European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0130OS00121.20Y.0607.000
Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dr. H***** und aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden werden
(I) das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt,
1) im Schuldspruch des Dr. H***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 156 Abs 1 StGB (IV), demzufolge auch im Strafausspruch, im Adhäsionserkenntnis und im Kostenausspruch jeweils betreffend diesen Angeklagten und
2) im Schuldspruch der Angeklagten Sandra M***** wegen des Vergehens des falschen Vermögensverzeichnisses nach § 292a StGB (I 2), demzufolge auch im Strafausspruch dieser Angeklagten sowie
(II) der zugleich ergangene Beschluss auf Widerruf einer der Angeklagten Sandra M***** gewährten bedingten Strafnachsicht
aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.
Mit ihrer auf den Schuldspruch IV bezogenen Nichtigkeitsbeschwerde wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft im Übrigen sowie jene der Angeklagten Mike Ma***** und Nico Ma***** werden zurückgewiesen.
Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte Dr. H***** und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Mike Ma***** und Nico Ma***** werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Den Angeklagten Mike Ma***** und Nico Ma***** fallen auch die durch ihre Nichtigkeitsbeschwerden verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden Sandra M***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB (I 1 a und b) und des Vergehens des falschen Vermögensverzeichnisses nach § 292a StGB (I 2), Mike Ma***** und Nico Ma***** jeweils des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 12 dritter Fall, 156 Abs 1 StGB (II und III) und Dr. Hermann H***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 156 Abs 1 StGB (IV) schuldig erkannt.
[2] Danach haben in I*****
(I) Sandra M*****
1) ihr Vermögen wirklich verringert und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen zumindest im Ausmaß von 222.700 Euro geschmälert, nämlich
a) um den 22. März 2017, indem sie im Urteil näher bezeichnete Anteile an der Liegenschaft EZ ***** KG ***** im Wert von zumindest 200.000 Euro im Zuge einer gemischten Schenkung für lediglich 69.000 Euro an ihre Söhne Mike Ma***** und Nico Ma***** übergab, und
b) vom 22. Februar 2017 bis zum 31. Dezember 2017, indem sie zumindest 91.700 Euro für Glücksspiel, Pferdewetten und nicht ihren Lebensverhältnissen entsprechende Auslandsurlaube aufwendete (US 31), sowie
2) am 20. August 2018 im Zuge des Exekutionsverfahrens zu AZ ***** des Bezirksgerichts Innsbruck vor dem Gerichtsvollzieher Gerhard S***** ein falsches oder unvollständiges Vermögensverzeichnis, „in welchem sie die Frage nach unentgeltlichen Verfügungen (Schenkungen) über Vermögenswerte an Dritte innerhalb der letzten 2 Jahre verneinte“, unterzeichnet und dadurch die Befriedigung wenigstens eines Gläubigers gefährdet,
(II) Mike Ma***** und (III) Nico Ma***** jeweils zu der unter I 1 a genannten strafbaren Handlung beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), indem sie die gemischte Schenkung der Liegenschaftsanteile im Wert von zumindest 200.000 Euro annahmen und hiefür (solidarisch) lediglich 69.000 Euro an Gegenleistung vereinbarten und übergaben, weiters
(IV) Dr. Hermann H***** vom 26. Mai 2017 bis zum 30. Mai 2017 Sandra M***** zu bestimmen versucht, ihr Vermögen durch Vereinbarung eines um jedenfalls 15.000 Euro überhöhten Pauschalhonorars von (weiteren) 144.000 Euro und Bezahlung des Betrags vom Treuhandkonto auf das Geschäftskonto der Dr. ***** GmbH um jedenfalls 15.000 Euro zu verringern und hiedurch die Befriedigung ihrer Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen zu vereiteln oder zu schmälern (US 27 ff).
