Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die auf seine erfolglose Nichtigkeitsbeschwerde entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. Wolfgang R***** des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er „im Zeitraum ab April 2004 bis Jänner 2008 in Wien als Obmann des Elternvereins des B***** ein ihm anvertrautes Gut in einem 50.000 Euro übersteigenden Wert, nämlich Vereinsgelder in Höhe von 57.826,32 Euro, dadurch, dass er Geldbeträge von Vereinskonten und Sponsorgelder auf sein Privatkonto überwies und Privatentnahmen aus der Handkasse des Elternvereins tätigte, sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich unrechtmäßig zu bereichern".
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen allein aus dem Grund des § 281 Abs 1 Z 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl, weil sie mit ihrer Behauptung des Übergehens bestimmter Milderungsgründe, der auf dieser Argumentation aufbauenden Kritik an der unterbliebenen Anwendung des § 41 StGB und der Forderung nach gänzlich bedingter Strafnachsicht bzw einem Vorgehen nach „§ 43a Abs 1 bis 3" StGB keinen unvertretbaren Verstoß gegen Strafzumessungsvorschriften aufzeigt, sondern bloß Berufungsgründe zur Darstellung bringt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 728; RIS-Justiz RS0091489, RS0099920, RS0099911). Aus ihrem Anlass hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch zu Gunsten des Angeklagten - von ihm nicht geltend gemachter - unrichtiger Anwendung des materiellen Strafrechts überzeugt (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO):
Nach den hier wesentlichen Feststellungen des Erstgerichts war der
Angeklagte im Tatzeitraum Obmann und faktischer Kassier des
Elternvereins einer näher bezeichneten Schule und agierte in diesen
Funktionen „offenkundig ohne jegliche Kontrolle". Im inkriminierten
Zeitraum eignete er sich mit auf unrechtmäßige Bereicherung
gerichtetem Vorsatz „ihm anvertrautes Geld" in Höhe von 57.826,37
Euro „teils in bar, teils durch Überweisungen" zu, „wobei er diese
Geldbeträge ... teils aus der von ihm verwalteten Handkasse entnahm",
teils von Vereinskonten Vereins- und Sponsorengelder auf sein
Privatkonto überwies (US 3) „und in der Folge die veruntreuten
Beträge für sich bzw ... zur Finanzierung der Lebenshaltungskosten
seiner Familie verwendete" (US 6 f).
Zwar veruntreut derjenige, den hinsichtlich eines in seinem exklusiven Gewahrsam stehenden Guts (auch Giralgeld; vgl RIS-Justiz RS0093878) eine Verpflichtung zur Verwahrung, Rückstellung oder Weiterleitung trifft (vgl Kienapfel/Schmoller Studienbuch BT II § 127 Rz 84, § 133 Rz 25; 14 Os 123/07f), dieses im Fall einer mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz begangenen Zueignung (§ 133 Abs 1 StGB). Wer indes eine ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, etwa durch die Verfügung über ein Bankguthaben, wissentlich missbraucht und dadurch dem anderen einen Vermögensnachteil zufügt, begeht Untreue nach § 153 Abs 1 StGB, und wer nicht in seinem exklusiven Gewahrsam (vgl Kienapfel/Schmoller Studienbuch BT II § 133 Rz 26) stehende fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegnimmt, stiehlt (§ 127 StGB). Feststellungen, welche die erforderlichen Abgrenzungen und damit überhaupt eine Subsumtion ermöglichen würden, aber sind dem Urteil in Hinsicht auf die Unterscheidung von Veruntreuung und Untreue nicht zu entnehmen. Nach § 29 StGB zu einer Subsumtionseinheit zusammenzurechnen sind nur Wert- und Schadensbeträge aus gleichartigen Straftaten. Keineswegs ist auszuschließen, dass die eine Strafe von einem bis zu zehn Jahren ermöglichende Qualifikation des § 133 Abs 2 zweiter Fall StGB bloß durch eine - von den Feststellungen nicht getragene - Zuordnung aller Zueignungshandlungen zu nur einem der in Frage kommenden Deliktstypen erreicht wurde. Dass dies den Angeklagten nicht nur beschwert, sondern auch effektiv benachteiligen kann, liegt auf der Hand.
Die für amtswegiges Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO erforderliche Beschwer wird auch nicht dadurch beseitigt, dass im nachfolgenden Rechtsgang nach Maßgabe entsprechender Feststellungen eine Verurteilung des Beschwerdeführers wegen mehr als bloß (wie bisher in Form einer nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB qualifizierten Veruntreuung) zweier strafbarer Handlungen - selbst im Fall einer Subsumtion nach §§ 127, 128 Abs 2 oder § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall oder § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB - zulässig ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 656, § 290 Rz 21, 31 ff). Das Verschlimmerungsverbot gilt nämlich - soweit hier von Interesse - nur für den Sanktionenbereich (§ 16 StPO).
Der nach dem Gesagten vorliegende Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO führt bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zu Urteilsaufhebung und Verweisung an das Erstgericht (§§ 285e erster Satz, 288 Abs 2 Z 3 zweiter SatzStPO).
Die Berufung des Angeklagten ist damit gegenstandslos. Die - die amtswegige Maßnahme nicht erfassende (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12) - Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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