OGH 13Os95/15t

OGH13Os95/15t25.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. November 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Weißnar als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Arnold H***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 13, 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG idF vor BGBl I 2010/104 und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 5. Mai 2015, GZ 52 Hv 137/14f‑17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00095.15T.1125.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Arnold H***** mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 13, 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG idF vor BGBl I 2010/104 (I) sowie des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (II) schuldig erkannt.

Danach hat er im Amtsbereich des Finanzamts Salzburg‑Land als unter der Steuernummer ***** erfasster Einzelunternehmer vorsätzlich

I/ unter Verletzung abgabenrechtlicher Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflichten, nämlich durch die Nichtabgabe einer Steuererklärung zum gesetzlichen Fälligkeitstag, nachgenannte Verkürzungen von Abgaben zu bewirken versucht, wobei es ihm darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar

1/ an Umsatzsteuer für das Veranlagungsjahr 2003 um 50.575,88 Euro

2/ an Einkommensteuer

a/ für das Veranlagungsjahr 2002 um 26.142,23 Euro

b/ für das Veranlagungsjahr 2003 um 23.684,28 Euro

c/ für das Veranlagungsjahr 2006 um 10.849,27 Euro

d/ für das Veranlagungsjahr 2008 um 22.430,17 Euro

II/ unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung an Umsatzsteuer um 9.921,88 Euro bewirkt, indem er es unterließ, die am 15. September 2009 fällige Umsatzsteuervoranmeldung fristgerecht einzureichen, und dabei das Bewirken der Abgabenverkürzung für gewiss gehalten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5a, 9 lit a und b sowie 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Dieser kommt keine Berechtigung zu.

 

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wies das Erstgericht den Antrag auf Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachbereich der Buchhaltung und Steuerberatung (ON 16 S 13) ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab (ON 16 S 14). Angestrebt war damit der Beweis von in den Jahren 2002 bis 2008 erfolgter Veräußerung oder Aufgabe von Betrieben und Teilbetrieben und dadurch bedingter Ausnahme von den Vortragsbegrenzungen gemäß § 2 Abs 2 Z 3 EStG tatsächlich nicht bestehender Einkommensteuer‑ nachforderungen.

Die Tatrichter stützten ihre Feststellungen zur jeweiligen Abgabenverkürzung und deren Höhe unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die diesbezügliche Fundstelle in den Akten auf die Ergebnisse des finanzstrafbehördlichen Verfahrens (US 2 ff). Nach ständiger Judikatur kommt einem Abgabenbescheid als dem Resultat eines fachspezifischen Ermittlungsverfahrens die Bedeutung einer qualifizierten Vorprüfung der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des im jeweiligen Finanzstrafverfahren aktuellen Finanzvergehens zu (RIS‑Justiz RS0087030). Strebt eine Prozesspartei die Überprüfung des Abgabenbescheids durch einen Sachverständigen an, muss sie demgemäß im darauf zielenden Antrag aus konkreten Details der Tatsachengrundlage des Bescheids im Beweisverfahren unausgeräumt gebliebene Mängel ableiten (Lässig in WK² FinStrG Vorbem Rz 6). Diesem Erfordernis wird der gegenständliche Beweisantrag nicht gerecht.

Auch die Abweisung (ON 16 S 14) des zum selben Beweisthema gestellten Antrags auf Vernehmung des ehemaligen Masseverwalters Dr. Wolfgang L***** und auf Anweisung des Genannten, von ihm verwahrte ‑ im Antrag nicht näher bezeichnete ‑ Buchhaltungsunterlagen vorzulegen (ON 16 S 13), erfolgte zu Recht. Der Antrag lässt nicht erkennen, inwieweit diese Einvernahme oder Vorlage einen über die finanzstrafbehördlichen Erhebungen (ON 2 und 4 bis 9), die beigeschafften Insolvenzakten AZ ***** und AZ ***** des Landesgerichts Salzburg sowie die erfolgten Vernehmungen des Angeklagten (ON 14 S 3 ff) und des Vertreters des Finanzamts Salzburg‑Land (ON 14 S 16 ff; insbesondere zu den berücksichtigten Verlustvorträgen: ON 14 S 17 f) hinausgehenden Erkenntniswert erwarten ließe (RIS‑Justiz RS0118444, RS0107040, RS0099453, RS0099189; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 327, 330 f).

Die zur Antragsbegründung im Rechtsmittel nachgetragenen Argumente sind prozessual verspätet (RIS‑Justiz RS0099618; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 325).

