European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00119.16Y.0222.000
Spruch:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wr. Neustadt verwiesen.
Der Angeklagte wird mit seinen Rechtsmitteln auf diese Entscheidung verwiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Turgut Y***** des Finanzvergehens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a und 13 FinStrG (I) sowie mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 2 lit a, 38 Abs 1 FinStrG (II) schuldig erkannt.
Nach dem Referat im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO iVm § 195 Abs 1 FinStrG) hat er „als Verantwortlicher der m***** Handels‑GmbH im Amtsbereich des Finanzamtes Baden Mödling für die Jahre 2010 bis 2012 vorsätzlich in mehrfachen Tathandlungen unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten eine Verkürzung von Abgaben bewirkt, und zwar
(I) dadurch, dass er unrichtige Steuererklärungen abgab, dass nachstehende bescheidmäßig festzusetzende Abgaben um nachfolgende Beträge zu gering festgesetzt wurden
A) bewirkt, nämlich
1) an Umsatzsteuer für 2010 im Betrag von 500 Euro
2) an Körperschaftssteuer für 2010 im Betrag von 700 Euro
B) zu bewirken versucht, nämlich an Körperschaftssteuer
1) für 2011 im Betrag von 64.300 Euro
2) für 2012 im Betrag von 180.600 Euro
wobei er das ausschließlich durch Gericht zu ahndende Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung unter Verwendung falscher oder verfälschter Daten, und zwar durch Vornahme von Manipulationen am elektronischen Kassensystem durch Stornierung und tatsachenwidrige Einbuchungen von niedrigeren Umsätzen beging, bzw. zu begehen suchte (strafbestimmender Wertbetrag 246.100 Euro);
(II) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 Umsatzsteuergesetz 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuervorauszahlungen bewirkt, wobei er dies nicht nur für möglich sondern für gewiss gehalten hat,
A) für die Monate August bis Dezember 2011 im Betrag von 31.200 Euro
B) für die Monate Jänner bis Februar 2012 im Betrag von 17.200 Euro
und es ihm darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (strafbestimmender Wertbetrag 48.400 Euro).“
Aus Anlass der dagegen aus Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass zu dessen Nachteil das Strafgesetz mehrfach unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
Rechtliche Beurteilung
Zum Schuldspruch I:
§ 39 Abs 1 FinStrG ist eine Qualifikationsnorm, die an die Grundtatbestände der Abgabenhinterziehung (§ 33 Abs 1, 2 und 4 FinStrG), des Schmuggels (§ 35 Abs 1 FinStrG), der Hinterziehung von Eingangs‑ oder Ausgangsabgaben (§ 35 Abs 2 und 3 FinStrG) sowie der vorsätzlichen Abgabenhehlerei (§ 37 Abs 1 FinStrG) anknüpft ( Lässig in WK² FinStrG § 39 Rz 2). Eine Verurteilung nach § 39 Abs 1 FinStrG setzt daher auch Feststellungen voraus, welche die Subsumtion nach dem jeweils in Rede stehenden Grundtatbestand tragen.
Fallbezogen wird dem Angeklagten angelastet, (im Sinn des § 39 Abs 1 FinStrG qualifiziert) vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten Verkürzungen an Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer bewirkt zu haben. Hinsichtlich dieser (zu veranlagenden) Abgaben wird nach ständiger Judikatur (RIS‑Justiz RS0086590 und RS0124712) – bezogen auf ein Steuersubjekt – mit Abgabe einer unrichtigen Jahressteuererklärung je Steuerart (unabhängig von der Höhe des Hinterziehungsbetrags) ein Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG begründet. Solcherart bildet insoweit die Jahressteuererklärung – allenfalls als Bündel mehrerer steuerlich trennbarer Einzelaspekte – das kleinste (nicht mehr teilbare) Element des Sachverhalts, also eine selbständige Tat im materiellen Sinn (13 Os 142/08v, JBl 2010, 318; RIS‑Justiz RS0086590 [T2] und RS0124712). Entsprechendes gilt für das Unterlassen der Abgabe einer Jahressteuererklärung: Selbständige Tat ist die Nichtabgabe bis zum gesetzlich vorgesehenen Endzeitpunkt (13 Os 58/13y, SSt 2013/48; RIS‑Justiz RS0086590 [T4] und RS0124712 [T6]).
