OGH 13Os114/14k

OGH13Os114/14k25.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Februar 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bachl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Tolga E***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16. Juli 2014, GZ 142 Hv 41/14m‑85, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Ulrich, des Angeklagten Tolga E***** und seiner Verteidigerin Dr. Lanschietzer zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00114.14K.0225.000

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der zu D/I angelasteten Taten auch nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Tolga E***** wird für die ihm zur Last liegenden Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB, des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2, 148 erster Fall StGB sowie der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB und des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB zu einer

Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten

verurteilt.

Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wird die Vorhaft vom 11. März 2014, 15:35 Uhr, bis zum 16. Juli 2014, 10:20 Uhr auf die Freiheitsstrafe angerechnet.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Tolga E***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (A), des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2, 148 erster Fall, 15 StGB (B), mehrerer Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (D/I/2 und D/II), des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB (C) und des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (D/1) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

(A) am 23. Oktober 2013 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Ivo F***** Bargeld unter Verwendung einer Waffe abzunötigen versucht, indem er ihn würgte und ihm ein Stanleymesser gegen den Hals drückte;

(B) zwischen Ende Februar 2013 (US 5) und 20. April 2013 gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz in sechs Angriffen, darunter unter Benutzung einer falschen Urkunde, nämlich eines mit falschem Namen unterfertigten Mietvertrags, die im Urteil bezeichneten Personen durch die Vorspiegelung, zur Vermietung eines Zimmers gewillt und dazu auch berechtigt zu sein (US 6), zu Zahlungen im Gesamtbetrag von 3.575 Euro verleitet und zu verleiten versucht, welche die Genannten in einem 3.000 Euro übersteigenden Gesamtbetrag am Vermögen schädigten;

(C) am 30. Mai 2013 sich mit auf unrechtmäßige (US 8) Bereicherung gerichtetem Vorsatz ein Mobiltelefon, das ihm von Kameliya K***** zur Anfertigung von Fotos anvertraut worden war, durch Verkauf (US 11) zugeeignet;

(D) Nachgenannte im Rahmen seiner Vernehmung als Beschuldigter dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er sie von Amts wegen zu verfolgender mit Strafe bedrohter Handlungen falsch verdächtigte, obwohl er wusste, dass die Verdächtigungen falsch waren, wobei die zu I/2) und II) fälschlich angelasteten Handlungen mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind, und zwar

I) am 13. März 2014 und 3. April 2014 Pinar L*****

1) des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 (zu ergänzen) Abs 1 StGB, indem er behauptete, sie habe den Reisepass des Furkan B***** (US 9) einbehalten und

2) des „Verbrechens des gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 148 StGB“ (richtig des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2 148 erster Fall und 15 StGB), indem er behauptete, sie habe die zu Punkt B genannten „betrügerischen“ Vertragsabschlüsse vorgenommen bzw sei „damit einverstanden“ gewesen (US 9);

II) am 28. Mai 2014 Rainer Be***** des Verbrechens des (richtig) Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, indem er in der Hauptverhandlung behauptete, der ihn vernehmende Beamte habe seine Aussage „wesentlich“ falsch protokolliert.

Rechtliche Beurteilung

Die aus Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene und ausschließlich gegen die Schuldsprüche A und D gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Mit der Kritik am Unterbleiben einer Beweisaufnahme, auf deren Durchführung die Verteidigerin verzichtet hat (ON 84, S 8), zeigt die Verfahrensrüge (Z 4) keine Verletzung von Verteidigungsrechten auf.

Zum Schuldspruch A stützte das Erstgericht die von der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) bekämpften Konstatierungen zur

Täterschaft des Beschwerdeführers sowohl auf die für glaubwürdig befundenen Angaben des Ivo F***** als auch auf das forensische Gutachten der Sachverständigen (US 11).

Der Vorwurf der Unvollständigkeit der Begründung trifft nicht zu:

Weshalb sich die Tatrichter unter Berücksichtigung der Auffindung einer mit weiblichen Spuren behafteten Red Bull Dose (S 22 in ON 2 in ON 12; ON 19 S 5) im Taxi des F***** mit dessen weiteren, in der Anzeige (richtig S 4 in ON 2 in ON 12) festgehalten Angaben zur Reinigung des Fahrzeugs nach jedem Fahrgast hätten auseinandersetzen müssen, obwohl der Zeuge angab, dass er beim Täter „bewusst“ keine Getränkedose wahrgenommen habe, legt die diese Depositionen übergehende Beschwerde auch mit ihrem Verweis auf die weitere Aussage des Taxilenkers, wonach wenig Betrieb geherrscht habe, nicht nachvollziehbar dar. Mutmaßungen, Meinungen, Werturteile und Schlussfolgerungen sind kein Gegenstand des Zeugenbeweises (RIS‑Justiz RS0097573). Die nicht auf Tatsachenwahrnehmung beruhende weitere Äußerung des Ivo F*****, wonach ihm eine Getränkedose, wäre sie von einem früheren Fahrgast hinterlassen worden, hätte auffallen müssen, blieben daher zu Recht unerörtert.

Die Mängelrüge vermisst bei einer „gegen 1:30 Uhr“ angenommenen Tatzeit (US 8) beweiswürdigende Erwägungen zum Nachweis eines Alibis. Soweit sie auf Details der Aussage des Zeugen Hussein C***** verweist, wonach es „ungefähr nach halb zwei“ bei seinem ‑ im Nahbereich gelegenen (vgl US 13) ‑ Imbissstand zu einer Auseinandersetzung mit dem ihm bekannten Angeklagten kam (ON 63 S 42), zeigt sie schon deshalb keine Unvollständigkeit auf, weil sie dabei die weiteren Angaben des Zeugen übergeht, wonach er keinen genauen Zeitpunkt festlegen könne („es ist ein ziemlich weiter Zeitraum, weil er gegangen und wieder gekommen ist“; ON 63 S 43). Demnach gingen die Tatrichter auf die für die Lösung der Schuldfrage unerhebliche Aussage des Zeugen in den Entscheidungsgründen dem Vorbringen zuwider zu Recht nicht ein.

