Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch III. wegen des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB - ersatzlos - sowie im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO erkannt:
Für die unberührt gebliebenen Schuldsprüche wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB (I.) und wegen der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB (II.) der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (IV.) und der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (V.) wird Eveline W***** nach dem ersten Strafsatz des § 130 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu zwölf Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld zurückgewiesen. Mit ihrer Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Der Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Angeklagte Eveline W***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB (I.), der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB (II.) und nach § 241e Abs 3 StGB (III.) sowie der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 (erster Satz) StGB (IV.) und der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (V.) schuldig erkannt.
Danach hat sie (am 29. Juni 2004 in Linz)
I. gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar
- 1. Bargeld in Höhe von 108 Euro der Michaela S*****;
- 2. Bargeld in Höhe von 300 Euro dem Dirk S***** durch Bankomatbehebung;
II. sich unbare Zahlungsmittel, über die sie nicht verfügen durfte, nämlich die Bankomatkarten der Michaela S***** und des Dirk S***** mit dem Vorsatz verschafft, dass sie durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werde;
III. unbare Zahlungsmittel, über die sie nicht verfügen durfte, nämlich die Bankomatkarten des Dirk S***** und der Michaela S***** mit dem Vorsatz, deren Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, unterdrückt;
IV. Urkunden, über die sie nicht verfügen durfte, nämlich den Erste-Hilfe-Ausweis, die Versicherungskarte und den Blutgruppenausweis der Michaela S***** sowie die Versicherungskarten des Fabian und Thomas S***** mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis von Tatsachen und Rechten gebraucht werden;
V. Michaela S***** dadurch geschädigt, dass sie eine fremde bewegliche Sache, nämlich die Geldbörse der Genannten, aus deren Gewahrsam dauernd entzog, ohne die Sache sich anzueignen. Mit Mängel- und Tatsachenrüge bekämpft die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten zum Schuldspruch I. die Qualifikation nach § 130 erster Fall StGB, mit Rechtsrüge den Schuldspruch III. (§ 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO).
Nach dem Vorbringen der Mängelrüge sei die Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung mit dem Hinweis auf Vorleben und Tatverhalten offenbar unzureichend begründet, wie auch die Meinung des Erstgerichtes, dass das Geständnis der Angeklagten die gewerbsmäßige Begehung indizieren solle. Die Angeklagte habe sich nämlich voll geständig verantwortet, der Anklageschrift sei jedoch ein derartiger Vorwurf nicht zu entnehmen.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen der Beschwerde ist jedoch mit den Argumenten des Tatverhaltens, des Vorlebens und des ebenfalls der Beweiswürdigung unterliegenden vollen Geständnisses der Angeklagten (der die Anklageschrift sehr wohl gewerbsmäßige Begehung anlastet) und der Diebstahlsbegehung durch die vielfach einschlägig vorbestrafte Angeklagte während eines kurzen Haftausganges die Annahme gewerbsmäßigen Vorgehens keineswegs offenbar unzureichend geblieben. Mit dem Verweis auf die Ausführungen der Mängelrüge und dem Vorbringen, dass lediglich ein einziges Vermögensdelikt zur Anklage gekommen sei (was dem Inhalt des Schuldspruchs widerspricht) und der Meinung, die Tatbegehung während eines Ausganges spreche gegen die Absicht, sich durch wiederholte Begehung eine laufende Einnahme zu verschaffen, vermag keine aus sich den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften entscheidenden Tatsache zugrunde liegenden Feststellungen zu erwecken. Insoweit war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.
Sie ist jedoch im Recht, soweit sie mit der Rechtsrüge den Schuldspruch III. bekämpft.
Bankomatkarten fallen seit dem 1. Mai 2004, an welchem Tag das Strafrechtsänderungsgesetz 2004, BGBl I 15/2004, in Kraft getreten ist, unter den in § 74 Abs 1 Z 10 StGB verankerten Begriff der unbaren Zahlungsmittel und sind daher Tatobjekt des neu geschaffenen § 241e StGB (15 Os 114/04).
