Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung und der Beschwerde gegen den Beschluss auf Widerruf einer bedingten Entlassung wird nicht Folge gegeben.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Herbert M***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (I) und des Vergehens der Störung der Totenruhe nach § 190 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.
Danach hat er am 7. Juni 2010 in Wien
(I) Kamil P***** durch drei gegen den Kopf gerichtete Schüsse aus einer Waffe vorsätzlich getötet und
(II) im Anschluss an die zu I beschriebene Tat den Leichnam des Kamil P***** durch Abtrennen der Extremitäten und Zersägen von Leichenteilen misshandelt.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 5, 6, 10a, 11 lit a, 12 und 13 des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Entgegen der Verfahrensrüge (Z 5) wurden durch die Abweisung (ON 142 S 15 f) des Antrags auf Verlesung eines Privatgutachtens (ON 142 S 13 f) Verteidigungsrechte nicht verletzt, weil solche Gutachten weder unter Abs 1 noch unter Abs 2 des § 252 StPO fallen (13 Os 151/08t; Hinterhofer, WK-StPO § 125 Rz 25; Kirchbacher, WK-StPO § 252 Rz 40).
Zum diesbezüglichen Einwand fehlender Waffengleichheit (Art 6 Abs 1 MRK) sei ergänzt, dass der Sachverständige Ing. DI Prof. Dr. Z***** keineswegs „vom Ankläger“, sondern vom Gericht beigezogen worden ist (ON 135 S 3, ON 142 S 35). Der Umstand, dass zuvor schon die Staatsanwaltschaft Wien als - im Übrigen wie das Gericht zur Objektivität verpflichtete (Art 90a B-VG, § 3 StPO) - Leiterin des Ermittlungsverfahrens (§ 20 Abs 1 StPO) den genannten Sachverständigen mit der Erstattung eines schriftlichen Gutachtens beauftragt hatte (ON 1 S 31), vermag hieran nichts zu ändern. Hinzu kommt, dass der Angeklagte gemäß § 249 Abs 3 erster Satz StPO zur Befragung eines Sachverständigen ohnedies eine Person mit besonderem Fachwissen beiziehen kann, der Beschwerdeführer von dieser Möglichkeit aber nicht Gebrauch gemacht hat.
Die Fragen an den Sachverständigen Ing. DI Prof. Dr. Z***** „gibt es eine Variante, die der Variante, wie sie der Angeklagte geschildert hat, ähnlich ist und die technisch möglich ist“ und „muss man die Handlung in geringem Ausmaß abwandeln, damit sie technisch nachvollziehbar ist, aus ihrer Sicht“ (ON 142 S 91) wies der Schwurgerichtshof - ungeachtet dessen, dass die Zulassung von Fragen primär in die Kompetenz des Vorsitzenden fällt (§ 249 Abs 2 StPO iVm § 302 Abs 1 StPO) - mit Recht zurück. Die Zulässigkeit von Fragen wird nämlich unter anderem durch die Prozessrolle der zu befragenden Person determiniert. In Bezug auf einen Sachverständigen bedeutet dies, dass nur solche Fragen zuzulassen sind, die sich auf dessen Befund oder Gutachten beziehen oder die dazu dienen, den Sachverständigen aus dem Blickwinkel seines Fachgebiets mit anderen Verfahrensergebnissen zu konfrontieren, wogegen die angeführten Fragen keinerlei Aktenbezug aufwiesen und auf das Anstellen bloßer Spekulationen gerichtet waren.
Entsprechendes gilt für die - ebenfalls zurückgewiesene (ON 142 S 101) - Frage „ist es möglich, wenn man annimmt der Widerstand war gering und vorausgesetzt der Angeklagte hat die Waffe von unten genommen, dass er auch die Waffe nach unten drückt“ (ON 142 S 99).
Ein weiterer Sachverständiger ist nach § 127 Abs 3 erster Satz StPO - soweit im gegebenen Zusammenhang bedeutsam - nur dann beizuziehen, wenn der Befund unbestimmt oder das Gutachten widersprüchlich oder sonst mangelhaft ist und sich die Bedenken nicht durch Befragung beseitigen lassen. Erachtet das Gericht - wie hier - diese Voraussetzungen als nicht gegeben, muss in einem auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen gerichteten Antrag (§ 55 Abs 1 StPO) fundiert dargetan werden, warum Befund oder Gutachten aus Sicht des Antragstellers dennoch im beschriebenen Sinn mangelhaft sein sollen (Hinterhofer, WK-StPO § 127 Rz 16).
