Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen - mithin auch in den zu I/A/1 und 4 ergangenen Schuldsprüchen wegen gewerbsmäßigen schweren Betruges - unberührt bleibt, in den zu I/A/2, 3, 5, 7 und 8 ergangenen Schuldsprüchen der beiden Angeklagten und in der zu I/A gebildeten Subsumtionseinheit des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB, demnach auch in den Strafaussprüchen und im Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche von Claudia R*****, Gerhard H*****, Maria E*****, Gerhard N***** sowie Waltraud und Mario P*****, aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten Patric Mü***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Soweit mit Nichtigkeitsbeschwerde angefochten, wurde Patric Mü***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt (I/A). Danach hat er gemeinsam mit Nikolaus M***** in R*****, U***** und anderen Orten Österreichs mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung von schwerem Betrug eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, von August 2003 bis Mai 2004 durch „die listige Vorgabe, über das Wissen einer Fertigteilhausproduktion zu verfügen und die Erweckung des Anscheins, die Geschäftsfälle durch ein entsprechendes Rechnungswesen und internes Kontrollsystem zu erfassen" (gemeint:
durch Täuschung über die Fähigkeit der von ihnen geleiteten Fa Mü***** GmbH zur ordnungsgemäßen Erfüllung von Aufträgen zur Errichtung von Fertigteilhäusern), nachgenannte Personen zur Leistung von Anzahlungen für die Errichtung von Fertigteilhäusern verleitet, welche diese zufolge Nichterbringung vereinbarter Leistungen in nachstehender Höhe schädigten, und zwar
- 1. Helmut W***** im Betrag von 43.730 Euro,
- 2. Gerald Wa***** und Ingeborg L***** im Betrag von 2.288 Euro,
- 3. Claudia R***** und Gerhard H***** im Betrag von „mindestens 40.000 Euro" (lt US 15: 52.585 Euro),
- 4. Sonja H***** im Betrag von 40.000 Euro,
- 5. Maria E***** im Betrag von „mindestens 50.000 Euro" (lt US 16: 50.465 Euro),
7. Gerhard N***** im Betrag von „mindestens 50.000 Euro" (lt US 16: 74.859 Euro),
8. Waltraud und Mario P***** im Betrag von „rund 50.000 Euro" (lt US 16: 51.766 Euro).
Der aus Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt teilweise Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Die Feststellung, wonach sich der Angeklagte unrechtmäßig bereichern wollte, steht nicht im Widerspruch zum Hinweis der Entscheidungsgründe, wonach - ungeachtet des Schadenseintritts - nicht festgestellt werden konnte, dass er auch tatsächlich persönlich bereichert wurde (Z 5 dritter Fall). Zudem spricht die Mängelrüge mit der Frage einer beim Angeklagten eingetretenen Bereicherung keine für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache an, weil § 146 StGB ein solches Tatbestandsmerkmal nicht enthält. Die aus Z 9 lit a vorgetragene Behauptung eines derartigen Tatbestandsmerkmals entbehrt der aufgrund des entgegenstehenden Gesetzeswortlauts erforderlichen Begründung.
Zwar kann die - außer dem Fall des § 252 Abs 1 StPO - in dessen Abhörung bestehende Beiziehung eines Sachverständigen zur Hauptverhandlung durch das Vorbringen erheblicher Einwendungen verhindert werden, auch wenn dieser bereits ein schriftliches Gutachten abgegeben hat. Dabei sind auf den Anschein der Befangenheit gestützte Einwendungen von solchen zu scheiden, die mit mangelnder Sachkenntnis der als Sachverständiger abzuhörenden Person begründet werden. Abhörung oder Verlesung des schriftlichen Gutachtens sind infolge Anscheins von Befangenheit jedoch nur dann unzulässig, wenn zu erkennen ist, dass der Sachverständige sein Gutachten auch dann zu ändern nicht gewillt sein werde oder würde, wenn Verfahrensergebnisse dessen Unrichtigkeit aufzeigen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 370 f; eingehend: Hinterhofer, WK-StPO § 120 Rz 6 f). Indem der Sachverständige Sch***** die sachgerechte Fertigstellung zweier von der Anklage nicht erfasster Häuser im einen Fall mit einem Verwandtschaftsverhältnis der Bauherrin zum Angeklagten, im anderen Fall mit ständiger Überwachung des Baufortschritts durch den Bauherrn in Verbindung brachte (S 389/V - Umstände, die der Beschwerdeführer nicht bestreitet), hat er jedoch keine Anhaltspunkte in Richtung mangelnder Zugänglichkeit für Sachargumente geliefert, sodass der Antrag, von der Beiziehung dieses Sachverständigen abzusehen, zu Recht abgewiesen wurde.
