OGH 13Os12/09b

OGH13Os12/09b19.3.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. März 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin in der Strafsache gegen Osman J***** wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 1. August 2008, GZ 14 Hv 130/07g-116, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, in seinen Schuldsprüchen 1./ und 2./ und demzufolge auch im Strafausspruch sowie im Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Osman J***** mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (1./a/), mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (1./b/), (richtig:) mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (1./c/) und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (2./) schuldig erkannt.

Danach hat er in Klagenfurt

1./ im Zeitraum vom 25. April 2004 bis 12. September 2005 a/ mit seiner am 10. Dezember 1993 geborenen Stieftochter Michaela P*****, mithin einer unmündigen Person, zweimal den Beischlaf unternommen;

b/ außer dem Fall des § 206 StGB dadurch geschlechtliche Handlungen an Michaela P***** vorgenommen, dass er sie teils bekleidet, teils unbekleidet auf seinen Schoß legte und seinen Penis an ihrem Geschlechtsteil hin- und her bewegte sowie ihre Brüste betastete;

c/ durch die zu 1./a/ und b/ beschriebenen Handlungen mit seinem minderjährigen Stiefkind geschlechtliche Handlungen vorgenommen;

2./ zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen 25. April 2004 und 12. September 2005 Michaela P***** durch gefährliche Drohung zu einer Unterlassung, nämlich der Abstandnahme davon, ihrer Mutter von den sexuellen Übergriffen zu erzählen, genötigt, indem er ihr ankündigte: „Wenn du das machst, dann dresche ich die Tür ein und watsch dich dann durch".

Rechtliche Beurteilung

Ein Eingehen auf die aus den Gründen der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten erübrigt sich, weil schon aus deren Anlass der vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachte, sich jedoch zu seinem Nachteil auswirkende Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 605, § 290 Rz 8).

Der Oberste Gerichtshof überzeugte sich nämlich, dass das angefochtene Urteil jegliche Feststellungen zur subjektiven Tatseite vermissen lässt. Die bloß im Rahmen der rechtlichen Beurteilung enthaltene Formulierung, der Angeklagte habe die strafbaren Handlungen „in objektiver wie auch in subjektiver Hinsicht" verwirklicht (US 33 und 35), sagt nicht hinreichend deutlich, welche schuld- und subsumtionsrelevanten Tatsachen das Erstgericht als erwiesen angenommen hat.

Darüber hinaus enthält die im Zusammenhang mit dem Schuldspruch 2./ getroffene Konstatierung, der Angeklagte habe geäußert, seiner Stieftochter „körperliche Gewalt anzutun", er werde „sie durchwatschen" (US 13 f), auch in objektiver Hinsicht keine verlässliche Klarstellung des Bedeutungsinhalts der inkriminierten Äußerung; schon weil eine für das materielle Strafrecht allgemein gültige Definition des Gewaltbegriffs nicht existiert (Jerabek in WK2 § 74 Rz 35; Schwaighofer in WK2 § 105 Rz 11 f). Ob die vom Erstgericht wiedergegebene Formulierung - unter Berücksichtigung der spezifischen Täter-Opfer-Konstellation - als (tatbildliche) Drohung mit einer Verletzung am Körper oder bloß als (für die Annahme des § 105 Abs 1 StGB nicht ausreichende) Ankündigung von Misshandlungen aufzufassen ist (vgl RIS-Justiz RS0092969, RS0092373; Jerabek in WK2 § 74 Rz 29), lässt sich solcherart nicht abschließend beurteilen. Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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