European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0130OS00075.22M.1019.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten * L* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – * L* des Verbrechens des gewerbsmäßig und im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangenen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Z 1, 130 Abs 2 erster und zweiter Fall und Abs 3 (jeweils iVm Abs 1 erster und zweiter Fall) und 15 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er zumindest vom 28. September 2021 bis zum 24. Oktober 2021 in S* und R* sowie an anderen Orten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz (unter Verwirklichung der Kriterien des § 70 Abs 1 Z 1 und 3 StGB) gewerbsmäßig und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung (§ 12 StGB) eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung – jeweils im Urteil näher dargestellt – in zumindest 27 Angriffen namentlich bekannten sowie nicht mehr ausforschbaren Geschädigten einzeln bezeichnete Gegenstände in einem 5.000 Euro, nicht jedoch 300.000 Euro übersteigenden Gesamtwert auf näher geschilderte Weise teils durch Einbruch, teils in eine Wohnstätte, weggenommen und dies versucht.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * L*.
[4] Die Verfahrensrüge (Z 3) wendet ein, der Vorsitzende des Schöffensenats habe entgegen dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung vom 20. April 2022 (ON 107), wonach gemäß § 252 Abs 2a StPO eine Vielzahl näher bezeichneter Zeugenvernehmungsprotokolle einverständlich resümierend vorgetragen worden sei und gemäß § 252 Abs 2 StPO näher bezeichnete Urkunden und Schriftstücke verlesen worden seien (ON 107 S 12 ff), weder den Vortrag noch die Verlesung tatsächlich vorgenommen. Hiedurchhabe das Erstgericht gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz verstoßen.
[5] Dieses Vorbringen stellt die in Ansehung einer Verletzung des § 252 StPOaus Z 3 allein relevante Verlesungszulässigkeit (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 238) nicht in Frage.
[6] Denn dass die Verfahrensbeteiligten mit einem resümierenden Vortrag der Protokolle über diese Zeugenaussagen durch den Vorsitzenden gemäß § 252 Abs 2a StPO einverstanden waren, wird vom Beschwerdeführer (aktenkonform) nicht bestritten. Da insoweit die Voraussetzungen der Ausnahmebestimmung des § 252 Abs 1 Z 4 StPO vorlagen (RIS-Justiz RS0127712), bestand aber das grundsätzlich normierte Verbot der Verlesung amtlicher Schriftstücke, die mit dem Ziel errichtet wurden, Aussagen von – hier – Zeugen festzuhalten (§ 252 Abs 1 StPO; vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 228 mwN), nicht.
[7] Urkunden und Schriftstücke, die für die Sache von Bedeutung sind, müssen gemäß § 252 Abs 2 StPO verlesen werden (näher Kirchbacher, WK-StPO § 252 Rz 123 ff).
[8] Unter dem Aspekt der Z 5 vierter Fall entzieht sich das bisher behandelte Vorbringen schon deshalb einer meritorischen Erledigung, weil es die Feststellungen, auf die sich der behauptete Mangel beziehen soll, nicht konkret bezeichnet (RIS-Justiz RS0130729).
[9] Die Mängelrüge (Z 5) bekämpft unter der Überschrift „unvollständige Beweiswürdigung“ die Feststellung, wonach es dem Beschwerdeführer darauf ankam, Einbruchsdiebstähle auch in Wohnbereiche von Kleingartenhäusern zu begehen (US 12 ff).
[10] Ihre Behauptungen, die „Frage, was versteht man unter einer Wohnstätte“, sei vom Vorsitzenden des Schöffensenats „nicht ordentlich erörtert“ und „die subjektiven Vorstellungen der Täter“ seien nicht „erfragt“ worden, bringen keinen Begründungsmangel im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (siehe dazu eingehend 13 Os 69/16w) zur Darstellung.
[11] Soweit die Rüge (nominell aus Z 3 und 5) kritisiert, der Vorsitzende habe „Zeugeneinvernahmen und auch die Verlesungen [...] insgesamt nicht ergebnisoffen durchgeführt“ und im Rahmen der Vernehmungen keine andere als seine (vorgefasste) Meinung zugelassen, releviert sie der Sache nach Nichtigkeit des Urteils nach Z 1 zufolge Ausgeschlossenheit eines an der Entscheidung beteiligten Richters gemäß § 43 Abs 1 Z 3 StPO (vgl dazu Lässig, WK‑StPO § 43 Rz 12 sowie Ratz, WK-StPO § 281 Rz 93 und 132).Unter diesem Aspekt scheitert sie jedoch schon daran, dass sie (aktenkonform) nicht behauptet, der Beschwerdeführer wäre seiner in § 281 Abs 1 Z 1 StPO statuierten Rügepflicht nachgekommen, und auch nicht darlegt, welche Gründe der rechtzeitigen Rüge im Wege gestanden sein sollen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 143; RIS‑Justiz RS0119225).
[12] Mit eigenen Erwägungen und Spekulationen zu dengerügten Feststellungen bekämpft die Beschwerde bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).
[13] Die Behauptung, die Urteilsfeststellungen würden für die Annahme der Qualifikation des Einbruchs in eine Wohnstätte (§ 129 Abs 2 Z 1 StGB) nicht ausreichen (nominell Z 5, der Sache nach Z 10), leitet die Beschwerde nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (vgl aber RIS-Justiz RS0116565).
[14] Die Kritik (nominell „Sanktionsrüge Z 1 des § 81 Abs 1 StPO“, der Sache nach Z 10), das Erstgericht habe die Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Ansehung des Einbruchs in Wohnstätten „in Verkennung der Rechtslage getroffen“, „ohne zu erhellen, ob ein Verbotsirrtum (Tatbildirrtum) vorliegt“, erschöpft sich – entgegen der Prozessordnung (RIS-Justiz RS0099810) – in der Bestreitung der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (US 12 ff).
[15] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[16] Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[17] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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