European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0140NS00060.15G.0806.000
Spruch:
Die Sache wird dem Oberlandesgericht Wien zur Entscheidung über den Einspruch gegen die Anklageschrift übermittelt.
Gründe:
Die Staatsanwaltschaft Graz legt Mihail H***** mit der beim Landesgericht für Strafsachen Graz zu AZ 9 Hv 64/15f eingebrachten Anklageschrift vom 7. Mai 2015 ein als Verbrechen des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB beurteiltes Verhalten zur Last, das dieser im einverständlichen Zusammenwirken mit bislang unbekannten Tätern am 6. Oktober 2009 in L***** (Faktum 1), von 30. bis 31. August 2013 in F***** (Fakten 2 bis 8) und von 2. bis 3. September 2013 in S***** (Faktum 9) gesetzt haben soll (ON 49).
Die „Zuständigkeit des Landesgerichts für Strafsachen Graz“ stützte die Staatsanwaltschaft Graz ausschließlich auf „§ 31 Abs 3 Z 1 StPO“.
Das Ermittlungsverfahren wegen der von der Anklage umfassten Taten (Fakten 1 bis 7 und 10 in ON 2 in ON 2 [= Fakten 2 bis 9 der Anklageschrift], Faktum 2 in ON 4 in ON 2 [= Faktum 1 der Anklageschrift]), sowie zweier weiterer, in ***** und ***** begangener Einbruchsdiebstähle (Fakten 8 und 9 in ON 2 in ON 2) war zunächst zum AZ 15 St 219/13p von der Staatsanwaltschaft Salzburg (ursprünglich gegen unbekannte Täter), jenes wegen der am 6. Oktober 2009 in L***** gesetzten Straftat (Faktum 1 der Anklageschrift) ‑ bis zur Abtretung an die Staatsanwaltschaft Salzburg wegen deren Zuvorkommens (§ 26 Abs 2 StPO; ON 1 S 3 in ON 7 in ON 2) ‑ (auch) von der Staatsanwaltschaft Korneuburg geführt worden. Nach Ausforschung des (nunmehr) Angeklagten als mutmaßlichen Täter hatte die Staatsanwaltschaft Salzburg das Ermittlungsverfahren am 12. Februar 2014 ihrerseits gemäß § 26 Abs 1 und Abs 2 StPO infolge Zuvorkommens der Staatsanwaltschaft Graz zur gemeinsamen Führung mit dem früheren ([auch] gegen Bedri B***** geführten) Ermittlungsverfahren, AZ 24 St 64/13g, abgetreten, weil der Verdacht bestand, dass die oben genannten Einbruchsdiebstähle in O***** und P***** im einverständlichen Zusammenwirken von Mihail H***** und Bedri B***** begangen worden waren (ON 1 S 11 zu 15 St 219/13p der Staatsanwaltschaft Salzburg).
Das Verfahren gegen Mihail H***** wegen dieser beiden Taten stellte die Staatsanwaltschaft Graz am 7. Mai 2015 gemäß § 190 Z 2 StPO ein (ON 1 S 15 zu 24 St 236/14b der Staatsanwaltschaft Graz).
Rechtliche Beurteilung
Der gegen die Anklageschrift vom selben Tag erhobene ‑ auf § 212 Z 6 und § 211 Abs 2 zweiter Halbsatz StPO gestützte ‑ Einspruch des Angeklagten (ON 52) wurde von der Vorsitzenden des Schöffengerichts dem Oberlandesgericht Graz vorgelegt.
Mit Beschluss vom 30. Juni 2015, AZ 10 Bs 180/15v, legte das Oberlandesgericht Graz die Akten ‑ nachdem es das Vorliegen der in § 212 Z 1 bis 4 und 7 StPO genannten Einspruchsgründe verneint (RIS‑Justiz RS0124585) und über die Haft entschieden hatte (§ 214 Abs 3 StPO) ‑ gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz StPO dem Obersten Gerichtshof vor, weil es für möglich hielt, dass ein im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts liegendes Gericht zuständig sei.
Nach § 36 Abs 3 StPO ist für das Hauptverfahren das Gericht örtlich zuständig, in dessen Sprengel die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte.
Nach § 37 Abs 1 erster Satz StPO ist im ‑ hier vorliegenden ‑ Fall gleichzeitiger Anklage einer Person wegen mehrerer Straftaten das Hauptverfahren vom selben Gericht gemeinsam zu führen. Das Verfahren kommt ‑ abgesehen von hier nicht in Rede stehenden Fällen des § 37 Abs 2 erster Satz StPO ‑ nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung dem Gericht zu, in dessen Zuständigkeit die frühere Straftat fällt. Von dieser Grundsatzregelung sieht § 37 Abs 2 dritter Satz StPO eine der Verfahrensökonomie dienende Ausnahme für den Fall vor, dass für das Ermittlungsverfahren eine Staatsanwaltschaft bei einem Landesgericht zuständig war, in dessen Sprengel auch nur eine der angeklagten strafbaren Handlungen begangen worden sein soll (RIS‑Justiz RS0124935, RS0125227).
Die zeitliche Abfolge bleibt demnach ‑ soweit hier wesentlich ‑ nur außer Betracht, wenn die Anklage zumindest eine im Sprengel der anklagenden Staatsanwaltschaft verübte Straftat enthält.
Vorliegend fand nach der Aktenlage keiner der von der Anklage umfassten Einbruchsdiebstähle im Sprengel des Landesgerichts für Strafsachen Graz (vgl § 37 Abs 2 dritter Satz StPO) statt.
Die demnach für die Beurteilung nach § 37 Abs 2 zweiter Satz StPO maßgebliche (früheste) Tat (Anklagefaktum 1) wurde in L*****, sohin im Sprengel des Landesgerichts Korneuburg, begangen.
Für das Hauptverfahren ist daher das Landesgericht Korneuburg als Schöffengericht zuständig.
Dass das Ermittlungsverfahren (wegen sämtlicher Anklagefakten, von denen jene zu Punkt 2 bis 9 der Anklageschrift ON 49 im Sprengel des Landesgerichts Salzburg begangen wurden) vor seiner Abtretung an die nunmehr anklagende Staatsanwaltschaft von der Staatsanwaltschaft Salzburg geführt wurde, ist für die Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit nicht von Bedeutung, weil das Ermittlungsverfahren wegen der zusammenhängenden Straftaten ‑ im nach § 37 Abs 2 dritter Satz StPO allein maßgeblichen Zeitpunkt der Beendigung des Ermittlungsverfahrens ‑ nur von der (zufolge § 26 Abs 2 StPO zuvorgekommenen) Staatsanwaltschaft Graz „geführt“ wurde ( Oshidari , WK‑StPO § 37 Rz 5; 11 Ns 69/08y).
Die Sache war daher gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz letzter Halbsatz StPO dem Oberlandesgericht Wien zu übermitteln, das zunächst über den Einspruch zu entscheiden hat (neuerlich RIS‑Justiz RS0124585). Dabei bestehen keine Bedenken gegen eine pauschale Verweisung auf die Begründung des bloß zur vorläufigen (nicht bindenden) Prüfung aufgerufenen Oberlandesgerichts Graz, soweit dessen Beurteilung geteilt wird (RIS‑Justiz RS0125228). Im Fall der Abweisung des Einspruchs sind die Akten dem zuständigen Gericht zuzuweisen (§ 215 Abs 4 erster Satz StPO).
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