariert und nur in einem Fall ohne Diebstahlsvorsatz mit dem Fuß gegen den Apparat getreten zu haben, sodaß "das Ganze dann aufgegangen und das ganze Kleingeld runtergefallen ist" (S 406), keineswegs mit Stillschweigen übergangen. Das Erstgericht hat ihr vielmehr unter Hinweis auf das Teilgeständnis bei der Polizei, das von den Kriminalbeamten beobachtete verdächtige Gehaben des Angeklagten und seines Komplizen Gernot T*****, die Sicherstellung von zwei Schraubenziehern, eines Steines und einer ungewöhnlich großen Menge von Geldmünzen sowie wegen eines auffälligen Widerspruches zur Darstellung des Mittäters keinen Glauben geschenkt (US 13 f). Von einer offenbar unzureichenden Begründung der Urteilsannahme, daß der Angeklagte und sein Komplize mehrere von ihnen vorher blockierte Geldladen mit einem Werkzeug, namentlich mit einem Schraubenzieher, aufgebrochen haben, kann daher keine Rede sein.
Der Hinweis im Urteil auf das belastende Ergebnis der polizeilichen Observierung ist auch keineswegs undeutlich (Z 5), wird doch dadurch das bei der Polizei abgelegte Teilgeständnis des Angeklagten insoferne bestätigt, als darnach der Angeklagte den Gernot T***** mit seinem Körper abdeckte, während dieser am Apparat mit einem Schraubenzieher hantierte, und sodann lautes Klingelgeräusch von Geldstücken zu hören war (S 230).
Mit Recht wird im Urteil (US 13) darauf hingewiesen, daß der Angeklagte für das Mitführen eines Steines in der Hauptverhandlung keine Erklärung abgeben konnte. Vor der Polizei hatte er noch zugegeben, diesen Stein auf einer Baustelle aufgelesen zu haben, um eingeworfenes eigenes Münzgeld zurückzuerlangen. Der Beschwerdeeinwand, er habe bei der Polizei behauptet, der Stein gehöre seiner Freundin, ist aktenwidrig (vgl S 239 f), sodaß der darauf gegründete Vorwurf einer unzulänglichen Erörterung von Verfahrensergebnissen - von der Fragwürdigkeit seiner Relevanz abgesehen - schon deshalb ins Leere geht.
Mit Recht haben die Tatrichter aus der im Rahmen seiner (eine von ihm selbst vorgenommene Blockierung der Geldrückgabeladen) leugnenden Verantwortung abgegebenen Erklärung des Angeklagten, er habe es nicht zulassen wollen, daß sich "jemand" (ein vorgeschützter unbekannter Täter) "auf seine Kosten (an dem vom Beschwerdeführer angeblich selbst eingeworfenen und infolge der Blockierung nicht wiedererlangten Münzgeld) bereichere", auf seinen eigenen Bereicherungsvorsatz geschlossen (US 14 iVm S 239). Dieses Argument des Schöffensenates ist nämlich dahin zu verstehen und solcherart durchaus einleuchtend, daß der Angeklagte auch nach Ablehnung seiner Verantwortung seinen Gedankengang gegen sich gelten lassen muß, daß die Zueignung von fremdem Geld aus den Rückgabeladen zu einer unrechtmäßigen Bereicherung führt, zumal die Wegnahme von Bargeld regelmäßig auf einen solchen Vorsatz hinweist.
Soweit der Angeklagte in seiner Subsumtionsrüge (Z 10) Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Ansehung des Qualifikationstatbestandes nach § 129 Z 2 StGB reklamiert, ist sein Beschwerdeeinwand im Hinblick auf die getroffene - noch zu erläuternde - Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO an sich gegenstandslos. Im übrigen aber ist die Beschwerde in diesem Punkte auch in Ansehung des Grundtatbestandes (insoweit Z 9 lit a) nicht begründet, weil der auf alle Tatmodalitäten des konkreten Falles (also einschließlich der Geldladenblockierung und deren anschließender gewaltsamer Beseitigung) bezogene Diebstahlsvorsatz im Urteil unmißverständlich festgestellt ist (US 3, 6, 14).
Der Beschwerdeführer vermag auch auf keine Verfahrensergebnisse hinzuweisen, wonach die Eignung eines 27 cm langen Uhrmacherschraubenziehers als Tatwerkzeug im konkreten Fall fraglich gewesen sein und zu entsprechenden Feststellungen Anlaß geboten haben sollte.
Zum Schuldspruch wegen Körperverletzung:
Der Mängelrüge (Z 5) zuwider hat das Erstgericht den Verletzungsvorsatz des Angeklagten zureichend damit begründet, daß es sich bei einem Nasenbeinbruch um eine typische Faustschlagverletzung handelt. Es hat solcherart mit Recht aus dem äußeren Tatgeschehen in subjektiver Hinsicht darauf geschlossen, daß der Angeklagte den Verletzungserfolg ernstlich bedacht und sich damit abgefunden hat (US 3, 8, 15).
Die vom Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermißten Feststellungen zum Kausalzusammenhang zwischen Faustschlag und Verletzung sind im Urteil ohnedies enthalten (US 8/9, 15).