Ein Befund ist unbestimmt, wenn die Erörterungen des Sachverständigen nicht verständlich oder nicht nachvollziehbar sind oder ihnen nicht zu entnehmen ist, welche Tatsachen der Sachverständige als erwiesen angenommen hat, wenn der Befund in sich widersprüchlich ist oder wenn er nicht erkennen lässt, aus welchen Gründen der Sachverständige zu den darin festgestellten Tatsachen kommt. Demgemäß kann der Befund im Sinn des § 127 Abs 3 erster Satz StPO nur aus sich selbst heraus, nicht aber durch den Vergleich mit einem eigenständig erhobenen Befund (zB jenem eines Privatgutachters) in Frage gestellt werden (15 Os 95/10z; Hinterhofer, WK-StPO § 127 Rz 19 bis 21).
Ein Gutachten ist dann (außer dem Fall der Widersprüchlichkeit) „sonst mangelhaft“ im Sinn des § 127 Abs 3 erster Satz StPO, wenn es unschlüssig, unklar oder unbegründet ist, den Gesetzen der Logik widerspricht oder nicht mit den gesicherten Erkenntnissen der Wissenschaft übereinstimmt (Hinterhofer, WK-StPO § 127 Rz 24 f).
Da der Beschwerdeführer in seinem Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens aus dem Bereich des Schießwesens (ON 142 S 109) Mängel der dargestellten Art in Befund oder Gutachten des Sachverständigen Ing. DI Prof. Dr. Z***** nicht substantiiert behauptete, wies der Schwurgerichtshof diesen Beweisantrag mit Recht ab (ON 142 S 113).
Das den Antrag ergänzende Beschwerdevorbringen hat aufgrund des hier geltenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen.
Der Einwand der Fragenrüge (Z 6), die Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes sei nicht darauf gerichtet gewesen, ob der Beschwerdeführer Kamil P***** „vorsätzlich“ getötet habe, entfernt sich von der Aktenlage (Beil ./C zu ON 142 S 1, vgl auch US 4).
Auf die in diesem Zusammenhang erhobene Beschwerde gegen den Angleichungsbeschluss vom 17. November 2011 (ON 158) wird im Rahmen der Beantwortung der Rechts- und der Subsumtionsrüge eingegangen werden.
Die in § 312 Abs 1 zweiter Satz StPO enthaltene Anordnung hinsichtlich der Entschädigungsansprüche betrifft die Individualisierung der Tat (vgl RIS-Justiz RS0100725), also deren hinreichende Abgrenzung im Tatsächlichen nach Ort, Zeit, Gegenstand und dergleichen (Schindler, WK-StPO § 312 Rz 24). Über diese Individualisierungsfunktion hinausgehende Aspekte privatrechtlicher Ansprüche können zu Gunsten des Angeklagten (nicht - wie hier - mit Nichtigkeitsbeschwerde, sondern) nur mit Berufung releviert werden (§ 283 Abs 1 und 4 StPO iVm § 344 StPO).
Der Beschwerde zuwider unterblieben eine Zusatzfrage nach dem Rechtfertigungsgrund der Notwehr (§ 3 StGB) und eine Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlags (§ 76 StGB) zu Recht. Beide hätten ein entsprechendes „Vorbringen“ von Tatsachen in der Hauptverhandlung, also Verfahrensergebnisse erfordert, die - wären sie im schöffengerichtlichen Verfahren vorgekommen - bei sonstiger Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO erörterungsbedürftig gewesen wären (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 42), was hier nicht der Fall war:
Es trifft zwar zu, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Hauptverhandlung mehrfach behauptete, vor der Tat von Kamil P***** mit einer Waffe bedroht worden zu sein, keineswegs verantwortete er sich hingegen dahin, Kamil P***** aufgrund eines gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriffs auf ein notwehrfähiges Gut vorsätzlich getötet zu haben. Nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 141, 142) sagte der Beschwerdeführer vielmehr (zusammengefasst) aus, die tödlichen Schüsse hätten sich aufgrund eines Handgemenges ohne ein bewusstes seinerseitiges Zutun gelöst (ON 141 S 27, 31, 33, 45, 59, 61). Die aus dieser Verantwortung ableitbaren Sachverhaltsvarianten, nämlich entweder ein Unfalltod oder eine fahrlässige Tötung mittels einer Schusswaffe, sind aber durch das Fragenschema, konkret durch die Möglichkeiten der ersatzlosen Verneinung der Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes (Beil ./C zu ON 142 S 1) und der Bejahung der Eventualfrage nach dem Vergehen der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen (Beil ./C zu ON 142 S 2), abgedeckt.
