European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00039.17K.0628.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen der Herstellung einer falschen Urkunde im Jahr 2003 (II) sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.
Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.
Ihr fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Andrea W***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB (I), mehrerer Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 StGB (II) sowie (richtig) mehrerer Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (III) schuldig erkannt.
Danach hat sie in G*****
(I) in zahlreichen Angriffen gewerbsmäßig (US 6–9) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz andere durch Vortäuschung von Ansprüchen zu Überweisungen und Auszahlungen verleitet, wodurch der Ö***** mit zumindest 103.144,68 Euro am Vermögen geschädigt wurde, nämlich
1) vom Jänner 2008 bis zum März 2012 zur Auszahlung von 13.250 Euro an ihr in diesem Umfang nicht zustehenden Bürokostenpauschalen,
2) vom Juni 2008 bis zum März 2012 zur Auszahlung von zumindest 25.201,43 Euro an ihr in diesem Umfang nicht zustehenden Gehältern,
3) vom Februar 2008 bis zum März 2012 zu rechtsgrundlosen Überweisungen und Auszahlungen in der Gesamthöhe von zumindest 62.324,58 Euro sowie
4) am 7. Juni 2011 und am 17. Juni 2011 zur Begleichung einer privaten Rechnung über 2.368,67 Euro,
(II) am Jahresende 2003 und im Mai 2008 falsche Urkunden, nämlich Dienstverträge, mit dem Vorsatz hergestellt, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts oder eines Rechtsverhältnisses gebraucht werden, und
(III) in den Jahren 2008 bis 2012 anlässlich der zu I beschriebenen Taten zahlreiche Urkunden, nämlich Überweisungs‑ und Barbehebungsscheine sowie Rechnungen, über die sie nicht allein verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten geht fehl.
Indem die Mängelrüge vorbringt, die monatlich in der Höhe von 250 Euro lukrierten Bürokostenpauschalen (US 5) seien der Beschwerdeführerin im Umfang eines Teilbetrags von monatlich 120 Euro tatsächlich zugestanden, sodass sich der Schadensbetrag zum Schuldspruch I/1 auf 7.010 Euro (sohin insgesamt auf 96.904,68 Euro) verringere, spricht sie keinen schuld‑ oder subsumtionsrelevanten Umstand an (siehe aber RIS‑Justiz RS0106268).
Hinzugefügt sei, dass die Rüge die insoweit für ihre Sicht ins Treffen geführten Zeugenaussagen unrichtig referiert: Nach der Aktenlage gab nämlich Dipl.‑Ing. Dr. H***** an, dass mit der Beschwerdeführerin eine monatliche Gesamtzahlung von 750 Euro „inklusive einer Bürokostenentschädigung“ vereinbart war (ON 44 S 17). Im Ergebnis ähnlich deponierte Mag. I*****, es wären „glaublich“ 500 Euro oder 600 Euro „für die Stundenanzahl“ und 120 Euro „als Büroabgeltung“ vereinbart gewesen (ON 44 S 33). Der Feststellung des Erstgerichts, die zusätzlich zur monatlichen Vergütung von 750 Euro lukrierten Bürokostenpauschalen von monatlich 250 Euro seien der Beschwerdeführerin nicht zugestanden (US 5), stehen diese Zeugenaussagen keineswegs erörterungsbedürftig entgegen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass – wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – zum Nachteil der Angeklagten das Strafgesetz unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
Der Schuldspruch II erfolgte wegen mehrerer Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 StGB, wobei die Angeklagte nach den Urteilskonstatierungen die erste Fälschungshandlung im Jahr 2003 und die zweite im Jahr 2008 setzte (US 9). Mit Blick auf die Strafdrohung des § 223 Abs 1 StGB (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen) beträgt die diesbezügliche Verjährungsfrist gemäß § 57 Abs 3 StGB drei Jahre. Da das Erstgericht dennoch auch hinsichtlich der nach seinen Feststellungen im Jahr 2003 begangenen Urkundenfälschung den Strafaufhebungsgrund der Verjährung (RIS‑Justiz RS0091923; Marek in WK² StGB Vor §§ 57 bis 60 Rz 1; Schallmoser SbgK Vor §§ 57 ff Rz 25) nicht annahm, ohne Konstatierungen zu einer allfälligen Hemmung der Verjährung zu treffen, leidet die angefochtene Entscheidung an einem diesbezüglichen Feststellungsmangel (11 Os 23/16s, EvBl 2016/121, 832; RIS‑Justiz RS0091794 [T4]).
Demnach war sie aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde im Schuldspruch II wegen einer im Jahr 2003 begangenen Urkundenfälschung schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben (§ 285e StPO iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).
Dies hatte die Aufhebung des Strafausspruchs zur Folge, worauf die Angeklagte mit ihrer Berufung zu verweisen war.
Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst ( Lendl , WK‑StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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