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

Mit Hinweisen auf die von den Tatrichtern als Schutzbehauptung gewertete Aussage des Angeklagten sowie die vom Schöffensenat ausdrücklich gewürdigten Angaben des ehemaligen Steuerberaters Dr. Johann B***** (US 6 ff) und des vormaligen Buchhalters Herbert Ha***** (US 7 f) gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Gleiches gilt für die vom Beschwerdeführer ‑ jeweils ohne Aktenbezug (siehe aber RIS‑Justiz RS0124172) ‑ aufgestellten Behauptungen der Vereinnahmung von und Verfügung über sämtliche Mieteinnahmen durch die Salzburger Sparkasse (vgl aber US 9) und das Vorliegen des Bescheids über die Einkünfte der Burgenlandmesse des Jahres 2002 erst im Jahr 2007.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch I/ bestreitet mit Verweis auf Leitner/Toifl/Brandl, Österreichisches Finanzstrafrecht3 Rz 880, das Vorliegen eines strafbaren Versuchs „in der Unterlassungsvariante des § 33 FinStrG mangels Zutreffen des Gleichwertigkeitsprinzips iSd § 2 StGB“. Damit leitet sie nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb entgegen der in § 1 Abs 1 erster Satz FinStrG normierten Gleichwertigkeit der Tatbegehung durch Handlungen oder Unterlassungen (vgl Lässig in WK2 FinStrG § 1 Rz 2, § 3 Rz 1, § 11 Rz 5; Reger/Nordmeyer/Hacker/Kuroki, FinStrG Bd 14 § 1 Rz 12; Fellner, Finanzstrafgesetz6 § 1 Rz 7c) und trotz des Fehlens einer der im gerichtlichen Finanzstrafverfahren nicht anwendbaren Bestimmung des § 2 StGB (§ 3 FinStrG; RIS‑Justiz RS0123453) entsprechenden Regelung im FinStrG die Verletzung der Offenbarungspflicht (§ 119 BAO) durch die Nichtabgabe von Steuererklärungen zum Zweck der Abgabenverkürzung den Tatbestand des Finanzvergehens nach § 33 Abs 1 FinStrG nicht erfüllen sollte (RIS‑Justiz RS0087154).

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vorsätzliches Handeln des Angeklagten bestreitet, orientiert sie sich nicht am Urteilssachverhalt (US 3 f, US 9) und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Zum Einwand offenbar unzureichender Begründung der Feststellungen zum Vorsatz (der Sache nach Z 5 vierter Fall) ist auf die ausführliche, den Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechende Beweiswürdigung des Erstgerichts in Ansehung der subjektiven Tatseite zu verweisen (US 6 bis 9).

In Ansehung des Schuldspruchs II/ wendet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) ein, dass die Umsatzsteuervorauszahlung „Teil der jeweiligen Umsatzsteuerjahresschuld“ und „die Tatobjekte der beiden Strafbestimmungen sohin materiell deckungsgleich“ seien. Da sich aus dem Umsatzsteuerbescheid 2009 lediglich eine Nachforderung von 4.438 Euro ergebe, sei eine Verkürzung der Umsatzsteuer für das Monat Juli 2009 um 9.921,88 Euro nicht möglich. Damit leitet sie nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb für die Verwirklichung des mit nicht fristgerechter Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldung bis spätestens zum 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf den Voranmeldungszeitraum zweitfolgenden Kalendermonats vollendeten Finanzvergehens nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (vgl RIS‑Justiz RS0087066; Lässig in WK2 FinStrG § 33 Rz 29 und 38) auch erforderlich sei, dass der Steuerbetrag dem Steuergläubiger endgültig verloren geht (vgl aber RIS‑Justiz RS0087066 [T1]).

Anzumerken bleibt, dass das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (nur) dann, wenn ‑ was hier nicht der Fall ist ‑ in der Folge mit Beziehung auf den gleichen Umsatzsteuerverkürzungsbetrag und denselben Steuerzeitraum auch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG zumindest versucht wird, von Letzterem konsumiert wird (RIS‑Justiz RS0086719).

Warum die erst nach dem Fälligkeitstag am 15. September 2009 erfolgte Konkurseröffnung am 16. September 2009 den Angeklagten von seinen zuvor gegebenen steuerlichen Verpflichtungen entbinden sollte, legt die Beschwerde (Z 9 lit a) nicht folgerichtig aus dem Gesetz entwickelt dar.

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit b) ausgehend von mangelnder Tatbestandsmäßigkeit der dem Angeklagten zum Schuldspruch II/ angelasteten Tathandlung Verjährung der Strafbarkeit in Ansehung des Schuldspruchs I/ geltend macht, scheitert sie schon an der ‑ wie oben ausgeführt ‑ unzutreffenden Prämisse.

Der zum Schuldspruch I/ erhobene Vorwurf der bloßen Wiedergabe der verba legalia des § 38 Abs 1 FinStrG übergeht sowohl die zur zeitlichen Komponente getroffenen Konstatierungen als auch den vom Erstgericht hergestellten Sachverhaltsbezug (US 4).

Zu dem unter einem vorgebrachten Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit kann auf die Ausführungen zum gleichlautenden Vorwurf in Ansehung des Vorsatzes verwiesen werden (insbesondere US 8). Soweit der Angeklagte in der mehrfachen Tatwiederholung und dem langen Tatzeitraum (vgl US 8) keine Voraussetzung für Feststellungen zu gewerbsmäßigem Handeln erblickt, bekämpft er bloß unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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