OGH 13Os22/21s

OGH13Os22/21s7.6.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Juni 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Pauritsch in der Finanzstrafsache gegen Milos J* wegen des Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs 1 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Finanzstrafbehörde gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. September 2020, GZ 12 Hv 43/15a‑148, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreter der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Ulrich, und der Finanzstrafbehörde, Dr. Vogt, sowie des Verteidigers Mag. Hotz zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E132040

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

 

Milos J* wird gemäß § 214 FinStrG vom Vorwurf freigesprochen, er habe am 5. Februar 2015 im Bereich des Zollamts Wien eingangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union verbracht, indem er 18 Uhren und eine Halskette, auf die Zoll und Einfuhrumsatzsteuer von zusammen 75.729,23 Euro entfielen, von Serbien nach Österreich transportierte.

 

Mit ihren Rechtsmitteln wird die Finanzstrafbehörde auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Milos J* des Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs 1 lit a FinStrG (idF vor BGBl I 2015/163) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 5. Februar 2015 im Bereich des Zollamts Wien eingangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union verbracht, indem er 18 Uhren und eine Halskette, auf die Zoll und Einfuhrumsatzsteuer von zusammen 75.729,23 Euro entfielen (US 3), von Serbien nach Österreich „einführte“.

[3] „[G]emäß § 19 Abs 1 lit b, Abs 5 FinStrG“ wurde „vom Wertersatz hinsichtlich der 18 Uhren“ „abgesehen“.

Rechtliche Beurteilung

[4] Gegen diesen Ausspruch richtet sich die (zum Nachteil des Angeklagten) aus § 281 Abs 1 Z 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Finanzstrafbehörde.

[5] Aus ihrem Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof (im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur), dass dem angefochtenen Urteil nicht geltend gemachte, dem Angeklagten zum Nachteil gereichende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

[6] Mit dem in der Hauptverhandlung vorgekommenen (ON 147 S 3 iVm ON 16 [= ON 141]) und in den Feststellungen erwähnten (US 2 und 3), unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 6. Mai 2015, GZ 113 Hv 30/15g-106, wurde J* des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 und 4 erster Fall StGB schuldig erkannt, weil er am 5. Februar 2015 „in Wien“ den (unbekannten) Täter einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen nach der Tat dabei unterstützte, Sachen im Wert von mehr als 50.000 Euro, die dieser durch sie erlangt hatte, zu verheimlichen und zu verwerten, indem er „18 Uhren“, die zuvor bei einem Raub in der Schweiz erbeutet worden waren, „von Serbien nach Wien“ brachte.

[7] Das Verbot wiederholter Strafverfolgung (§ 17 Abs 1 StPO; vgl auch Art 4 des 7. ZPMRK) bezieht sich auf Taten, somit historische Lebenssachverhalte, und nicht auf strafbare Handlungen, also rechtliche Kategorien (RIS‑Justiz RS0111520 und RS0124619; vgl RS0120128 [T2]). Es gilt auch für Verfahren wegen gerichtlich strafbarer Finanzvergehen (§ 195 Abs 1 FinStrG) im Verhältnis zu Verfahren wegen gerichtlich strafbarer Handlungen anderer Art (12 Os 69/90, RIS‑Justiz RS0099888). Demzufolge scheidet die – nach Maßgabe des Art 4 Abs 1 des 7. ZPMRK verfassungsrechtlich zulässige (Markel, WK‑StPO § 1 Rz 20) – gesonderte Beurteilung mehrerer ideell konkurrierender strafbarer Handlungen (hier nach dem StGB und nach dem FinStrG) in verschiedenen gerichtlichen Strafverfahren aus (weshalb Art 4 Abs 1 des 7. ZPMRK nur im Verhältnis zu verwaltungsbehördlichen Strafverfahren gesondert zu prüfen ist; 15 Os 27/02, 60/02; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 639 [vgl auch Rz 629]).

[8] In der Begründung der mit dem angefochtenen Urteil erledigten Anklageschrift vom 23. Juni 2015 heißt es, dass die frühere Verurteilung des J* just „aufgrund dieses“ – nämlich des vom (neuen) Anklagevorwurf umfassten – „Sachverhalts“ erfolgte (ON 13 S 4). Auch ein Vergleich der beiden Urteile zeigt klar, dass ihr Gegenstand ein und dieselbe Tat (im prozessualen Sinn) ist: Ausführungshandlung der Hehlerei war eine Autofahrt des Genannten von Serbien nach Wien am 5. Februar 2015 unter Mitnahme der(selben, aus einem Raub stammenden [US 3]) 18 Uhren. Der für das Finanzvergehen des Schmuggels relevante Tataspekt, nämlich das Verbringen der mitgeführten Wertgegenstände in das Zollgebiet der Union, ist davon – als ein Grenzübertritt innerhalb dieser Reisebewegung – jedenfalls mitumfasst.

Hiervon ausgehend stand der neuerlichen Verfolgung des J* wegen dieser (einen) Tat das prozessuale Verfolgungshindernis des Verbots wiederholter Strafverfolgung entgegen.

Aufgrund der aufgezeigten Nichtigkeit war das Urteil aufzuheben und in der Sache selbst auf Freispruch zu erkennen (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO).

[9] Mit ihren Rechtsmitteln war die Finanzstrafbehörde hierauf zu verweisen.

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