[3] Hingegen wurde Dr. H***** gemäß § 259 Z 3 StPO von dem Vorwurf freigesprochen, er habe zu der unter I 1 b genannten strafbaren Handlung beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), indem er am 30. Mai 2017 den Betrag von 107.201,23 Euro vom Treuhandkonto auf das Konto der Sandra M***** überwies.
[4] Außerdem wurde Sandra M***** – zwar nicht förmlich im Urteilstenor, aber durch entsprechende Ausführungen in den Entscheidungsgründen (US 29; hiezu 13 Os 53/10h, EvBl 2011/34, 227 sowie RIS‑Justiz RS0116266 [insbesondere T9]) – von der Anklage freigesprochen, sie habe ihr Vermögen durch Vereinbarung eines Honorars von (weiteren) 144.000 Euro mit der Dr. H***** GmbH und Veranlassung der Zahlung des Betrags vom Treuhandkonto auf deren Geschäftskonto die Befriedigung ihrer Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen in diesem Betrag vereitelt oder geschmälert.
Rechtliche Beurteilung
[5] Dagegen richten sich die von den Angeklagten Mike Ma***** und Nico Ma***** gemeinsam ausgeführten, auf Z 5 und Z 5a, vom Angeklagten Dr. H***** auf Z 5, 5a, 8 und 9 lit a sowie von der Staatsanwaltschaft auf Z 5, 9 (gemeint) lit a und 10 jeweils des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden.
[6] Der letztgenannte Angeklagte bekämpft überdies mit Beschwerde den
Beschluss des Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 3. November 2020 (ON 142), mit dem sein Antrag auf Protokollberichtigung (ON 132) abgewiesen worden ist.
[7] Wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt, kommt nur der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dr. H***** Berechtigung zu.
[8] Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dr. H*****:
[9] Nach den hier wesentlichen Feststellungen vereinbarten Sandra M***** und Dr. H***** Ende Mai 2017, dass durch einen (weiteren) pauschalen Honorarbetrag von 120.000 Euro netto (144.000 Euro brutto) zusätzlich zu den bereits erfolgten Akontozahlungen von insgesamt 69.000 Euro sämtliche – in Zusammenhang mit der Vertretung im Verfahren AZ ***** des Landesgerichts Innsbruck wegen Erbschaftsklage mit einem Streitwert von 1.516.507,17 Euro samt Anhang (inklusive der Provisorialverfahren) und der Verteidigung im Strafverfahren AZ ***** der Staatsanwaltschaft Innsbruck – bereits angefallenen sowie alle zukünftigen anwaltlichen Leistungen der Dr. H***** GmbH (vgl aber die Definition des „Verteidigers“ in § 48 Abs 1 Z 5 StPO, RIS‑Justiz RS0116566) gegenüber Sandra M***** pauschal abgegolten werden. Hinsichtlich des Leistungsumfangs betreffend die zukünftigen Leistungen gingen sie dabei von einem „weiten Begriffsverständnis“ aus (US 12 ff, 23 ff, 27 f).
[10] Die Höhe der Pauschalvereinbarung sahen die Tatrichter als um zumindest 15.000 Euro „überhöht und damit unangemessen“ an (US 30 und 59).
[11] Die Mängelrüge (Z 5) wendet sich gegen die Feststellungen zur subjektiven Tatseite, wonach es der Beschwerdeführer zumindest ernsthaft für möglich hielt und sich damit abfand, dass er bei Sandra M***** als Schuldnerin mehrerer Gläubiger den Tatentschluss zum Abschluss der konkreten, „im Verhältnis zu deren gemeinem Wert im Ausmaß von zumindest EUR 15.000,-- überhöht[en] und damit unangemessen[en]“ Honorarvereinbarung weckt und die Genannte durch den Abschluss der Honorarvereinbarung sowie die Zahlung von 144.000 Euro vom Treuhandkonto vorsätzlich Bestandteile ihres Vermögens in der Höhe von 15.000 Euro beiseite schafft und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen in diesem Ausmaß vereitelt oder schmälert (US 30 f).