Mit dem Gutachten der Sachverständigen Dr. Christina S***** (ON 19) setzte sich das Erstgericht sehr eingehend auseinander (US 12), eine Erörterung sämtlicher Details war aus dem Blickwinkel des § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO nicht erforderlich, sie hätte vielmehr dem Gebot zu

gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) widersprochen (RIS‑Justiz RS0098377).

Indem die Rüge auf die von der Expertin im Gutachten berücksichtigten Verfärbungen und Mischspuren verweist, zeigt sie keine Unvollständigkeit auf, sondern bekämpft vielmehr unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Mit eigenständigen Beweiswerterwägungen zum Vorhandensein und Nichtvorhandensein von biologischen Spuren an anderen Stellen des Taxis sowie Spekulationen in Richtung einer unvollständigen Protokollierung der Aussage des Zeugen F***** und einer Verwechslung von Spurenmaterial verlässt die Nichtigkeitsbeschwerde ebenso den Anfechtungsrahmen.

Gegen den Schuldspruch D gerichtet lässt die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) offen, welche entscheidungswesentliche Feststellung sie mit ihrem Vorbringen bekämpft.

Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall des § 281 Abs 1 StPO sind Entscheidungsgründe, wenn sie den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergeben (RIS‑Justiz RS0099547).

Einen derartigen Mangel zeigt die den dargelegten Begriff ausdrücklich verwendende (nominell jedoch auf Z 5 zweiter Fall gestützte) Beschwerde mit der Kritik, dass sich das Gutachten der Sachverständigen Dr. Christina S*****, nicht, wie in einer Urteilspassage (US 11, vgl aber auch die korrekte Bezeichnung der Fundstelle auf US 12) unrichtig zitiert, in ON 10, sondern in ON 19 finde, keineswegs auf.

Das gilt auch für den auf denselben Aspekt der Z 5 gegründeten Einwand der Mängelrüge, der Schuldspruch D sei mit den Angaben des Angeklagten, der nie behauptet habe, die Zeugin habe die Mietverträge in betrügerischer Weise abgeschlossen oder den Reisepass vorsätzlich und rechtswidrig einbehalten, nicht in Einklang zu bringen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ zu verwerfen (§ 288 Abs 1 StPO).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, wie auch von der Generalprokuratur zutreffend aufgezeigt, dass dem Schuldspruch D/I der von Amts wegen wahrzunehmende (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet.

Der objektive Tatbestand des § 297 Abs 1 StGB ist erfüllt, wenn der Täter eine bestimmte andere Person in einer Weise in Richtung einer (oder mehrerer) mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung(en) falsch verdächtigt, dass diese der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt ist ( Fabrizy , StGB 11 § 297 Rz 2). Werden im Rahmen einer Vernehmung mehrere Vorwürfe gegen eine Person erhoben, wird dadurch lediglich eine als Verleumdung strafbare Handlung begründet. Dabei kommt der zweite Strafsatz des § 297 Abs 1 StGB dann zur Anwendung, wenn zumindest eine der fälschlich angelasteten Handlungen ‑ wie hier ‑ mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist. Die bloße Wiederholung der Anschuldigungen im Rahmen einer weiteren Vernehmung stellt dabei keine neuerliche Verleumdung dar (RIS‑Justiz RS0096496).

Ausgehend davon war der neben einem Verbrechen zu Unrecht ergangene Schuldspruch wegen eines Vergehens der Verleumdung (D/I/1) aufzuheben.

Bei der Strafneubemessung waren das Zusammentreffen von vier Verbrechen mit einem Vergehen, die mehrfache Qualifikation des Betrugstatbestands, die Tatwiederholung in Bezug auf diesen erschwerend, mildernd dagegen der bis zur verfahrensaktuellen Delinquenz ordentliche Lebenswandel, der Umstand, dass es beim Betrug teilweise beim Versuch geblieben ist, die teilweise Schadensgutmachung und die Tatsache, dass die Taten zum Teil vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangen wurden.

Unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafzumessungsgründe des § 32 StGB sah sich der Oberste Gerichtshof bei einem Strafrahmen von fünf bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe zur Verhängung der im Spruch genannten, Tatgewicht und Täterschuld entsprechenden Strafe bestimmt. Dabei fand besondere Berücksichtigung, dass der Angeklagte gegenüber mehreren rechtlich geschützten Werten eine auffallend ablehnende Einstellung erkennen ließ.

Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die Anrechnung der Vorhaft gründet sich auf § 38 Abs 1 Z 1 StGB.

Über die Anrechnung der nach Fällung des Urteils erster Instanz in Vorhaft (§ 38 StGB) zugebrachten Zeit hat gemäß § 400 Abs 1 StPO ‑ auch im (hier vorliegenden) Fall der Strafneubemessung (RIS‑Justiz RS0091624; Lässig , WK‑StPO § 400 Rz 1) ‑ die Vorsitzende des Gerichts, das in erster Instanz erkannt hat, mit Beschluss zu entscheiden.

Die Kostenersatzpflicht, welche die amtswegige Maßnahme nicht umfasst ( Lendl , WK‑StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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