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher als unbegründet zu verwerfen (§ 288 Abs 1 StPO).
Zur Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO:
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugen, daß zum Nachteil des Angeklagten das Strafgesetz durch die Annahme der Deliktsqualifikation nach § 129 Z 2 StGB unrichtig angewendet worden ist.
Zwar ist der vorliegende Fall - der Auffassung der Generalprokuratur zuwider - nicht mit dem zu vergleichen, der der Entscheidung SSt 54/40 (EvBl 1984/80) zugrundelag. Dort handelte es sich um Manipulationen an Fernsprechautomaten, bei denen der Münzschacht durch Hineinschieben von Papier oder durch Auseinanderbiegen des Münzprüfers vorübergehend blockiert wurde, um nach dem Beseitigen dieser vom Täter selbst angebrachten Hindernisse die Wegnahme der mittlerweile eingeworfenen Münzen aus der Geldrückgabetrommel zu ermöglichen. Die in Rede stehende Qualifikation wurde mit der Begründung verneint, daß ein solcher Vorgang weder dem "Aufbrechen" eines Behältnisses noch dessen "Öffnen" mit einem der in § 129 Z 1 StGB genannten Mittel entspricht.
Demgegenüber wurden hier sehr wohl Behältnisse aufgebrochen, allerdings waren diese erst von den Tätern selbst verschlossen worden, um die Fortsetzung der Sachherrschaft über die eingeworfenen Münzen durch den bisherigen Inhaber des Gewahrsams bis zum endgültigen Gewahrsamsbruch zu verhindern. Durch § 129 Z 2 StGB sind aber ratione legis nur solche Behältnisse besonders geschützt, die widmungsgemäß eben deshalb verschlossen worden sind, um die darin enthaltenen Sachen vor fremdem Zugriff zu bewahren. Da dies hier gerade nicht der Fall war, ist die Deliktsqualifikation zu Unrecht angenommen worden.
Durch deren Ausschaltung wird allerdings der (von der Anklage umfaßte, ansonsten durch diese Qualifikation konsumierte, vergleichsweise weniger schwer wiegende) Vorwurf einer vorsätzlichen Sachbeschädigung an den Telephonautomaten (als für öffentliche Zwecke bestimmten Fernmeldeanlagen) durch Unbrauchbarmachen des Geldrückgabemechanismus aktuell, womit infolge der Unmöglichkeit einer sofortigen Wiederinbetriebnahme der Anlage mit den ausgeworfenen Münzen auch eine (zumindest abstrakte) Funktionsbeeinträchtigung verbunden war (§§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB). Da das Urteil hiezu sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht ausreichende Feststellungen enthält (S 3, 6/7), ist es doch darnach dem Angeklagten auf eine solche Funktionsstörung geradezu angekommen, konnte sogleich in der Sache selbst erkannt werden (§ 288 Abs 2 Z 3 StPO).
Bei der Strafneubemessung, in deren Rahmen auch eine Korrektur der zum Teil fehlerhaften (vgl US 4 mit S 93, 125 und 493) Vorhaftanrechnung vorgenommen wurde, waren das Zusammentreffen von drei Vergehen, die Wiederholung der Diebstähle und schweren Sachbeschädigungen sowie die beiden Vorstrafen wegen strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen erschwerend; mildernd hingegen das Geständnis hinsichtlich der schweren Körperverletzung und ein Teilgeständnis bezüglich des Diebstahls, sowie daß die Diebstähle zum Teil beim Versuch geblieben sind. Eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von neun Monaten entspricht der unrechtsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) des Angeklagten, wobei auch auf den gleichzeitig ausgesprochenen Widerruf einer bedingten Entlassung angemessen Rücksicht genommen wurde (Foregger, MTA StPO9, Anm III zu § 494 a; 12 Os 165,166/88; 13 Os 2, 3/93; 13 Os 38/93 ua).
Reinhold P***** war am 18.Dezember 1991 im Rahmen der Begnadigungsaktion aus Anlaß des Weihnachtsfestes aus einer wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 130 zweiter Fall StGB sowie des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 12 zweiter Fall, 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB verhängten Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren mit einem Strafrest von 9 Monaten, 23 Tagen, 19 Stunden und 50 Minuten bedingt entlassen worden. Die dreijährige Probezeit ist zwar bereits am 18.Dezember 1994 abgelaufen, doch war das Strafverfahren wegen der Gelddiebstähle aus öffentlichen Münzfernsprechern und der damit verbundenen schweren Sachbeschädigungen bereits am 10.Juni 1994 anhängig gemacht worden (ON 24 iVm S 1 i und verso), weshalb - wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Beschwerde zutreffend aufzeigt - die (verlängerte) Widerrufsfrist des § 56 letzter Fall StGB (nicht § 55 Abs 1 StGB !) - entgegen der Ansicht des Erstgerichtes (US 20) - noch nicht abgelaufen ist. Der Vollzug des Strafrestes erscheint aber in Anbetracht der neuerlichen Verurteilung (wegen Diebstahls und schwerer Sachbeschädigung) zusätzlich zu dieser geboten, um den Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.
Die Entscheidung über die Kostenersatzpflicht des Angeklagten ist in § 390 a StPO begründet.
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