Nach dessen Abs 1 ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen, wer sich ein unbares Zahlungsmittel, über das er nicht oder nicht allein verfügen darf, mit dem (erweiterten) Vorsatz verschafft, entweder sich (oder einen Dritten) durch dessen Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig zu bereichern (erster Satz) oder sich (oder einem anderen) eine Fälschung unbarer Zahlungsmittel (§ 241a StGB) zu ermöglichen (zweiter Satz). Beide Fälle einer Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB stellen somit (strafbare) Vorbereitungshandlungen dar, deren eigenständiger Deliktsunwert auch im Fall einer der Entfremdung zeitlich nachfolgenden Begehung eines Vermögensdeliktes unter Benützung des unbaren Zahlungsmittels oder einer Fälschung eines unbaren Zahlungsmittels nach § 241a StGB, je durch denselben Täter, fortbesteht (keine stillschweigende Subsidiarität, vgl hiezu Ratz in WK2 Vorbem §§ 28 - 31 Rz 44, sowie Schroll in WK2 § 241e Rz 26 und 31 [in Druck]). Diese Annahme echter (ungleichartiger) Konkurrenz des Vergehens nach § 214e Abs 1 StGB zu später - allenfalls auch von demselben Täter - begangenen Vermögensdelikten liegt auch in der Unterschiedlichkeit der geschützten Rechtsgüter begründet, weil die Entfremdung eines unbaren Zahlungsmittels einen Angriff auf die Sicherheit des Rechts- und Zahlungsverkehrs mit unbaren Zahlungsmitteln darstellt, während die spätere missbräuchliche Verwendung dieses Zahlungsmittels gegen fremdes Vermögen gerichtet ist (RV 309 BlgNR XXII. GP, 14 f).
Lediglich zur Klarstellung wird daher vermerkt, dass auf Grundlage der Feststellung, wonach die Angeklagte W***** bei Wegnahme der Geldbörse sich auch die darin enthaltenen beiden Bankomatkarten der Michaela S***** und des Dirk S***** mit dem Vorsatz verschafft hat, sich durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig zu bereichern und wonach sie dann auch tatsächlich „beim Bankomaten zum Nachteil des Dirk S***** (ersichtlich unter Verwendung seiner Bankomatkarte) 300 Euro behoben hat", im Schuldspruch zu Recht ein (echt realkonkurrierendes) Zusammentreffen der strafbaren Handlungen nach § 241e Abs 1 (erster Satz) StGB (II.) und nach § 127 StGB [I.)2.)] angenommen wurde.
Der - § 229 Abs 1 StGB entsprechende, wie dieser mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedrohte - Deliktsfall des § 241e Abs 3 StGB (Abs 2 leg. cit. enthält lediglich zwei unselbständige Deliktsqualifikationen zu den Grundtatbeständen des Abs 1) soll hingegen jene Fälle der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel abdecken, in denen der Vorsatz zwar nicht die besonderen Zweckbestimmungen des Abs 1 leg cit umfasst, aber darauf gerichtet ist, die Verwendung des unbaren Zahlungsmittels (durch den Inhaber) im Rechtsverkehr durch Vernichtung, Beschädigung oder Unterdrückung des Zahlungsmittels zu verhindern. Dazu wurde § 241e Abs 3 StGB vom Gesetzgeber bewusst als Auffangtatbestand zur Vermeidung allfälliger Strafbarkeitslücken eingefügt, zumal eine Subsumtion dieser Tathandlungen in Bezug auf solche unbare Zahlungsmittel, welchen bis zum Inkrafttreten des Strafrechtsänderungsgesetzes 2004 Urkundenqualität zuerkannt wurde, (auch) unter § 229 Abs 1 StGB nach Einfügung der besonderen Bestimmungen der §§ 241a ff StGB nicht in Betracht kommt (RV aaO 17). Die gesetzlichen Tatbestände nach § 241e Abs 1 erster Fall StGB und nach Abs 3 leg cit stehen zueinander im Verhältnis der Exklusivität (vgl hiezu Ratz, WK2 Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 3 ff). Denn auf Grund der in beiden Tatbeständen enthaltenen widerstreitenden Merkmale in Bezug auf die subjektive Tatseite (Vorsatz auf - missbräuchliche - Verwendung des unbaren Zahlungsmittels im Rechtsverkehr zwecks unrechtmäßiger Bereicherung in Abs 1 gegenüber Vorsatz auf Verhinderung durch Vernichtung, Beschädigung oder Unterdrückung ihrer Verwendung im Rechtsverkehr in Abs 3) ist begrifflich unmöglich, dass ein Täter in Bezug auf ein entfremdetes unbares Zahlungsmittel zur selben Zeit die in diesen Bestimmungen enthaltenen unterschiedlichen Vorsatzrichtungen entwickelt.
Begrifflich möglich ist jedoch eine Fallgestaltung, bei der vom Täter in einem Zugriff mehrere unbare Zahlungsmittel entfremdet werden und sein Vorsatz von vorne herein in Ansehung einzelner dieser Zahlungsmittel auf die Zweckbestimmung des § 241e Abs 1 erster und zweiter Fall StGB und in Ansehung der restlichen Zahlungsmittel auf die Zweckbestimmung des Abs 3 leg cit gerichtet ist. Für ein Begriffsverständnis als Gesamtmenge der durch eine Tat erfassten Gegenstände besteht im Fall des § 241e StGB - ebenso wie im Fall des § 229 Abs 1 StGB (vgl 15 Os 176/03, 13 Os 92/04) - keine Grundlage. Werden durch ein und dieselbe Tat mehrere unbare Zahlungsmittel entfremdet, liegen daher ebenso viele (strafrechtlich gegebenenfalls unterschiedlich zu beurteilende) Vergehen nach § 241e Abs 1 erster oder zweiter Fall oder Abs 3 StGB vor.