Während der Antrag auf „Ergänzung des Sachverständigengutachtens Heinrich Sch***** bzw die Einholung eines weiteren Gutachtens" zur Bestimmung des objektiven Wertes der den zu I/A/2 bis 5, 7 und 8 genannten Bauwerbern zugekommenen Leistungen (S 59 f/VI) hinsichtlich Sonja H***** (I/A/4) keinen Hinweis darauf gibt, dass seitens der Angeklagten überhaupt eine der Bewertung zugängliche Leistung erbracht wurde (vgl S 383/V) und demnach insoweit Erkundungscharakter trägt, wird dessen - übrigens entgegen § 238 Abs 1 StPO erst unmittelbar vor der Urteilsverkündung erfolgte (S 62 f/VI) - Abweisung ansonsten zu Recht gerügt.
Der Sachverständige hatte den als „Überzahlung" bezeichneten Schaden der Bauwerber nämlich derart berechnet, dass er von der Summe aus geleisteter Anzahlung und Fertigstellungs- sowie Mängelbehebungskosten den für die Errichtung des jeweiligen Hauses mit der Fa Mü***** GmbH vereinbarten Preis in Abzug brachte (S 375, 349, 301 bis 303, 315, 335 bis 337/V). Er hat solcherart als Schaden denjenigen Betrag angesetzt, den die einzelnen Bauwerber über den vereinbarten Preis hinaus zur Erlangung der mit der Fa Mü***** GmbH vereinbarten Leistungen aufgewendet haben.
Zur Ermittlung des Betrugsschadens wären jedoch nach stRsp (vgl nur RIS-Justiz RS0094164, RS0094263, 13 Os 121/79 = ÖJZ-LSK 1980/39) von der geleisteten Zahlung der jeweiligen Bauwerber die Leistungen der Fa Mü***** GmbH in Abzug zu bringen gewesen. Diese wären - angesichts deren jeweils erfolgter Verwertung (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 146 [2006] Rz 82, Kienapfel/Schmoller BT II Studienbuch § 146 Rz 175 ff, Leukauf/Steininger3 § 146 RN 42) durch Fertigstellung der begonnenen Bauführung - nach ihrem generellen Verkehrswert (Marktwert) zu berechnen gewesen (Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 146 [2006] Rz 80, Kienapfel/Schmoller BT II Studienbuch § 146 Rz 165). Der Antrag auf Berechnung des objektiven Wertes der durch die Fa Mü***** GmbH erbrachten Leistungen betraf erhebliche Tatsachen, ungeachtet des Umstandes, dass die Höhe eines tatsächlich eingetretenen Schadens mit Blick auf die bereits durch I/A/1 und 4 überschrittene Qualifikationsgrenze des § 147 Abs 3 StGB die Subsumtionseinheit des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB nicht berührt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 568, 652, § 295 Rz 16 f). Wäre nämlich im Einzelfall nicht mehr bezahlt worden, als dem Wert der solcherart berechneten Gegenleistung entsprach, wäre insoweit ein Freispruch zu fällen gewesen, da die einzelnen Straftaten rechtlich selbständig bleiben (14 Os 65/99, JBl 2000, 262 [Schmoller]).
Während die Nichtigkeitsbeschwerde demnach zu I/A/1 und 4 zurückzuweisen war (§ 285d Abs 1 StPO), führt der teilweise Erfolg der Verfahrensrüge zu I/A/2, 3, 5, 7 und 8 zur Urteilsaufhebung und Verweisung an das Erstgericht (§§ 285e erster Satz, 288 Abs 2 Z 1 StPO).
Zwar kommt amtswegiges Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz (zweiter Fall) StPO zugunsten des Angeklagten Nikolaus M***** deshalb nicht in Frage, weil dieser keinen der erfolgreichen Verfahrensrüge entsprechenden Antrag gestellt hatte (WK-StPO § 290 Rz 11). Da jedoch das Schöffengericht den objektiven Wert der durch die Fa Mü***** GmbH erbrachten Leistungen nicht festgestellt hat, leidet das Urteil zu I/A/2, 3, 5, 7 und 8 unter einer nach § 290 Abs 1 zweiter Satz (erster Fall) StPO zugunsten dieses Angeklagten von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO (§§ 285e erster Satz, 288 Abs 2 Z 3 zweiter SatzStPO).
Für den Fall eines erneuten (Betrugs-)Schuldspruchs wegen einer oder mehrerer der zu I/A/2, 3, 5, 7 oder 8 genannten Taten wird die durch das kassatorische Erkenntnis zerschlagene Subsumtionseinheit neu zu bilden sein (Ratz, WK-StPO § 289 Rz 10).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten Patric Mü***** gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO, wogegen Nikolaus M***** in Betreff der zu seinen Gunsten erfolgten amtswegigen Maßnahme keine Kosten zu ersetzen hat (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12).
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