Der Umstand, dass der Sachverständige am Tatort eine Einschussspur im Boden befundet hat, indiziert - entgegen der Beschwerde - ebensowenig ein Handeln in Notwehr.
Nicht durch Verfahrensergebnisse indizierte, bloß abstrakt denkbare Möglichkeiten sind aber nicht Gegenstand der Fragestellung an die Geschworenen (RIS-Justiz RS0100420, RS0101072; Schindler, WK-StPO § 313 Rz 12 f).
Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass das Unterbleiben einer Zusatzfrage zur allfälligen Rechtfertigung des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen (Burgstaller, Das Fahrlässigkeitsdelikt im Strafrecht [1974] 151 f; Lewisch in WK² § 3 Rz 128) hier nicht geltend gemacht werden kann, weil die Beantwortung der diesbezüglichen Eventualfrage infolge Bejahung der Hauptfrage unterblieben ist (§ 345 Abs 3 StPO; 14 Os 41/02, SSt 64/90; 11 Os 143/04, SSt 2005/22).
Das Vorbringen zur vermissten Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlags entbehrt jeglicher Bezugnahme auf in der Hauptverhandlung Vorgekommenes.
Soweit die Tatsachenrüge (Z 10a) Verfahrensergebnisse aufzuzeigen sucht, die aus ihrer Sicht für die Annahme des Rechtfertigungsgrundes der Notwehr (§ 3 StGB) sprechen, genügt der Hinweis, dass den Geschworenen eine diesbezügliche Zusatzfrage gar nicht gestellt worden ist.
In Bezug auf die Kritik am Gutachten des Sachverständigen Ing. DI Prof. Dr. Z***** wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen zur Verfahrensrüge verwiesen.
Im Übrigen entwickelt die Beschwerde ihre Argumente nicht aus in der Hauptverhandlung Vorgekommenem (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 12).
Die Rechtsrüge (Z 11 lit a, nominell verfehlt auch Z 12), die hinsichtlich des Schuldspruchs wegen des Verbrechens des Mordes (I) einen fehlenden Ausspruch der Geschworenen zur subjektiven Tatseite einwendet, geht nicht vom Wahrspruch aus (ON 142 S 123 iVm Beil ./C zu ON 142 S 1) und verfehlt solcherart den im geschworenengerichtlichen Verfahren (auf der Tatsachenebene) gerade darin gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 613).
Allfällige Abweichungen der Wiedergabe des Wahrspruchs in der Urteilsausfertigung (§ 342 dritter Satz StPO) von dessen tatsächlichem Inhalt sind ohne Nichtigkeitsrelevanz (RIS-Justiz RS0101323; Philipp, WK-StPO § 342 Rz 6; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 613).
Es sei daher nur der Vollständigkeit halber festgehalten, dass das Erstgericht die Urteilsausfertigung insoweit ohnedies an den Wahrspruch anglich (US 4). Der Einwand, § 270 Abs 3 erster Satz StPO verbiete dies in Bezug auf die in § 260 Abs 1 Z 1 bis 3 und Abs 2 StPO erwähnten Punkte, trifft nicht zu, weil die Angleichung der Urteilsurschrift an das verkündete Urteil gerade keine Berichtigung im Sinn des § 270 Abs 3 StPO darstellt (Danek, WK-StPO § 270 Rz 56). Ergänzt sei, dass die Wiedergabe des Wahrspruchs in der Urteilsausfertigung keineswegs gleichzusetzen ist mit der in § 260 Abs 1 Z 1 StPO (iVm § 342 StPO) geregelten Tatbeschreibung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 613).
Da das Gericht an den verkündeten Wahrspruch der Geschworenen (§ 340 StPO) ebenso gebunden ist wie an den verkündeten Urteilsspruch, gilt insoweit auch für die Angleichung nichts anderes als für diesen (vgl Danek, WK-StPO § 270 Rz 56).
