European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00014.24V.0424.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
In der Strafsache AZ 74 Hv 25/17p des Landesgerichts für Strafsachen Wien verletzt das Urteil dieses Gerichts vom 28. Juni 2017 (ON 47) § 241e Abs 1 erster Satz StGB.
Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch wegen mehrerer Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 erster Satz StGB (III), demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), aufgehoben und es wird im Umfang der Aufhebung des Schuldspruchs in der Sache selbst erkannt:
* P* wird gemäß § 259 Z 3 StPO vom Vorwurf freigesprochen, er habe sich in W* unbare Zahlungsmittel, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz verschafft, dass er durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werde, und zwar vor dem 30. November 2016 die Kreditkarte des * S* und am 10. November 2016 die Bankomatkarte der * B*.
Zur Strafneubemessung für die * P* nach dem unberührt bleibenden Schuldspruch weiterhin zur Last liegenden strafbaren Handlungen, nämlich das Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 zweiter Fall und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB (II) und die Vergehen des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 Abs 1 erster Fall StGB (I), der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (IV) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (V), wird die Erneuerung des Verfahrens durch das Landesgericht für Strafsachen Wien angeordnet.
Gründe:
[1] Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 28. Juni 2017 (ON 47) wurde * P* jeweils eines Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 Abs 1 (zu ergänzen) erster Fall StGB (I) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (IV), des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 zweiter Fall und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB (II) und jeweils mehrerer Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 (zu ergänzen) erster Satz StGB (III) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (V) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er (soweit hier von Bedeutung)
(II) Angestellte diverser Unternehmen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in gewerbsmäßiger Absicht (§ 70 StGB) unter Benützung entfremdeter unbarer Zahlungsmittel durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet und zu verleiten versucht, die die betreffenden Unternehmen in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten oder schädigen hätten sollen, und zwar
1) am 10. November 2016 unter Verwendung der zu III b genannten Bankomatkarte der * B* und
2) vom 30. November 2016 bis zum 20. Dezember 2016 unter Verwendung der zu III a genannten Kreditkarte des * S*, weiters
(III) sich unbare Zahlungsmittel, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz verschafft, dass er durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werde, und zwar
a) vor dem 30. November 2016 die Kreditkarte des * S* und
b) am 10. November 2016 die Bankomatkarte der * B*, sowie
(V) Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, und zwar am 25. Dezember 2016 zwei Kennzeichentafeln sowie am 30. September 2016 und vor dem 25. Dezember 2016 insgesamt 204 Telefonwertkarten.
Rechtliche Beurteilung
[3] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht das Urteil in seinem Schuldspruch wegen mehrerer Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 erster Satz StGB (III) mit dem Gesetz nicht im Einklang.
[4] Durch die nachfolgende (betrügerische) Benützung der vom Verurteilten zuvor entfremdeten unbaren Zahlungsmittel im unbaren Zahlungsverkehr (II 1 und 2) wurde nach den hiezu getroffenen Feststellungen (US 8 f) der deliktsspezifische vorgelagerte Bereicherungsvorsatz im Sinn des § 241e Abs 1 erster Satz StGB umgesetzt. Mit der Strafbarkeit nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB wird das zur Vorbereitung dieser (qualifizierten) Tat verwirklichte Vergehen nach § 241e Abs 1 erster Satz StGB infolge stillschweigender Subsidiarität verdrängt (RIS‑Justiz RS0119780 [ab T1] und RS0120530) und hätte somit nicht angelastet werden dürfen.
[5] Da die aufgezeigte Gesetzesverletzung zum Nachteil des Verurteilten wirkt (Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 23), sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung wie aus dem Spruch ersichtlich mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).
[6] Hinzugefügt sei, dass Tatobjekt des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB jede einzelne Urkunde ist (RIS‑Justiz RS0118718). Demzufolge hat der Verurteilte (mit Blick auf die Anzahl der vom Schuldspruch V umfassten Tatobjekte) 206 Vergehen nach § 229 Abs 1 StGB und damit insgesamt (nach Aufhebung des Schuldspruchs III) nicht bloß „sieben“ (US 14), sondern 208 Vergehen verwirklicht.
[7] Ungeachtet dessen wird das prozessuale Verschlechterungsverbot (§ 293 Abs 3 StPO [RIS‑Justiz RS0115529]) zu beachten sein.
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