OGH 13Os34/23h

OGH13Os34/23h24.1.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Jänner 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. De Rijk in der Strafsache gegen * L* und mehrere Angeklagte wegen Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGBsowie einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25. März 2022, GZ 121 Hv 3/20b‑356, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00034.23H.0124.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Wirtschaftsstrafsachen

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – * K* des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB (A I und II) sowie des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (F I 1) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in S*

(A) seine ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch seine Treugeberin am Vermögen geschädigt, wobei er einen 300.000 Euro übersteigenden Gesamtschaden von 1.083.800 Euro herbeiführte, und zwar

I) als Geschäftsführer der V* GmbH (V*), seit 14. Dezember 2010 (US 36) M* S* B* GmbH (im Folgenden: M* GmbH), indem er

1) am 11. November 2010 und am 28. Februar 2011 aufgrund einer vorgeblichen „Consultingvereinbarung“ in mehreren Angriffen Zahlungen im Gesamtbetrag von 32.000 Euro an * S* leistete, obwohl dieser keine Leistungen erbracht hatte, und

2) vom 8. Oktober 2009 bis zum 23. Mai 2011 ohne insoweit erforderliche Beschlüsse der Generalversammlung der M* GmbH anderen Kredite gewährte und Rechnungen über von den Kreditnehmerinnen vorgeblich erbrachte Leistungen bezahlen ließ, wodurch dem genannten Unternehmen ein Vermögensnachteil von insgesamt 916.800 Euro zugefügt wurde, sowie

II) als alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer der M* GmbH,

5) indem er einer anderen vom 29. Juli 2011 bis zum 13. Dezember 2011 ohne insoweit erforderliche Beschlüsse der Generalversammlung der M* GmbH Darlehen gewährte und ihr ohne Rechtsgrund Gelder zukommen ließ, wodurch dem genannten Unternehmen ein Vermögensnachteil von insgesamt 135.000 Euro zugefügt wurde, weiters

(F I 1) am 10. Juli 2012 eine falsche Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht, indem er eine Patronatsurkunde, auf der er die Unterschrift eines im Urteil Genannten nachgemacht hatte, als Anhang einer E-Mail an eine (im Urteil genannte) Bank übermittelte.

[3] * S* wurde hingegen – soweit hier von Bedeutung – gemäß § 259 Z 3 StPO von dem wider ihn erhobenen Vorwurf (C) freigesprochen, er habe * K*

„1./ zur Ausführung der zu Punkt A./ I./ inkriminierten Tat bestimmt, indem er für die Monate September bis Dezember 2010 Honorarnoten über monatlich 8.000,-- Euro an die M* GesmbH legte, obwohl er für diese keine Leistungen erbracht hatte,

2./ dazu zu bestimmten versucht, die ihm als Geschäftsführer der V* GmbH (später: M* S* B* GmbH) die ihm durch Rechtsgeschäft und Gesetz eingeräumte Befugnis, über deren Vermögen zu verfügen und sie zu verpflichten, wissentlich zu missbrauchen und ihr dadurch einen Vermögensnachteil zuzufügen, indem er Honorarnoten über nicht tatsächlich für die M* GmbH erbrachten Leistungen legte und zwar

a./ am 31. 3. 2011 für Jänner und Februar 2011 einen Betrag von zusammen 16.000,-- Euro,

b./ am 7. 6. 2011 für April und Mai 2011 einen Betrag von insgesamt 20.000,-- Euro,

c./ am 14. 11. 2012 für den Zeitraum März 2011 bis Oktober 2012 einen Betrag von 160.000,-- Euro,

wodurch der M* GmbH im Zeitraum von Jänner 2011 bis Oktober 2012 ein Vermögensnachteil von zusammen 176.000,-- Euro (22 Monate zu je 8.000,-- Euro) zugefügt worden wäre, wobei er den vorsätzlich Fehlgebrauch der Befugnis durch * K* für gewiss hielt, wobei er einen 5.000,-- Euro übersteigenden Schaden herbeiführte bzw. herbeizuführen trachtete“.

Rechtliche Beurteilung

[4] Gegen den Schuldspruch A I und F I 1 richtet sich die zugunsten des Angeklagten * K* ausgeführte und auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde derStaatsanwaltschaft, aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO bekämpft die Staatsanwaltschaft den Freispruch des Angeklagten * S* (C).

