European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00139.14M.0225.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das ‑ prozessual verfehlt, aber unschädlich (Lendl, WK-StPO § 259 Rz 1 f) ‑ auch einen (unbekämpft gebliebenen) Freispruch von dem Vorwurf enthält, das vom Schuldspruch (I./ und II./) erfasste Verhalten „öffentlich und unter Umständen“ vorgenommen zu haben, unter denen es „geeignet ist, durch unmittelbare Wahrnehmungen berechtigtes Ärgernis zu erregen“, wurde Michael F***** ‑ im zweiten Rechtsgang (vgl zum ersten 13 Os 45/13m) ‑ der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB idF BGBl I 2009/40 schuldig erkannt.
Danach hat er am 2. Oktober 2011 in Klagenfurt Sabrina Fr*****, die aufgrund einer schweren Berauschung, sohin einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, unfähig war, die Bedeutung der Vorgänge einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er
I./ an ihr eine geschlechtliche Handlung vornahm, indem er den Bereich ihrer Vagina berührte und mit seinem Finger in diese eindrang;
II./ von ihr an sich eine geschlechtliche Handlung vornehmen ließ, indem er ihr sein Glied in den Mund steckte und sich von ihr sowohl oral als auch mit der Hand befriedigen ließ, wobei er gleichzeitig an ihr eine geschlechtliche Handlung vornahm, indem er sie erneut im Bereich der Vagina berührte und seinen Finger in diese einführte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich die auf Z 4, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
In seinen Verteidigungsrechten verletzt (Z 4) glaubt sich der Beschwerdeführer durch die Abweisung seines in der Hauptverhandlung „zum Beweis für die Richtigkeit“ seiner Verantwortung, „insbesondere“, ihm sei „nicht erkennbar gewesen,“ dass sich Sabrina Fr***** „in einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung befunden habe“, gestellten Antrags auf „Ergänzung“ des Gutachtens des - zur Klärung der psychischen Verfassung des Opfers zur Tatzeit beigezogenen - Sachverständigen aus dem Fach der Neurologie und Psychiatrie „unter Einbeziehung der Urkunden ./1 und ./I sowie neuerliche Befundaufnahme der [genannten] Privatbeteiligten“ (ON 61 S 7; ON 62 S 5).
Der Antrag verfiel schon deshalb zu Recht der Ablehnung, weil es ihm an einer Begründung mangelt, weshalb die gewünschte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten ließe (§ 55 Abs 2 Z 2 StPO; RIS-Justiz RS0118444). Insbesondere legt er nicht dar, in welcher Hinsicht ein (angeblich) von Sabrina Fr***** stammender, sexuelle Erlebnisse beschreibender Text, der rund zwei Monate vor dem Tatgeschehen entstanden sei (Beilage ./1; vgl ON 58 S 11 oben, S 13 verso f), und ein - zu einem unbestimmten Zeitpunkt (angeblich) am Tatabend aufgenommenes, die Genannte und den Angeklagten zeigendes ‑ Lichtbild (Beilage ./I; vgl ON 61 S 5) eine Änderung der Einschätzung des Sachverständigen zum Ausmaß der beim Opfer (just) zur Tatzeit vorgelegenen Bewusstseinsstörung herbeizuführen - und die zur Frage der Wahrnehmbarkeit dieses Zustands für den Angeklagten anzustellende tatrichterliche Beweiswürdigung zu beeinflussen - geeignet gewesen wäre.
Das den Beweisantrag ergänzende Rechtsmittelvorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS-Justiz RS0099618, RS0099117).
Das Erstgericht stellte fest, der Angeklagte habe das vom Schuldspruch erfasste Verhalten in dem Bewusstsein gesetzt, dass Sabrina Fr***** diesen Handlungen ohne den - ihre „Einsichtsfähigkeit bzw. Fähigkeit, danach zu handeln,“ zumindest teilweise ausschließenden - Zustand „schwerer psychischer Beeinträchtigung“ nicht zugestimmt hätte (US 5; vgl Philipp in WK2 StGB § 205 Rz 11). Dies leitete es keineswegs nur aus dem Wesen des (zuvor nicht sexuellen, sondern rein freundschaftlichen) Verhältnisses dieser beiden Personen, sondern - von der Beschwerde vernachlässigt - auch aus dem in den Stunden vor der Tatbegehung gezeigten Verhalten des Opfers ab (US 7). Entgegen dem Einwand, er verstoße gegen „logische Denkgesetze“ (nominell Z 9 lit a, inhaltlich Z 5 vierter Fall), ist dieser Schluss unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden. Mit eigenständig entwickelten Spekulationen zur Motivationslage des Opfers und dem pauschalen Vorwurf „aktenwidriger Schlussfolgerungen“ wird lediglich ‑ im kollegialgericht-lichen Verfahren unzulässig ‑ die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld bekämpft.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst Feststellungen zu einem das Fehlen der Diskretions- oder der Dispositionsfähigkeit des Opfers umfassenden und auf die Vornahme geschlechtlicher Handlungen an einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person gerichteten Vorsatz des Angeklagten. Indem sie die (gar wohl getroffenen) Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (US 5) teils übergeht, teils beweiswürdigend durch eigene Auffassungen ersetzt, bringt sie den geltend gemachten (materiellen) Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 593).
Entgegen dem Vorbringen der Sanktionsrüge (Z 11 dritter Fall) bedeutet die Verhängung einer strengeren Strafe als im ersten Rechtsgang vorliegend keinen Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius (§§ 290 Abs 2, 293 Abs 3 StPO). Denn dieses gilt dann nicht, wenn die Staatsanwaltschaft ‑ wie hier ‑ gegen das erste, aufgrund einer (nur) zugunsten des Angeklagten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde kassierte Urteil eine (zulässige) Berufung zum Nachteil des Angeklagten erhoben hatte (RIS‑Justiz RS0100122, RS0100559, RS0100594).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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