Der Oberste Gerichtshof hält demnach fest, dass die Angleichung der Urteilsausfertigung an Wahr- und Schuldspruch zu Recht erfolgte, womit auch die Beschwerde (ON 159) gegen den diesbezüglichen Beschluss der Vorsitzenden (ON 158) erledigt ist (RIS-Justiz RS0126057).
Aus Gründen der Vollständigkeit wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass auch eine (bloß) dem Text des § 75 StGB entsprechende Formulierung der betreffenden Frage an die Geschworenen (und demnach auch ein damit korrespondierender Wahrspruch) die erforderliche subjektive Tatseite unmissverständlich zum Ausdruck bringt, weil zufolge § 7 Abs 1 StGB nur vorsätzliches Handeln strafbar ist, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt (13 Os 22/06v, EvBl 2006/95, 510; vgl auch RIS-Justiz RS0089093 und RS0113270).
Indem die Sanktionsrüge (Z 13) die Sachverhaltsannahmen zu im Rahmen der Strafbemessung angewendeten Rechtsvorschriften bekämpft, verlässt sie den Anfechtungsrahmen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 692 f).
Dass die Rechtsansicht, das Nachtatverhalten sei im Rahmen der Strafbemessung niemals zu berücksichtigen, nicht zutrifft, zeigt schon der Vergleich mit den gesetzlich vorgesehenen besonderen Strafbemessungsgründen (§ 34 Abs 1 Z 14 bis 18 StGB).
Auch ist (in Bezug auf die Strafbemessung) das Beseitigen von Spuren nicht generell mit einer leugnenden Verantwortung gleichzusetzen, vielmehr insoweit stets auf die Besonderheiten des Einzelfalls abzustellen. So kann - wie hier vom Erstgericht angenommen - aus „Vernichten nahezu jeglicher Spuren durch Versenken der Leichenteile und der Tatwaffe in der Donau, akribischen Putzen und Ausmalen der Wohnung zwecks Beseitigung der Blut-/DNA-Spuren, Verbringung der Couch, in welcher sich ein Einschussloch befand; Diebstahl der Videoaufzeichnung“ (US 8) durchaus ein Rückschluss auf die Täterpersönlichkeit oder die Tatausführung gezogen werden, welche Parameter wiederum im Rahmen der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 Abs 2 und 3 StGB) zu berücksichtigen sind (vgl Ebner in WK² § 32 Rz 42).
In diesem Sinn sah auch die von der Generalprokuratur insoweit angeführte Entscheidung 15 Os 153/02 in der (ebenfalls bei der Strafbemessung infolge eines Schuldspruchs wegen des Verbrechens des Mordes vorgenommenen) aggravierenden Wertung des Verbringens der Leiche in eine Mülltonne nicht den Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 13 StPO als verwirklicht an, sondern ging im Rahmen der Entscheidung über die Berufung davon aus, dass das beschriebene Nachtatverhalten - einzelfallbezogen („unter den gegebenen Umständen“) - bei der Strafbemessung nicht zu veranschlagen sei.
Für eine Antragstellung auf Aufhebung des § 345 Abs 1 StPO beim Verfassungsgerichtshof besteht - wie der Oberste Gerichtshof erst jüngst wiederholt dargelegt hat (15 Os 181/09w; 12 Os 48/11t, EvBl 2011/121, 830) - keine Veranlassung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit zu verwerfen.
Das Geschworenengericht verhängte über Herbert M***** nach § 75 StGB die lebenslange Freiheitsstrafe (US 6) und wertete bei der Strafbemessung das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, vier auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafen, den „relativ“ raschen Rückfall und die Tatbegehung innerhalb offener Probezeit erschwerend, das Teilgeständnis als mildernd (US 7).
Die gegen den Strafausspruch erhobene Berufung des Angeklagten, die auf eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe zielt, ist nicht im Recht.
Die Berufung weist zwar zutreffend darauf hin, dass der Angeklagte gegen ihn gerichtete, von Kamil P***** ausgehende Drohungen geschildert (ON 141 S 25 f) und der Sachverständige Ing. DI Prof. Dr. Z***** eine Bedrohungssituation aufgrund des objektiven Spurenbildes aus schießtechnischer Sicht als wahrscheinlich bezeichnet hat (ON 142 S 35 iVm ON 103 S 73). Dafür, dass im - hier relevanten - Zeitpunkt der mit Tötungsvorsatz vorgenommenen Schussabgabe eine Konstellation vorgelegen sei, die einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahekam (§ 34 Abs 1 Z 11 StGB), lieferten diese Verfahrensergebnisse aber keine Anhaltspunkte.