[12] Zutreffend zeigt sie auf, dass die Begründung dieser Feststellung mit dem Hinweis auf ein „zu unterstellende[s] Sonderwissen als Rechtsanwalt über die zu erwartenden anwaltlichen Leistungen sowie deren Honorierung nach den einschlägigen Tarifgesetzen (RATG, AHK)“ (US 55) offenbar unzureichend ist (Z 5 vierter Fall).
[13] Das Wesen einer – grundsätzlich zulässigen (RIS‑Justiz RS0055073 und RS0114403) – Pauschalvereinbarung besteht darin, dass das in dieser Vereinbarung festgelegte Honorar auch dann zu leisten ist, wenn sich der Aufwand später als größer oder kleiner herausstellt. Die Dr. H***** GmbH trug daher einerseits die Gefahr der Mehrarbeit, andererseits stand ihr das vereinbarte Pauschalhonorar auch dann zu, wenn der Wert der Arbeitsleistung dieses unterschritt (vgl RIS‑Justiz RS0022059, 6 Ob 37/18m).
[14] Welches „Sonderwissen“ es dem Beschwerdeführer ermöglichte, beim Abschluss der weder Leistungsumfang noch Dauer der Vertretung einschränkenden Pauschalvereinbarung eine exakte Prognose sämtlicher Einzelleistungen dergestalt anzustellen, dass er eine Überhöhung des Gesamthonorars von 204.000 Euro um zumindest 15.000 Euro (somit um nur rund 7 %; vgl im Übrigen zur standesrechtlichen Verantwortlichkeit für Rechtsanwälte bei Überschreitung des angemessenen Pauschalhonorars um ein Drittel: RIS‑Justiz RS0055114) ernstlich für möglich hielt, wird nicht nachvollziehbar dargelegt (vgl aber RIS‑Justiz RS0099413).
[15] Schon dieses Begründungsdefizit führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Schuldspruch IV bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) sowie daraus folgend im Strafausspruch, im Adhäsionserkenntnis und im Kostenausspruch jeweils betreffend den Angeklagten Dr. H*****.
[16] Damit ist auch dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 3. November 2020 (ON 142) auf Abweisung des Protokollberichtigungsantrags (ON 132) erledigt, weil sie sich auf keine für den Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde wesentlichen Umstände bezog (vgl RIS‑Justiz RS0126057 [T2]).
[17] Mit seiner Berufung war der Angeklagte Dr. H***** ebenso auf die Aufhebung zu verweisen wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung in Ansehung dieses Angeklagten.
[18] Zu den gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Mike Ma***** und Nico Ma*****:
[19] Der Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite versäumt es, an der Gesamtheit der diesbezüglichen Beweiswerterwägungen der Tatrichter (US 40 ff) Maß zu nehmen, und bringt solcherart den herangezogenen Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung (RIS-Justiz
[20] Durch die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (in
dubio pro reo) wird ein aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO beachtlicher Mangel nicht behauptet (RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0102162&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ).
[21] Mit dem pauschalen Hinweis auf die Verantwortung der Beschwerdeführer vor der Landespolizeidirektion Tirol sowie deren dort übergebene schriftliche Stellungnahmen vermag die Tatsachenrüge (Z 5a) beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen, insbesondere die Feststellungen zur subjektiven Tatseite, zu wecken.
[22] Indem sie eigene Erwägungen zur „Chronologie der Geschehnisse“ anstellt sowie auf das vor dem Landesgericht Feldkirch zu AZ ***** anhängige Zivilverfahren hinweist und behauptet, in diesem könnte sich ergeben, dass „der Straftatbestand der betrügerischen Krida von der Erstangeklagten gar nicht erfüllt hätte werden können“, verlässt sie den Anfechtungsrahmen des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0117446).