[5] Ausgehend von der Aktenlage gab die Staatsanwaltschaft am 25. März 2022 nach der Urteilsverkündung „keine Erklärung zu allen Angeklagten“ ab (ON 355 S 38), meldete am 28. März 2022 (und solcherart rechtzeitig [§§ 284 Abs 1, 294 Abs 1 StPO]) Nichtigkeitsbeschwerde „gegen das freisprechende Urteil“ hinsichtlich der Angeklagten * F*, * Le* (nunmehr L* [ON 371]), * D*, * De*, * K*, * Fa*, * R*, * H*, * S* und * Sc* sowie Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe des * K* an (ON 367 S 5) und zog am 23. Februar 2023 die Nichtigkeitsbeschwerde hinsichtlich der Angeklagten * F*, * Le* (nunmehr L*), * D*, * De*, * Fa*, * R*, * H* und * Sc* sowie die Berufung zurück (Anhang zu ON 377).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde betreffend den Angeklagten * K*:

[6] Da sich die Beschwerde insoweit ausschließlich gegen Teile des Schuldspruchs wendet, erweist sie sich als verspätet (§ 285a Z 1 erster Fall StPO), weil die Staatsanwaltschaft die Nichtigkeitsbeschwerde innerhalb der Frist des § 284 Abs 1 StPO ausdrücklich nur gegen den Freispruch des Angeklagten erhoben hat (11 Os 35/87 sowie RIS‑Justiz RS0099927 und RS0100213). Wenngleich aus dieser Erklärung ein schlüssiger Verzicht auf die Anfechtung des Schuldspruchs nicht abzuleiten ist (vgl RIS‑Justiz RS0115811 [T1]), hätte es zur Wahrung der Rechtzeitigkeit einer diesbezüglichen Nichtigkeitsbeschwerde einer entsprechenden Erklärung innerhalb der Frist des § 284 Abs 1 StPO bedurft. Da eine solche nicht erfolgte, erwuchs die angefochtene Entscheidung im Schuldspruch des Angeklagten (auch) gegenüber der Staatsanwaltschaft in Teilrechtskraft (Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 Vor § 352 Rz 2; Lässig, WK‑StPO § 398 Rz 2; Lewisch, WK‑StPO Vor §§ 352–363 Rz 13; E. Steininger, Nichtigkeitsgründe im Strafverfahren Vorbem Rz 2b; vgl auch § 289 erster Satz StPO [zum insoweit zentralen Begriff der „trennbaren Verfügung“ siehe Ratz, WK‑StPO § 288 Rz 9 und § 289 Rz 3]).

[7] Zum Schuldspruch F I 1 sei mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO festgehalten, dass der Wille der Tatrichter festzustellen, dass der Angeklagte die von der B* AG per E‑Mail versendete Patronatserklärung ausdruckte, die Unterschrift des Bürgermeisters mit einem vorgefertigten Stempel beifügte, die solcherart hergestellte falsche Urkunde (Kienapfel/Schroll in WK2 StGB § 223 Rz 168–170) einscannte und als PDF‑Anhang per E‑Mail an die B* AG sendete, sie also im Sinn des § 223 Abs 2 StGB im Rechtsverkehr gebrauchte (Kienapfel/Schroll in WK2 StGB § 223 Rz 219, Bugelnig SbgK § 182 f), bei gebotener Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe im Zusammenhalt mit den dort vorgenommenen Verweisen auf den Akteninhalt (US 109, 173, 271 und 273) hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt (vgl RIS‑Justiz RS0117228 sowie Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde betreffend den Angeklagten * S*:

[8] Entgegen der Mängelrüge (Z 5) ließ das Erstgericht in Bezug auf die Negativfeststellungen zur subjektiven Tatseite (US 100 f) weder die von der Rüge angesprochenen Korrespondenzen und Rechnungen noch die Aussagen des Angeklagten oder der Mitangeklagten unberücksichtigt (US 99, 101, 132 ff, 135 und 142 f). Dass das Erstgericht aus diesen Verfahrensergebnissen nicht die von der Beschwerdeführerin gewünschten Schlüsse gezogen hat, begründet keine Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0098400 und RS0099438).

 

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher insgesamt – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

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