Anders als das Erstgericht zieht der Oberste Gerichtshof - im Sinn der Berufung - aus dem Nachtatverhalten fallbezogen keine für die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB) bedeutsamen Rückschlüsse, weil die Täterpersönlichkeit (§ 32 Abs 2 StGB) des Angeklagten durch dessen Vorleben hinreichend beleuchtet ist und eine besonders sorgfältige Vorbereitung der Tat (§ 32 Abs 3 StGB) hier nicht in Rede steht.
Im Hinblick darauf, dass mehreren Erschwerungsgründen nur ein einziger Milderungsgrund gegenübersteht, dieser (nicht das Verbrechen des Mordes [I], sondern) bloß das Vergehen der Störung der Totenruhe (II) betrifft und der Angeklagte nur wenige Monate nach der bedingten Entlassung aus einer wegen des Verbrechens des Mordes erlittenen elfjährigen Freiheitsstrafe (ON 136) erneut vorsätzlich einen Menschen tötete, bleibt für eine Reduktion der vom Erstgericht ausgesprochenen lebenslangen Freiheitsstrafe aber ungeachtet dessen kein Raum.
Das Erstgericht erkannte den Angeklagten gemäß §§ 366 Abs 2, 369 Abs 1 StPO schuldig, der Mutter und der Schwester des Kamil P***** jeweils 500 Euro an Schmerzengeld zu zahlen (US 6).
Die gegen dieses Adhäsionserkenntnis gerichtete Berufung schlägt fehl.
Der Oberste Gerichtshof anerkennt in ständiger Rechtsprechung (bei grober Fahrlässigkeit oder - wie hier - Vorsatz) einen Anspruch auf Trauerschmerzengeld als Abgeltung des Seelenschmerzes über den Verlust naher Angehöriger, der zu keiner eigenen Gesundheitsschädigung im Sinn des § 1325 ABGB geführt hat, soweit zwischen den Angehörigen eine intensive Gefühlsgemeinschaft besteht (RIS-Justiz RS0115189). Da eine solche zwischen Eltern und Kind (soweit - wie hier - nicht Gegenteiliges bewiesen wird) stets zu vermuten ist (2 Ob 141/04f, JBl 2004, 792; 2 Ob 263/06z, ZVR 2007/239, 381), ist der Zuspruch von 500 Euro aus dem genannten Titel an die Mutter des Kamil P*****, Krystina U*****, keinesfalls zu beanstanden.
In Bezug auf die Schwester des Kamil P*****, Patrizia E*****, ist - da nach der Aktenlage keine gemeinsame Haushaltszugehörigkeit vorlag - der Grad der Gefühlsbeziehung zu prüfen (2 Ob 90/05g, SZ 2005/59). Ausgehend von den unwiderlegten Angaben der Patrizia E*****, wonach sie zu ihrem Bruder ein inniges Verhältnis unterhielt, ihn nach seiner Haftentlassung bei Behördenwegen unterstützte und ihm ihre Wohnung überließ (ON 8 S 73) sowie dem Umstand, dass sie der Tod ihres Bruders derart berührte, dass ihre diesbezügliche Vernehmung beendet werden musste (ON 8 S 75), ist eine Gefühlsbeziehung, die den vom Erstgericht vorgenommenen Zuspruch von 500 Euro an Trauerschmerzengeld rechtfertigt, hinreichend dargetan.
Gleichzeitig mit dem Urteil widerrief das Erstgericht die bedingte Entlassung aus einer - ebenfalls wegen des Verbrechens des Mordes verhängten - elfjährigen Freiheitsstrafe (US 7).
Die dagegen erhobene Beschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.
Der Umstand, dass der Vollzug eines Strafteils von rund zehn Jahren und zehn Monaten wegen des Verbrechens des Mordes (ON 6 in ON 137) den Angeklagten nicht von weiterer Delinquenz abzuhalten vermochte, er vielmehr nur wenige Monate nach der bedingten Entlassung neuerlich das Verbrechen des Mordes beging, indiziert geradezu zwingend, dass es aus spezialpräventiven Gründen unumgänglich ist, auch den Strafrest zu vollziehen (§ 53 Abs 1 erster Satz StGB).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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