OGH 13Os37/14m

OGH13Os37/14m5.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Juni 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kotanko als Schriftführerin in der Strafsache gegen Bernhard S***** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 2 und 15 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen, AZ 41 Hv 28/10i des Landesgerichts Salzburg, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss dieses Gerichts vom 6. April 2012 (ON 88) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Brenner, zu Recht erkannt:

In der Strafsache AZ 41 Hv 28/10i des Landesgerichts Salzburg verletzt der Beschluss dieses Gerichts vom 6. April 2012 (ON 88) § 53 Abs 2 zweiter Satz StGB iVm § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB, jeweils idF vor BGBl I 2013/116.

Dieser Beschluss wird aufgehoben und es wird in der Sache selbst der

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: AT:OGH:2014:E107951

 

Spruch:

Der Antrag der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 19. Jänner 2012 (ON 76), die mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 11. Jänner 2011, GZ 41 Hv 28/10i‑47, gewährte bedingte Strafnachsicht zu widerrufen, wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit gekürzt ausgefertigtem (§ 270 Abs 4 StPO), sogleich rechtskräftigem (siehe ON 47 S 9 im Akt AZ 41 Hv 28/10i) Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 11. Jänner 2011 (ON 47) wurde Bernhard S***** zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, von der das erkennende Gericht gemäß § 43a Abs 3 StGB einen Teil von zehn Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah.

Mit zugleich ergangenem Beschluss (§ 494 Abs 1 StPO) erteilte das erkennende Gericht Bernhard S***** eine Weisung (§ 51 StGB) und ordnete die Bewährungshilfe (§ 52 StGB) an (ON 47 S 7 f).

Mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Vollzugsgericht vom 7. Februar 2011, GZ 48 BE 27/11s‑6, wurde der Verurteilte mit Wirkung vom 27. Februar 2011 aus dem mit dem genannten Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 11. Jänner 2011 (ON 47) nicht bedingt nachgesehenen Strafteil unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt entlassen.

Mit Beschluss vom 6. April 2012 (ON 88 im Akt AZ 41 Hv 28/10i) widerrief das Landesgericht Salzburg über Antrag der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 19. Jänner 2012 (ON 76) die mit Urteil vom 11. Jänner 2011 (ON 47) gewährte bedingte Strafnachsicht mit der Begründung, der Verurteilte habe die ihm erteilte Weisung trotz förmlicher Mahnung mutwillig nicht befolgt und sich beharrlich dem Einfluss des Bewährungshelfers entzogen (§ 53 Abs 2 erster Satz StGB).

Über den allfälligen Widerruf der am 7. Februar 2011 ausgesprochenen bedingten Entlassung wurde nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 23 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht der genannte Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 6. April 2012 (ON 88) mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Nach § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB in der im Entscheidungszeitpunkt (6. April 2012) geltenden Fassung vor dem Sexualstrafrechtsänderungsgesetz 2013 BGBl I 2013/116 konnten die bedingte Nachsicht des Teiles einer Freiheitsstrafe und die bedingte Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Strafteil nur gemeinsam widerrufen werden. Gemäß § 53 Abs 2 zweiter Satz StGB idF vor BGBl I 2013/116 galt diese Regelung entsprechend auch für den Fall des Widerrufs einer bedingten Strafnachsicht oder einer bedingten Entlassung wegen mutwilliger Nichtbefolgung einer Weisung oder beharrlicher Entziehung aus dem Einfluss des Bewährungshelfers.

Der mit dem Beschluss ausgesprochene bloß partielle Widerruf von Rechtswohltaten ein‑ und derselben Sanktion widerspricht somit dem im Entscheidungszeitpunkt gesetzlich vorgesehenen Ausschluss der eigenständigen Behandlung von (bedingt nachgesehenem) Strafteil und (nach bedingter Entlassung verbliebenem) Strafrest (RIS‑Justiz RS0125448; Jerabek in WK² StGB § 53 Rz 4a; Fabrizy, StGB10 § 53 Rz 14).

Da der vom Landesgericht Salzburg angenommene Widerrufsgrund fallbezogen nur den bedingt nachgesehenen Strafteil (nicht also die bedingte Entlassung) betraf, kam der ‑ nach der im Entscheidungszeitpunkt geltenden Rechtslage (wie dargelegt) nur gemeinsam mögliche ‑ Widerruf somit hier keinesfalls in Betracht (14 Os 138/10s, EvBl‑LS 2011/48; 11 Os 171/10x; 14 Os 82/13k, 83/13g, EvBl 2013/129, 885), aus welchem Grund sich der Oberste Gerichtshof veranlasst sah, die Feststellung der Gesetzesverletzung durch sofortige Entscheidung in der Sache selbst mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).

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