OGH 13Os105/24a

OGH13Os105/24a22.1.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Jänner 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin RechtspraktikantinMag. Müller BSc in der Strafsache gegen P* O* und eine Beschuldigte wegen Vergehen des Missbrauchs von Tonaufnahme- oder Abhörgeräten nach § 120 Abs 2 StGB, AZ 56 BAZ 534/24h der Staatsanwaltschaft Innsbruck, über den Antrag des Beschuldigten P* O* auf Erneuerung des Strafverfahrens nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0130OS00105.24A.0122.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Grundrechte

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

[1] Die Staatsanwaltschaft Innsbruck führte (bis zur Verfahrenseinstellung am 20. November 2024 unter Vorbehalt späterer Verfolgung gemäß § 192 Abs 1 Z 1 StPO) zu AZ 56 BAZ 534/24h gegen P* O* ein Ermittlungsverfahren in Richtung des Vergehens nach § 120 Abs 2 StGB, weil er im Verdacht stand, am 4. Februar 2024 ein zwischen seinem Ehemann und einem Polizeibeamten geführtes Telefongespräch ohne Wissen und Zustimmung des Polizeibeamten aufgenommen und diese Aufnahme seinem Schwager M* O* weitergeleitet zu haben.

[2] Mit Beschluss vom 2. Juli 2024, AZ 32 HR 201/24x, (ON 12) wies der Einzelrichter des Landesgerichts Innsbruck den – im Zusammenhang mit der diesen Verdacht begründenden Auswertung des Mobiltelefons des im Verfahren AZ 34 St 195/23t der Staatsanwaltschaft Innsbruck beschuldigten M* O* erhobenen – Einspruch wegen Rechtsverletzung (ON 2.2) ab.

[3] Der dagegen gerichteten Beschwerde des Antragstellers gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 12. November 2024, AZ 6 Bs 174/24z, (ON 23) nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

[4] Mit dem auf die letztgenannte Entscheidung bezogenen – nicht auf ein Erkenntnis des EGMR gestützten – Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens macht P* O* Verletzungen der Art 6, 8 und 13 MRK sowie diverser Bestimmungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), des DSG und der StPO geltend.

[5] Anträge auf Erneuerung des Strafverfahrens können auch im erweiterten Anwendungsbereich des § 363a StPO – dessen Wortlaut folgend – nur wegen einer Verletzung der MRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle gestellt werden (RIS-Justiz RS0132365).

[6] Auf die Behauptung der Verletzung von Bestimmungen des DSG, der GRC und der StPO ist daher nicht einzugehen.

[7] Bei einem nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag handelt es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf, bei dem alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 MRK sinngemäß gelten (RIS-Justiz RS0122737).

[8] Da die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein (Grabenwarter/Pabel, EMRK7 § 13 Rz 16), hat auch ein Erneuerungsantrag deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine – vom Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende – Grundrechtsverletzung im Sinn des § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei (RIS-Justiz RS0122737 [T17]).

[9] Dabei hat er sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0124359) und – soweit er auf der Grundlage der Gesamtheit der Entscheidungsgründe nicht Begründungsmängel aufzuzeigen oder erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit getroffener Feststellungen aufzudecken vermag – seine Argumentation auf der Basis der Tatsachenannahmen der bekämpften Entscheidung zu entwickeln (RIS-Justiz RS0125393 [T1]).

[10] Indem der Antrag eine Verletzung der Art 6, 8 und 13 MRK behauptet, dabei aber (teils bloß das Beschwerdevorbringen wiederholend) auf einfachgesetzlicher Ebene argumentiert, verkennt er, dass die Behandlung von Erneuerungsanträgen gerade nicht eine Auseinandersetzung nach Art einer zusätzlichen Beschwerde- oder Berufungsinstanz bedeutet, sondern sich auf die Prüfung der reklamierten Verletzung eines Rechts nach der MRK oder einem ihrer Zusatzprotokolle beschränkt (RIS‑Justiz RS0129606 [insbesondere T3]).

[11] Weshalb der Antragsteller durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts in einem der angesprochenen Konventionsrechte verletzt worden sein soll, legt er aber nicht deutlich und bestimmt dar.

