European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0140NS00012.15Y.0428.000
Spruch:
Die Sache wird dem Oberlandesgericht Linz zur Zuweisung an das zuständige Gericht übermittelt.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit Anklageschrift vom 24. November 2014, AZ 602 St 28/14f (ON 15), legt die Staatsanwaltschaft Wien Matija P***** als das Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (A./) und das Vergehen der kriminellen Vereinigung nach § 278 (zu ergänzen:) Abs 1 zweiter Fall StGB (B./) beurteilte Taten zur Last.
Danach soll er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Zeljko M*****
A./ im September 2013 in „S*****“ (gemeint: S*****) und anderen Orten gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Verantwortliche der L***** GmbH durch die „listige“ Vorgabe, die Mietobjekte nach Zahlung des vereinbarten Mietentgelts und nach Ablauf der Mietzeit zurückzustellen, zur Überlassung zweier Gabelstapler im Wert von 57.700 Euro veranlasst haben, wodurch das genannte Unternehmen in dieser Höhe am Vermögen geschädigt worden sein soll;
B./ sich an einer kriminellen Vereinigung beteiligt haben, „indem er die unter Punkt A./ genannte Tathandlung im Rahmen der vom abgesondert verfolgten Zeljko C***** geführten kriminellen Vereinigung beging“.
Nach dem in der Anklageschrift zusammengefassten Sachverhalt sollen „entsprechend dem Tatplan, der innerhalb der kriminellen Vereinigung rund um Zeljko C***** konzipiert wurde“, Baumaschinen angemietet, von „Mittätern der kriminellen Vereinigung … übernommen bzw. unter der listigen Vorgabe, zahlungswillig, zahlungsfähig und rückgabewillig zu sein, herausgelockt“ und ohne weitere Mietzahlungen sowie ohne die Maschinen zu retournieren in das Ausland verbracht worden sein. Auf diese Weise soll Zeljko M***** mit Verantwortlichen der L***** GmbH einen Vertrag über die Miete zweier Gabelstapler im Wert von 57.700 Euro abgeschlossen, diesen „herausgelockt“ und bis R***** gebracht haben. Dort soll ihm Matija P***** „den Platz, wohin die Geräte gebracht werden sollten“, genannt haben, wobei Letzterer „auch für den weiteren Abtransport verantwortlich“ gewesen sein und „auch das Versteck der Geräte vor dem Transport nach Bosnien“ organisiert haben soll (ON 15 S 3 f).
Die örtliche Zuständigkeit des Landesgerichts für Strafsachen Wien stützte die Staatsanwaltschaft ohne nähere Begründung auf „§ 36 StPO“ (ON 15 S 7); ein Einspruch gegen die Anklageschrift wurde nicht erhoben.
Der Akt wurde vom Vorsitzenden des Schöffengerichts wegen Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit des Landesgerichts für Strafsachen Wien gemäß § 213 Abs 6 zweiter und dritter Satz StPO dem Oberlandesgericht Wien und von diesem ‑ weil es für möglich hielt, dass ein im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts liegendes Gericht zuständig sei ‑ nach Verneinung der Einspruchsgründe nach § 212 Z 1 bis 4 und (inhaltlich) Z 7 StPO (RIS‑Justiz RS0124585) ‑ gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz StPO dem Obersten Gerichtshof vorgelegt.
Primärer Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit im Hauptverfahren ist (von hier nicht in Rede stehenden Sonderzuständigkeiten abgesehen) der Ort, an dem die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte; nur wenn der Ort der Handlung im Ausland liegt oder nicht festgestellt werden kann, so ist ‑ bei Erfolgsdelikten (RIS‑Justiz RS0127317) ‑ (zunächst) der Ort maßgebend, an dem der Erfolg eingetreten ist oder eintreten hätte sollen (§
