Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus ihrem Anlass werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (C), demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), im Verfallserkenntnis und im „Suchtgiftutensilien“ betreffenden Einziehungserkenntnis sowie der Beschluss auf Widerruf einer bedingten Entlassung aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte, Letzterer auch mit seiner Beschwerde, auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Nouredin K***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 1 SMG (A) und der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 (erster und zweiter Fall) und Abs 3 SMG (B) sowie mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (C) schuldig erkannt.
Danach hat er ab der ersten Jahreshälfte 2009 bis zu seiner Verhaftung am 14. September 2010 im Raum Innsbruck teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Youssef B***** und Mohammed A***** als Mittäter (A, B, C), teils als Alleintäter
(A) vorschriftswidrig insgesamt 10 Gramm Heroin unbestimmten Reinheitsgehalts, 154 Gramm Kokain (46,2 Gramm Reinsubstanz) und 1.268,5 Gramm Cannabisprodukte (101,48 Gramm Reinsubstanz Delta-9-THC), somit Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge in vielfachen Angriffen im Urteil teils namentlich genannten Personen gewinnbringend überlassen, wobei er die Taten ab März 2010 als Mitglied einer mit den Genannten gebildeten kriminellen Vereinigung beging, gewerbsmäßig handelte und bereits einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden war;
(B) als Mitglied der bezeichneten kriminellen Vereinigung 1.104 Gramm Cannabisprodukte (88,3 Gramm Reinsubstanz Delta-9-THC), sohin Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz, dass diese in Verkehr gesetzt werden, von Unbekannten erworben und in einem „Bunker“ versteckt und somit besessen;
(C) „unerhobene, zumindest aber die unter A) angeführten Mengen an Suchtgift“ erworben und besessen.
Der (inhaltlich ausschließlich gegen die Schuldsprüche A und B) aus den Gründen der Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Die Mängelrüge sagt nicht, weshalb die als offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) kritisierte Begründung festgestellter Tatsachen, die rechtlich für die Annahme der Begehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung entscheidend sind (US 11 f) Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungssätzen (vgl RIS-Justiz RS0118317) widersprechen soll. Gleiches gilt für den Einwand gegen die Erwägungen zur Feststellung zu gewerbsmäßiger Begehung in Bezug auf das Überlassen die Grenzmenge (§ 28b SMG) (mehrfach) übersteigender Suchgiftquanten (US 8 f iVm US 10 und 21).
Die Verwendung des Begriffs „große Menge“ (US 8) ist keineswegs undeutlich (Z 5 erster Fall), weil im Zusammenhang wiederholt unmissverständlich auf das (mehrfache) Überschreiten der Grenzmenge (§ 28b SMG) hingewiesen wird. Im Übrigen vermag die Rüge nicht darzulegen, weshalb es - trotz des festgestellten Vorsatzes in Bezug auf den durch das kontinuierliche Überlassen von Suchtgift eingetretenen Additionseffekt - für die Subsumtion nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG erforderlich sein sollte, dass sich die Absicht auf das wiederkehrende Überlassen jeweils (also im Einzelfall) die Grenzmenge übersteigender Suchtgiftquanten richtet (vgl RIS-Justiz RS0124018, RS0117463).
Dem Beschwerdeführer liegt nach dem Urteilsinhalt zur Last, die zum Schuldspruch A angeführten Taten zunächst allein, ab März 2010 als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begangen zu haben, wobei er - ganz im Sinn des festgestellten (US 7) arbeitsteiligen Vorgehens (vgl § 278 Abs 2 StGB) - einige Suchtgift-Übergaben alleine, andere gemeinsam mit den übrigen Mitgliedern der Vereinigung durchgeführt hat. Was daran undeutlich (Z 5 erster Fall) oder gar „denkunmöglich“ (womit allenfalls Z 5 vierter Fall gemeint sein könnte) sein soll, sagt die Mängelrüge nicht.
Die Behauptung, der Suchtgiftabnehmer Karim F***** habe sich zum Zeitpunkt des zum Schuldspruch A/3/b gegenständlichen Suchtgiftverkaufs in Haft befunden, geht schon mangels Bezugnahme auf konkrete, vom Erstgericht angeblich mit Stillschweigen übergangene Verfahrensergebnisse (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) ins Leere und steht übrigens im Widerspruch zu den eindeutigen Depositionen dieses Zeugen, wonach er das Suchtgift etwa sechs Monate vor seiner Festnahme gekauft habe (ON 337 S 20 iVm ON 288 S 203).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich darin, die Argumente der Mängelrüge zu wiederholen und verfehlt die gebotene Bezugnahme auf konkrete, aktenkundige Beweismittel (RIS-Justiz RS0119310, RS0117961 und RS0117446).
