OGH 13Os16/18d

OGH13Os16/18d27.6.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2018 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sonja G***** wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB, AZ 17 U 211/16k des Bezirksgerichts Klagenfurt, über die von der Generalprokuratur gegen die Verlesung des Protokolls über die Vernehmung des Zeugen Markus K***** in der am 19. Dezember 2016 durchgeführten Hauptverhandlung (ON 19) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes sowie über den Antrag der Verurteilten auf Erneuerung des Strafverfahrens nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Janda, und des Verteidigers Dr. Subarsky zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00016.18D.0627.000

 

Spruch:

In der Strafsache AZ 17 U 211/16k des Bezirksgerichts Klagenfurt verletzt die Verlesung des Protokolls über die Vernehmung des Zeugen Markus K***** (ON 16 S 3 bis 5) in der am 19. Dezember 2016 durchgeführten Hauptverhandlung (ON 19) § 252 Abs 1 StPO iVm § 447 StPO.

Das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 19. Dezember 2016 (ON 20) wird aufgehoben und es wird eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Bezirksgericht Klagenfurt verwiesen.

Die Verurteilte wird mit ihrem Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens auf diese Entscheidung verwiesen.

Gründe:

Im Verfahren AZ 17 U 211/16k des Bezirksgerichts Klagenfurt lastete die Staatsanwaltschaft Sonja G***** mit Strafantrag vom 8. Juli 2016 (ON 4) eine Tat an, die sie als Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB subsumierte (§ 211 Abs 1 Z 2 StPO iVm § 451 Abs 1 StPO).

Die hierüber am 13. Oktober 2016 – gemäß § 427 Abs 1 StPO in Abwesenheit der Angeklagten – durchgeführte Hauptverhandlung wurde nach Vernehmung des Zeugen Markus K***** vertagt (ON 16 S 5).

Da die Angeklagte auch der neuerlichen ordnungsgemäßen Ladung (ON 1 S 3) nicht Folge leistete, wurde die Hauptverhandlung am 19. Dezember 2016 erneut in ihrer Abwesenheit durchgeführt. Dabei verlas die Einzelrichterin unter anderem die ON 16 (ON 19 S 3), also auch das Protokoll über die Vernehmung des Zeugen Markus K***** (ON 16 S 3 bis 5).

Mit Abwesenheitsurteil vom 19. Dezember 2016 (ON 20) erkannte das Bezirksgericht Klagenfurt die Angeklagte des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB schuldig und verhängte über sie hiefür eine Geldstrafe.

Die gegen dieses Urteil ergriffene Berufung der Angeklagten (ON 21) wies das Landesgericht Klagenfurt mit Beschluss vom 27. April 2017 gemäß § 470 Z 1 StPO zufolge verspäteter Anmeldung als unzulässig zurück (ON 30). Den gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Berufung von der Angeklagten erhobenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (ON 32) wies das Landesgericht Klagenfurt mit Beschluss vom 2. August 2017 ab (ON 38), die dagegen gerichtete Beschwerde (ON 39) wies das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 26. September 2017 zurück (ON 42).

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes (§ 23 StPO) zutreffend ausführt, steht die in der Hauptverhandlung vom 19. Dezember 2016 vorgenommene Verlesung des Protokolls über die Vernehmung des Zeugen Markus K***** mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Am 19. Dezember 2016 waren seit der am 13. Oktober 2016 erfolgten Vertagung der Hauptverhandlung (ON 16 S 5) mehr als zwei Monate verstrichen. Nach ständiger Judikatur und herrschender Lehre ist die Neudurchführung der Hauptverhandlung im Sinn des zweiten Satzes des § 276a StPO nicht von einem richterlichen Formalakt abhängig, sondern anhand der Hauptverhandlungsprotokolle zu beurteilen (11 Os 80/14w, SSt 2014/48; RIS‑Justiz RS0099052; Danek/Mann , WK‑StPO § 276a Rz 3). Hievon ausgehend wurde die Hauptverhandlung am 19. Dezember 2016 (ON 19) neu durchgeführt.

Die in der neu durchgeführten Hauptverhandlung vorgenommene Verlesung des Protokolls über die Aussage des Zeugen Markus K***** war unzulässig, weil nach der Aktenlage keiner der – gemäß § 447 StPO auch im bezirksgerichtlichen Verfahren geltenden – Verlesungstatbestände des § 252 Abs 1 StPO erfüllt war.

Insbesondere konnte aus dem Nichterscheinen der gesetzeskonform geladenen Angeklagten zur Hauptverhandlung ihr Einverständnis über die Verlesung (§ 252 Abs 1 Z 4 StPO) nicht abgeleitet werden (12 Os 91/02, SSt 64/71; RIS‑Justiz RS0099242 [T7] und RS0117012, jüngst 14 Os 112/17b).

Da nicht auszuschließen ist, dass die gesetzwidrige Verlesung der Aussage des Zeugen Markus K***** zum Nachteil der Verurteilten wirkt (vgl insoweit im Übrigen ON 20 S 3), sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, die Feststellung der Gesetzesverletzung wie aus dem Spruch ersichtlich mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).

Vom solcherart aufgehobenen Urteil rechtslogisch abhängige Entscheidungen und Verfügungen gelten gleichfalls als beseitigt (RIS‑Justiz RS0100444).

Mit ihrem auf das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 19. Dezember 2016 (ON 20) sowie die Beschlüsse des Landesgerichts Klagenfurt vom 27. April 2017 (ON 30) und vom 2. August 2017 (ON 38) und des Oberlandesgerichts Graz vom 26. September 2017 (ON 42) bezogenen Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens war die Verurteilte somit insgesamt auf die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu verweisen.

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