[12] So stellt die Kritik, wonach eine Mobiltelefonauswertung anlässlich von strafrechtlichen Vergehen den in Art 8 Abs 2 MRK angelegten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletze, den gebotenen Bezug zur angefochtenen Entscheidung ebenso wenig her wie der auf die Auswertung der Daten durch die Kriminalpolizei bezogene Vorwurf. Eine substantiierte Behauptung einer gerade durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 12. November 2024 erfolgten Grundrechtsverletzung ist darin jedenfalls nicht zu erkennen, umso weniger eine Auseinandersetzung mit den relevanten Punkten dieser Entscheidung.

[13] Vielmehr nimmt der Erneuerungsantrag die Entscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck zum Anlass, behauptete Gesetzes- und Grundrechtsverletzungen bei der Durchführung der von der Staatsanwaltschaft angeordneten Auswertung durch die Kriminalpolizei an den Obersten Gerichtshof heranzutragen und die Führung des Ermittlungsverfahrens zu kritisieren, eine derartige Möglichkeit eröffnet ein Erneuerungsantrag aber nicht (14 Os 31/21x).

[14] Soweit sich das Vorbringen erkennbar gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 12. November 2024 richtet, übergeht der Antragsteller die zum Inhalt der Anordnung der Sicherstellung der Staatsanwaltschaft Innsbruck (ON 4.8) getroffenen Sachverhaltsannahmen des Beschwerdegerichts (BS 6 f) und stellt diesen bloß seinen eigenen Prozessstandpunkt gegenüber, ohne Begründungsmängel (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) oder erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit getroffener Feststellungen (§ 281 Abs 1 Z 5a StPO) aufzuzeigen. Ebenso wenig macht das Vorbringen prozessförmig (siehe dazu RIS‑Justiz RS0128393) Rechtsfehler der angefochtenen Entscheidung geltend. Damit wird insgesamt der Bezugspunkt des geltend gemachten Rechtsbehelfs verfehlt (RIS‑Justiz RS0125393 und RS0124359).

[15] Hinzugefügt sei, dass der Verfassungsgerichtshof die Bestimmungen des § 110 Abs 1 Z 1 und Abs 4 StPO sowie des § 111 Abs 2 StPO mit Erkenntnis vom 14. Dezember 2023, G 352/2021, als verfassungswidrig wegen Verstoßes gegen § 1 Abs 2 DSG iVm Art 8 Abs 2 MRK [Rz 82 ff] aufgehoben und gleichzeitig ausgesprochen hat, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31. Dezember 2024 in Kraft tritt. Trotz der Aufhebung waren diese Normen aufgrund der gemäß Art 140 Abs 5 B-VG gesetzten Frist für das Außerkrafttreten bis zu diesem Zeitpunkt gemäß § 140 Abs 7 letzter Satz B-VG verfassungsrechtlich unangreifbar Teil des Rechtsbestands und daher im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung anzuwenden (RIS-Justiz RS0054001).

[16] Hinzugefügt sei weiters, dass die Kritik des Erneuerungsantrags, wonach sich das Beschwerdegericht über die ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hinweggesetzt und durch die Ablehnung der Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union nach Art 267 AEUV gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens nach Art 6 Abs 1 MRK verstoßen habe, aus der Prämisse entwickelt wird, dass die Auswertung von Inhaltsdaten eines Mobiltelefons, die wegen eines strafrechtlichen Vergehens vorgenommen wird, nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs jedenfalls unzulässig sei. Diese Rechtsbehauptung trifft jedoch nicht zu, ist doch die Bekämpfung schwerer Kriminalität nach einem erst jüngst ergangenen Urteil (der großen Kammer) des Europäischen Gerichtshofs für den Zugang zu auf einem Mobiltelefon gespeicherten Daten gerade kein zwingend notwendiges Erfordernis (EuGH 4. 10. 2024, C-548/21 , [Rz 97]). Im Übrigen hat das Oberlandesgericht Innsbruck dargelegt (BS 8 f), aus welchen Erwägungen die in der Beschwerde angeführten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs fallbezogen nicht einschlägig waren, sodass keine in einem Vorabentscheidungsverfahren klärbare Auslegungsfrage ersichtlich ist (vgl dazu 15 Os 82/16x, HK‑EMRK5 Harrendorf/König/Voigt Art 6 Rz 101).

[17] Der Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens war daher gemäß § 363b Abs 1 und 2 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung als unzulässig zurückzuweisen.

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