Am dargelegten finanzstrafrechtlichen Tatbegriff orientieren sich die Urteilsfeststellungen nicht, weil sie bloß (im Übrigen unter Einbeziehung der den Schuldspruch II betreffenden Hinterziehungsbeträge) pauschal einen strafbestimmenden Wertbetrag nennen (US 6), ohne insoweit nach Jahressteuererklärungen und Abgabenarten zu differenzieren. Somit liefert die angefochtene Entscheidung keine hinreichende Feststellungsbasis für die Beurteilung, ob auf jede einzelne Tat ein strafbestimmender Wertbetrag entfällt, der größer als null ist. Diesbezügliche Konstatierungen sind aber auch bei (hier gegebener) Bildung einer Subsumtionseinheit nach § 39 FinStrG essentiell, weil die einzelnen Straftaten ihre rechtliche Selbständigkeit behalten ( Lässig in WK² FinStrG § 39 Rz 3).
Hinzu kommt, dass das Erstgericht keine Feststellungen dazu traf, ob die Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflichten vom zumindest bedingten Vorsatz (§ 8 Abs 1 FinStrG) des Angeklagten umfasst war, womit auch die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite den Schuldspruch nicht tragen ( Lässig in WK² FinStrG § 39 Rz 16).
Zum Schuldspruch II:
Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG werden durch dort pönalisiertes Verhalten in Bezug auf Voranmeldungszeiträume begangen, sodass sachverhaltsmäßig hinsichtlich jedes solchen Zeitraums (unabhängig von der Höhe des Hinterziehungsbetrags) eine selbständige Tat vorliegt (13 Os 105/08b, SSt 2009/18; RIS‑Justiz RS0118311 und RS0124712).
Da die diesbezüglichen Urteilskonstatierungen nicht erkennen lassen, ob (gegebenenfalls wann) Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben worden sind, und auch nicht die Zuordnung von Hinterziehungsbeträgen zu konkreten Voranmeldungszeiträumen zulassen (US 6), schaffen sie somit keine hinreichende Subsumtionsbasis für den Schuldspruch II.
Hinzu kommt, dass die Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit (US 6) hinsichtlich intendierter Dauer und Höhe des angestrebten Zusatzeinkommens keinen Sachverhaltsbezug herstellen und solcherart die Verurteilung nach der Qualifikationsnorm des § 38 Abs 1 FinStrG nicht tragen (RIS‑Justiz RS0107402 und RS0119090).
Die angefochtene Entscheidung war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung aufzuheben.
Hierauf war der Angeklagte mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung zu verweisen.
Neben den bisherigen Darlegungen wird im zweiten Rechtsgang zu beachten sein:
(1) Anders als nach § 61 StGB richtet sich die Strafe im Finanzstrafverfahren gemäß § 4 Abs 2 FinStrG nur dann nach dem zur Zeit der Entscheidung des Gerichts erster Instanz geltenden Recht, wenn dieses in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre als das zur Zeit der Tat geltende Recht.
(2) Im Fall der Hinterziehung zu veranlagender Abgaben mittels unrichtiger Steuererklärungen (Schuldspruch I) ist eine Abgabenverkürzung nach § 33 Abs 1 FinStrG gemäß § 33 Abs 3 lit a FinStrG mit der Bekanntgabe des Bescheids, mit dem die Abgabe zu niedrig festgesetzt worden ist, bewirkt. Zur Abgrenzung zwischen versuchter (§ 13 FinStrG) und vollendeter Tat sind daher in diesen Fällen Feststellungen dazu erforderlich, ob ein Abgabenbescheid ergangen und die Abgabe mit diesem auf der Basis der unrichtigen Erklärung zu niedrig festgesetzt worden ist.
(3) Wird (wie im ersten Rechtsgang) die Strafe im Sinn des § 21 Abs 2 vierter Satz FinStrG bemessen, ist gemäß § 260 Abs 1 Z 4 StPO iVm § 195 Abs 1 FinStrG auch jene Bestimmung zu nennen, nach der sich die Geldstrafe richtet (vgl demgegenüber US 3).
(4) Maßgebende Norm für die bedingte Strafnachsicht im gerichtlichen Finanzstrafverfahren ist § 26 FinStrG (vgl demgegenüber US 3).
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