Ebenso ist jedoch denkmöglich, dass der Täter seinen Vorsatz in Bezug auf das von ihm entfremdete unbare Zahlungsmittel ändert, etwa indem er eine Bankomatkarte, die er sich ursprünglich mit dem Vorsatz verschafft hat, sich durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig zu bereichern, in weiterer Folge (allenfalls nach Umsetzung dieses ersten Vorsatzes) nur mehr mit dem Vorsatz behält (unterdrückt), deren Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern. Von einer derartigen Annahme eines vorerst auf die Zweckbestimmung des § 241e Abs 1 erster Fall StGB ausgerichteten, nachträglich aber in Richtung des Abs 3 leg cit geänderten Tätervorsatzes ist ersichtlich das Erstgericht ausgegangen.
Dieser Sachverhalt könnte (als Fall einer ungleichartigen Realkonkurrenz) zwar beiden Gesetzesbestimmungen (§ 214e Abs 1 erster Satz und Abs 3 StGB) subsumiert werden, doch wird der Tatunwert bereits durch eine Verurteilung nach § 241e Abs 1 erster Satz StGB vollständig abgedeckt. Denn die unter § 241e Abs 3 StGB fallende Tathandlung richtet sich gegen dasselbe Rechtsgut (Sicherheit des Rechts- und Zahlungsverkehrs mit unbaren Zahlungsmitteln) und bewirkt keinen über die (mit strengerer Strafe bedrohte) Haupttat (§ 241e Abs 1 erster Fall StGB, vgl WK2 Vorbem §§ 28 - 31 Rz 66 [2. Alternative]) hinausreichenden Schaden. Bei einer derartigen Sachverhaltskonstellation ist ein unter § 241e Abs 3 StGB subsumiertes Tatverhalten lediglich mitbestrafte Nachtat einer als Vergehen nach § 241e Abs 1 StGB subsumierbaren (Haupt-)Tat, wird somit als Fall der Scheinkonkurrenz infolge Konsumtion durch den Schuldspruch nach § 241e Abs 1 StGB verdrängt.
Demzufolge ist im Hinblick auf den (auf Grundlage der vorliegenden Feststellungen rechtsrichtig erfolgten) Schuldspruch der Angeklagten Eveline W***** zu II. (wegen § 241e Abs 1 erster Fall StGB) jener zu III. (wegen § 241e Abs 3 StGB) verfehlt und war daher - so auch die Ansicht der Generalprokuratur - in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde (ersatzlos) aufzuheben, was auch die Aufhebung des Strafausspruchs zur Folge hat.
Bei der Neubemessung der Strafe war erschwerend die Vielzahl der einschlägigen Vorstrafen das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehrerer Vergehen und die Tatbegehung während des Ausgangs der Strafhaft; mildernd waren das Geständnis und die Schadensgutmachung. Unter weiterer Berücksichtigung der allgemeinen Strafzumessungsgründe des § 32 StGB entspricht eine zwölfmonatige Freiheitsstrafe der personalen Täterschuld und dem sozialen Störwert der Taten. Mit ihrer Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe war die Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen.
Ihre Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld war zurückzuweisen, weil ein solches Rechtsmittel gegen kollegialgerichtliche Urteile nicht vorgesehen ist (§§ 280, 283 Abs 1 StPO).
Bleibt anzumerken, dass dem Erstgericht ein weiterer, indes unbekämpft gebliebener Rechtsfehler unterlaufen ist, als der Schuldspruch wegen Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 StGB (IV.) auch die Unterdrückung von drei „Versicherungskarten" (zu ergänzen: der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse, S 36) anlastet. Die vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger ausgestellten und von den Versicherungsträgern an die Versicherten ausgegebenen (Sozial-)Versicherungskarten sind jedoch nicht als Urkunde iSd § 74 Abs 1 Z 7 StGB zu beurteilen. Deren Unterdrücken vermag daher den objektiven Tatbestand des § 229 Abs 1 StGB nicht zu erfüllen (JBl 1984, 566 = EvBl 1984/144; SSt 56/25; 13 Os 40/90, 15 Os 176/03). Der Schuldspruch der Angeklagten wegen des Vergehens (richtig: der Vergehen, nochmals 15 Os 176/03, 13 Os 92/04) der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB wird jedoch durch das der Angeklagten in Punkt IV. des Schuldspruches angelastete Unterdrücken eines Erste-Hilfe-Ausweises sowie einen Blutgruppenausweises, denen Urkundenqualität zukommt, gedeckt, sodass fallbezogen ein Nachteil für die Angeklagte nicht zu erkennen ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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