[23] Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Mike Ma***** und Nico Ma***** waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[24] Die Entscheidung über ihre Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[25] Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
[26] Mit ihrer Mängelrüge (Z 5) zum Schuldspruch IV wird die Beschwerdeführerin auf dessen Aufhebung verwiesen. Im Übrigen betrifft die angestrebte Feststellung eines überhöht vereinbarten Anwaltshonorars von 144.000 Euro (anstelle des von den Tatrichtern festgestellten Betrags von 15.000 Euro) mangels Bedeutung für die Wertgrenze des § 156 Abs 2 StGB keine schuld‑ oder subsumtionserhebliche Tatsache (vgl zum Begriff Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 399).
[27] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) begehrt einen Schuldspruch des Dr. Hermann H***** anstelle des Freispruchs.
[28] Dazu verweist sie auf die eine Subsumtion nach §§ 12 dritter Fall, 156 Abs 1 StGB tragenden Feststellungen zum objektiven und zum subjektiven Tatbestand (US 24 ff und 32 f) und beschränkt sich darauf, unter Hinweis auf die Kausalität der Beitragshandlung die Verneinung der objektiven Zurechenbarkeit durch das Erstgericht (US 62) ohne substanziiertes Vorbringen pauschal als verfehlt zu kritisieren. Solcherart leitet sie die geforderte Konsequenz eines Schuldspruchs nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116569).
[29] Im Übrigen ist die Beitragshandlung dem Beitragstäter (nur dann) objektiv zurechenbar, wenn der Tatbeitrag das – bereits bestehende – Risiko der Tatbildverwirklichung durch einen anderen in rechtlich missbilligter Weise schafft oder erhöht (12 Os 21/06i).
[30] Gemäß § 9 Abs 1 RAO hat ein Rechtsanwalt (übernommene) Vertretungen gesetzgemäß und mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu führen. Dabei hat er ausschließlich die Interessen seiner Partei zu verfolgen und „gegen jedermann“ zu vertreten (vgl dazu eingehend Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 10 § 9 Rz 1 und 3).
[31] Die Annahme mangelnder objektiver Zurechenbarkeit bei Rückzahlung eines treuhändig übernommenen Geldbetrags durch Dr. Hermann H***** an seine Mandantin nach einvernehmlicher Auflösung einer dem Dritten kein eigenständiges Forderungsrecht einräumenden Treuhandvereinbarung (vgl Kalss in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.05 § 882 Rz 13), zu der er als Rechtsanwalt auf Grund einer Berufsregel (siehe auch §§ 13, 43 Abs 2 RL‑BA 2015) verpflichtet war (vgl dazu Fuchs/Zerbes AT I 10 33/60), ist solcherart nicht zu beanstanden.
[32] Die Subsumtionsrüge (Z 10) strebt zum Schuldspruch I 1 (mit einem festgestellten Gesamtschaden von 227.700 Euro) die Annahme der Qualifikation des § 156 Abs 2 StGB an. Dabei fordert sie unter ausdrücklicher Anführung der zum Schuldspruch I 1 b getroffenen Feststellung, wonach die konkrete Verwendungsart des von Sandra M***** behobenen und verbrauchten Bargeldbetrags von weiteren 91.700 Euro nicht feststellbar sei (US 31), das Erstgericht hätte „richtigerweise“ festzustellen gehabt, dass die Genannte die erlangten Bargeldbeträge von zweimal je 91.700 Euro „verbraucht“ und „nicht zur Tilgung tatsächlich bestehender Schulden verwendet“ habe. Damit verfehlt sie den im Urteilssachverhalt gelegenen Bezugspunkt materiell‑rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810). Hinzugefügt sei, dass auch die von der Staatsanwaltsschaft begehrte Feststellung des „Verbrauchens“ per se keine Tathandlung im Sinn des § 156 Abs 1 StGB umschreibt (vgl dazu Kirchbacher in WK2 StGB § 156 Rz 6 und 10 ff).