36 Abs 3 StPO; vgl Oshidari , WK‑StPO § 36 Rz 6 und Nordmeyer , WK‑StPO § 25 Rz 2 jeweils mwN).
Tathandlung beim hier gegenständlichen Erfolgsdelikt des Betrugs nach § 146 StGB ist die für die tatbestandsmäßige Irreführung entscheidende Täuschungshandlung (iSd Abgabe einer unwahren Erklärung gegenüber einem anderen), die nach dem Tatplan des Angeklagten unmittelbar die selbstschädigende Vermögenshandlung des Getäuschten auslösen soll (vgl Kirchbacher in WK² StGB § 146 Rz 17 und 124 f; RIS‑Justiz RS0126858 [T1 und T2]). Der Erfolg wiederum ist nicht schon mit der (kausalen) Vermögensverfügung, sondern (erst) mit dem effektiven Verlust an Vermögenssubstanz (dem Vermögensschaden) eingetreten (vgl Kirchbacher in WK² StGB § 146 Rz 4 und 57 f; RIS‑Justiz RS0103999
,
RS0094617). Im Fall der betrügerischen Herauslockung von angemieteten Maschinen tritt der Vermögensschaden des Vermieters nicht erst nach Ablauf der Mietdauer und der vereinbarungswidrigen Unterlassung der Rückstellung des Mietobjekts, sondern bereits mit dessen Übergabe an den vorgeblichen Mieter ein (vgl RIS‑Justiz RS0094508, RS0094458).
Die Beteiligung an einer strafbaren Handlung durch sonstigen Beitrag (§ 12 dritter Fall StGB) ist bis zur (formellen) Vollendung, bei Delikten mit überschießendem Vorsatz (wie dem Betrug) bis zur materiellen Vollendung (Vollbringung) möglich (vgl RIS‑Justiz RS0090346; Fabrizy in WK² StGB § 12 Rz 94; Kirchbacher in WK² StGB § 146 Rz 130, 134). Beitragshandlung kann dabei jede Verhaltensweise sein, welche die Begehung der strafbaren Handlung eines anderen ermöglicht, erleichtert, absichert oder in anderer Weise fördert, wobei der Beitrag durch physische oder psychische (intellektuelle) Unterstützung, somit durch Tat oder durch Rat (worunter etwa ein Bestärken im Tatentschluss fällt) geleistet werden kann (RIS‑Justiz RS0090508; Fabrizy in WK² StGB § 12 Rz 87 ff).
Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob die Staatsanwaltschaft Matija P***** zu A./ ‑ wie aus der Begründung der Anklageschrift ersichtlich ‑ zur Last legt, einen Beitrag zur Betrugshandlung eines anderen geleistet zu haben (wobei als dieser [nur] eine [bereits] vor der Entgegennahme der Gabelstapler durch die [Mit‑]Täter in R***** erfolgte Zusage des Angeklagten gegenüber den unmittelbaren Tätern in Betracht kommt, beim Versteck der herausgelockten Maschinen und ihrem Transport nach Bosnien behilflich zu sein [vgl zum Tatplan ON 15 S 3 f] sowie zu behaupteten Anweisungen des Angeklagten in S***** zur Überstellung der Gabelstapler an diesen Ort ON 2 S 24), oder ihm ‑ wie aus dem Anklagetenor ersichtlich ‑ (auch) die unmittelbare (Mit‑)Täterschaft beim betrügerischen Herauslocken der Gabelstapler vorwirft. Denn weder der Ort des Abschlusses eines Mietvertrags für zwei Gabelstapler noch jener der (vor der materiellen Tatvollendung liegenden) Zusage einer Unterstützung beim Verbringen der Maschine in das Ausland sind als mögliche Orte der Handlung dem Akt zu entnehmen.
Demnach kommt der subsidiäre Anknüpfungspunkt des Ortes des (geplanten) Erfolgseintritts zur Anwendung, der nach der Aktenlage am Sitz der als Geschädigte angeführten L***** GmbH, sohin in 4030 Linz, liegt (ON 2 S 107), weshalb das Landesgericht Linz für die Durchführung des Hauptverfahrens zuständig ist.
Die Sache war daher ‑ entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ dem Oberlandesgericht Linz zu übermitteln, das diese gemäß § 215 Abs 4 erster Satz StPO dem zuständigen Landesgericht zuzuweisen hat.
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