European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0140OS00010.20G.0423.000
Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch B/I/1, demgemäß auch im Strafausspruch, aufgehoben, und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht St. Pölten verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde ***** L***** – soweit hier von Bedeutung – des Vergehens der Bestechlichkeit nach § 304 Abs 1 erster Fall StGB (B/I/1) und des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (B/II) schuldig erkannt.
Danach hat er
B/I/1/ im Frühjahr 2011 als Bauhofleiter der Gemeinde O*****, mithin als Amtsträger, für die pflichtwidrige Vornahme von Amtsgeschäften, nämlich die Bestellung von Baustoffen für die Gemeinde, einen Vorteil für sich oder einen Dritten gefordert, indem er ***** N***** mitteilte, er erwarte, dass die N***** GmbH & Co KG im Gegenzug für diese Bestellung mehrere hundert Flaschen Wein beim (vom Vater des L***** geführten) Weingut K***** kaufe;
B/II/ als für Angelegenheiten des Meldewesens zuständiger Bediensteter der Gemeinde O*****, mithin als Beamter, mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an seinem Recht auf Richtigkeit des Melderegisters zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des (richtig [vgl Art 10 Abs 1 Z 7 und Art 119 Abs 1 B‑VG; RIS‑Justiz RS0132645]) Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er über Anweisung des Bürgermeisters im August 2010 (1) und September 2013 (2) jeweils zwei, im Urteil näher bezeichnete, unrichtige Eintragungen in das Zentrale Melderegister vornahm, wodurch letztlich dieser Gemeinde ein Schaden durch überhöht gezahlte Bürgermeisterbezüge von insgesamt 5.256,02 Euro zugefügt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten aus den Gründen der Z 5, 5a 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist teilweise im Recht.
Zutreffend macht – wie die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme festhält – die Subsumtionsrüge (Z 10) zum Schuldspruch B/I/1 einen Rechtsfehler mangels Feststellungen zum Tatbestandselement der Pflichtwidrigkeit geltend. Diese bezieht sich nämlich auf die Vornahme oder Unterlassung des in Zweckbeziehung zum (geforderten) Vorteil stehenden Amtsgeschäfts. Auf die Pflichtwidrigkeit der Tathandlung selbst (hier: des Forderns eines Vorteils) kommt es nicht an (RIS‑Justiz RS0132511 [T1]). Inwieweit die – für den Fall der Vorteilsgewährung in Aussicht gestellte – Bestellung von Baustoffen bei der N***** GmbH & Co KG (nach Vorstellung des Angeklagten) pflichtwidrig gewesen wäre, die Vorteilszuwendung sich insbesondere im Sinn einer Kausalbeziehung durch Überlagerung sachlicher Erwägungen auf die zu treffende Entscheidung hätte auswirken sollen (RIS‑Justiz RS0096099 [T7]; zum Ganzen Nordmeyer/Stricker in WK 2 StGB § 304 Rz 24 und 32), ist dem Urteil nicht zu entnehmen (vgl US 4). Ohne solche Sachverhaltsgrundlage kommt jedoch bloß ein Schuldspruch nach § 305 Abs 1 StGB in Betracht.
Dieser Subsumtionsfehler erfordert die (nichtöffentliche) Aufhebung des Schuldspruchs B/I/1 (17 Os 11/14t), demgemäß auch des Strafausspruchs, samt Rückverweisung der Sache in diesem Umfang (§ 285e StPO).
Feststellungen, die einen nicht erfolgten Schuldspruch wegen des Vergehens der Vorteilsannahme nach § 305 Abs 1 StGB tragen könnten, können für sich allein nicht bestehen bleiben (vgl RIS‑Justiz RS0115884; Ratz , WK‑StPO § 289 Rz 18).
Eine Erörterung des weiteren auf diesen Schuldspruch bezogenen Vorbringens erübrigt sich daher.
Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein, dass ein Vertragsabschluss als solcher (unabhängig von dessen Inhalt) noch nicht unbedingt einen tatbildlichen (materiellen) Vorteil bedeutet (eingehend 17 Os 8/16d). Ein Schuldspruch nach § 304 Abs 1 (oder § 305 Abs 1) StGB setzt hier also Feststellungen dazu voraus, dass mit dem vom Angeklagten geforderten Weinankauf nach dessen Vorstellung ein – hier primär (durch Gewinnerzielung) in Betracht kommender – materieller oder sonst ein (konkret zu klärender) immaterieller Vorteil für das (von seinem Vater betriebene) Weingut K***** verbunden sein sollte (näher zum Vorteilsbegriff Nordmeyer/Stricker in WK 2 StGB § 304 Rz 34 ff).
Im gegen den Schuldspruch B/II gerichteten Umfang ist die Nichtigkeitsbeschwerde hingegen nicht im Recht. Denn die (nominell zu Z 5 und 5a ausgeführte [vgl aber zum wesensmäßigen Unterschied der einzelnen Nichtigkeitsgründe RIS‑Justiz RS0115902]) Rüge erschöpft sich, indem sie aus den – vom Erstgericht ohnehin erörterten (US 8) – Aussagen des (ursprünglich) Mitangeklagten und des Beschwerdeführers für diesen günstigere Schlussfolgerungen zieht als die Tatrichter und über Gründe für das Unterbleiben einer Verfolgung des Mitangeklagten „wegen des Verdachtes der Begünstigung nach § 299 StGB“ spekuliert, in bloßer Beweiswürdigungskritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in diesem Umfang – ebenfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – nichtöffentlich sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
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