[33] Im Umfang der Rechts‑ und der Subsumtionsrüge war die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[34] Zur amtswegigen Maßnahme:
[35] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass das angefochtene Urteil im Schuldspruch der Angeklagten Sandra M***** wegen des Vergehens des falschen Vermögensverzeichnisses nach § 292a StGB (I 2), wie auch die Generalprokuratur zu Recht aufzeigt, mit nicht geltend gemachter materieller Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO behaftet ist, die zum Nachteil dieser Angeklagten wirkt und daher von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
[36] Nach den Feststellungen hat Sandra M***** am 20. August 2018 im Zuge des Exekutionsverfahrens AZ ***** des Bezirksgerichts Innsbruck vor dem Gerichtsvollzieher Gerhard S***** ein „falsches bzw. unvollständiges Vermögensverzeichnis, in welchem sie die Frage nach unentgeltlichen Verfügungen (Schenkungen) über Vermögenswerte an Dritte innerhalb der letzten 2 Jahre verneinte“, unterzeichnet und dadurch die Befriedigung „zumindest eines Gläubigers“ gefährdet. Dies „absichtlich im Wissen“ hiedurch in einem Exekutionsverfahren ein „falsches bzw. unvollständiges Vermögensverzeichnis“ abzugeben und die Befriedigung „zumindest eines Gläubigers“ zu gefährden (US 33).
[37] Dem Urteil ist jedoch nicht zu entnehmen, welche unentgeltlichen Verfügungen im relevanten Zeitraum Sandra M***** nicht anführte (vgl etwa den Schuldspruch I 1 a sowie die festgestellten Schenkungen an nahe Angehörige und einen Verein zwischen dem 16. Juni 2016 und dem 22. Februar 2017 [US 16 f]) und ob die vom falschen Vermögensverzeichnis (I 2) betroffenen Gläubiger mit den durch die Vermögensverringerung (I 1) geschädigten Gläubigern ident sind.
[38] Solcherart kann eine allfällige Subsidiarität des Vergehens nach § 292a StGB gegenüber dem Verbrechen nach § 156 Abs 1 StGB (vgl RIS‑Justiz RS0094707; Plöchl/Seidl in WK 2 StGB § 292a Rz 17; Leukauf/Steininger/Zöchbauer/Bauer , StGB 4 § 292a Rz 12; Tipold SbgK StGB § 292a Rz 56) nicht beurteilt werden.
[39] Hinzugefügt sei, dass bei der Abgabe eines Vermögensverzeichnisses im Zuge eines Exekutions- oder Insolvenzverfahrens (hier: Vermögensverzeichnis einer natürlichen Person nach § 47 EO) getätigte falsche oder unvollständige Angaben zu unentgeltlichen Verfügungen (Schenkungen) über Vermögenswerte an Dritte innerhalb der letzten zwei Jahre einen Überblick über die für die Gläubigerbefriedigung in Betracht kommenden Vermögenswerte verhindern (vgl § 2 Z 3 und § 3 Z 1 AnfO). Insoweit bewirken sie daher auch in Ansehung von (im Zeitpunkt der Abgabe des Vermögensverzeichnisses) nicht mehr beim Schuldner vorhandenem Vermögen eine konkrete Gefährdung der Gläubigerbefriedigung (vgl zu diesem Erfordernis Plöchl/Seidl in WK 2 StGB § 292a Rz 12; bei anderer Sachverhaltsbasis auf im Zeitpunkt der Abgabe des Vermögensverzeichnisses vorhandenes Vermögen des Schuldners abstellend 11 Os 5/20z, EvBl 2021/35, 242).
[40] Der aufgezeigte Rechtsfehler mangels Feststellungen erforderte die Aufhebung des angefochtenen Urteils im Schuldspruch I 2 und demzufolge im Strafausspruch der Angeklagten Sandra M***** bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO). Die Kassation des Strafausspruchs hatte jene des nach § 494a StPO gefassten Beschlusses zur Folge.
[41] Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer Berufung betreffend die Angeklagte Sandra M***** auf die Aufhebung zu verweisen.
[42] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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