Dass der Beschwerdeführer als Mitglied einer kriminellen Vereinigung gehandelt hat, deren Zweck auf die längerfristige Begehung von Verbrechen (nach dem SMG) ausgerichtet war, ist den Entscheidungsgründen in ihrer Gesamtheit (US 7, 19 und 22) sehr wohl zu entnehmen; dies ignoriert die insofern einen „sekundären Feststellungsmangel“ (ersichtlich gemeint: Rechtsfehler mangels Feststellungen, vgl 13 Os 24/08s) - reklamierende Subsumtionsrüge (Z 10, nominell Z 9 lit a) ebenso wie die Konstatierungen zur Gewerbsmäßigkeit (US 8 f).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285d Abs 1 StPO) sofort zurückzuweisen.
Aus ihrem Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil mehrfach nicht geltend gemachte Nichtigkeit (Z 9 lit a und Z 11) anhaftet, die von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
Erwirbt und besitzt ein Täter Suchtgift, werden dadurch verwirklichte Vergehen nach § 27 Abs 1 Z 1 SMG durch sodann in Bezug auf dieselbe Suchtgiftmenge begangene Verbrechen nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (A) als stillschweigend subsidiär verdrängt (RIS-Justiz RS0126213; eingehend insbesondere: 13 Os 45/11h). Vorliegend betrifft der Schuldspruch C nach den Feststellungen „die unter A) angeführten Mengen und Arten an Suchtgift“ (US 9), nach dem Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) übrigens „zumindest“ diese Mengen (US 4). Der Urteilssachverhalt trägt daher die Annahme echt konkurrierender Vergehen nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG nicht.
Dies zieht die Aufhebung des davon betroffenen Schuldspruchs C, demgemäß auch des Strafausspruchs sowie des von diesem abhängigen (RIS-Justiz RS0101886) Beschlusses auf Widerruf einer bedingten Entlassung nach sich.
Darauf waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte mit ihren Berufungen, Letzterer auch mit seiner Beschwerde zu verweisen.
Der Verfallsausspruch hinsichtlich des beim Beschwerdeführer sichergestellten Bargeldbetrags (dessen Berechnung zudem unklar bleibt [vgl US 25]) lässt unberücksichtigt, dass die Verfallsbestimmungen des StGB mit Inkrafttreten am 1. Jänner 2011 - also vor dem Urteilszeitpunkt, jedoch nach Vollendung der abgeurteilten Taten (vgl US 2) - grundlegend geändert wurden. Der Beschwerdeführer darf durch die Anwendung der Neufassung nicht schlechter gestellt werden als nach der zur Tatzeit geltenden Rechtslage (§ 1 Abs 2 StGB). Diese sah als vergleichbare vermögensrechtliche Anordnung die - nach dem so genannten Nettoprinzip zu berechnende - Abschöpfung der Bereicherung vor (§ 20 StGB aF), von der abzusehen war, soweit die Zahlung des Geldbetrags das Fortkommen des Bereicherten unverhältnismäßig erschweren oder ihn unbillig hart treffen würde, insbesondere weil die Bereicherung im Zeitpunkt der Anordnung nicht mehr vorhanden ist, wobei aus einer Verurteilung erwachsende andere nachteilige Folgen zu berücksichtigen waren (§ 20a Abs 2 Z 3 StGB aF). Diesbezügliche Erwägungen sind der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen (RIS-Justiz RS0119545 und erneut 13 Os 45/11h).
Schließlich fehlt es hinsichtlich des Ausspruchs über die Einziehung nicht näher bezeichneter „Suchtgiftutensilien“ an Urteilsannahmen zur Beurteilung der von § 26 Abs 1 StGB (§ 19a StGB kommt mit Blick auf dessen Inkrafttreten mit 1. Jänner 2011 vorliegend als Grundlage nicht in Betracht) als Voraussetzung einer Einziehung genannten, besonderen Beschaffenheit der Gegenstände (RIS-Justiz RS0121298).
Verfalls- und Einziehungserkenntnis, soweit dieses „Suchtgiftutensilien“ betrifft, waren daher ebenfalls zu kassieren.
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO; sie bezieht sich nicht auf das amtswegige Vorgehen (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12).
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