European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0140OS00031.21X.0810.000
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe:
[1] Die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption führt zu AZ 62 St 1/19x gegen DDr. ***** T***** und andere Beschuldigte sowie belangte Verbände ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 12 zweiter Fall, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen. In diesem fand am 27. Juni 2019 eine Durchsuchung der Geschäftsräume der P***** GmbH in ***** statt und es wurde bei dieser ein externer Datenspeicher mit vier Festplatten sichergestellt, der ein Back‑up sämtlicher elektronischer Aktivitäten eines Zeitraums von mehreren Jahren der Rechtsanwaltskanzlei E***** GmbH beinhalten soll (vgl ON 363 S 7, 11, 31 ff, 73 ff). Gegen die Sicherstellung erhob – der bei der Durchsuchung nicht anwesende – Mag. C***** im Namen der genannten Rechtsanwaltskanzlei (ersichtlich gemeint) Widerspruch nach § 112 Abs 1 StPO (ON 363 S 31, 73).
[2] Mit Beschluss vom 7. Oktober 2019 ordnete das Landesgericht für Strafsachen Wien an, dass der bei der Durchsuchung der Geschäftsräume der P***** GmbH sichergestellte und versiegelt dem Gericht übergebene Datenträger gemäß § 112 Abs 2 StPO zum Akt genommen werden darf, weil ein Widerspruch gemäß § 112 Abs 1 StPO einem Berufsgeheimnisträger nur in Bezug auf in seiner Verfügungsmacht befindlichen Unterlagen und Datenträgern zustehe (ON 586).
[3] Einer dagegen erhobenen Beschwerde der E***** GmbH (ON 608) gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 27. Jänner 2021, AZ 21 Bs 376/19a, mit im Wesentlichen gleicher Argumentation nicht Folge (ON 1170).
Rechtliche Beurteilung
[4] Unter Hinweis auf den zuletzt genannten Beschluss und Behauptung einer Verletzung der Art 6 Abs 1 und Art 8 MRK sowie Art 9 StGG und § 1 DSG beantragt die E***** GmbH – nicht auf ein Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützt – die Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO.
[5] Grundlage eines Erneuerungsantrags im (wie hier) erweiterten Anwendungsbereich (vgl RIS‑Justiz RS0122228) ist eine als grundrechtswidrig bezeichnete (letztinstanzliche) Entscheidung oder Verfügung eines dem Obersten Gerichtshof untergeordneten Strafgerichts (vgl dazu Rebisant , WK‑StPO §§ 363a-363c Rz 34 ff). Der Antrag hat – weil die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein ( Grabenwarter/Pabel , EMRK 7 § 13 Rz 16; zur sinngemäßen Geltung aller gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen vgl RIS‑Justiz RS0122737) – eine Grundrechtsverletzung deutlich und bestimmt darzulegen (RIS‑Justiz RS0122737 [T17]) und sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS‑Justiz RS0124359).
[6] Die Behandlung eines Erneuerungsantrags bedeutet daher nicht die Überprüfung einer gerichtlichen Entscheidung oder Verfügung nach Art einer zusätzlichen Beschwerde- oder Berufungsinstanz, sondern beschränkt sich auf die Prüfung der reklamierten Verletzung eines Rechts nach der MRK oder einem ihrer Zusatzprotokolle (vgl RIS‑Justiz RS0129606 [T2, T3], RS0132365). Ebenso wenig eröffnet ein Antrag auf Verfahrenserneuerung die Möglichkeit, allgemein das Vorgehen von Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft oder Gerichten in einer bestimmten Strafsache einer höchstgerichtlichen Kontrolle zu unterziehen.
[7] Vorliegend nimmt der (im Wesentlichen das im Beschwerdeverfahren AZ 21 Bs 376/19a des Oberlandesgerichts Wien erstattete Vorbringen wiederholende [vgl ON 608]) Erneuerungsantrag die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 27. Jänner 2021 überwiegend lediglich zum Anlass, behauptete – hier aber von vornherein gar nicht gegenständliche – Gesetzes- und Grundrechtsverletzungen bei der Anordnung und Durchführung der Durchsuchung der Geschäftsräume der P***** GmbH sowie der dabei erfolgten Sicherstellung eines Datenträgers, aber auch bei der Anordnung und Durchführung der Durchsuchung der Kanzleiräume der Antragstellerin in *****, und der dort erfolgten Sicherstellungen an den Obersten Gerichtshof heranzutragen.
[8] Soweit im Antrag das gegenständliche Verfahren über den Widerspruch nach § 112 Abs 1 StPO überhaupt angesprochen wird, unterbleibt eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der (allein maßgeblichen) Entscheidung des Beschwerdegerichts und wird daher ein nachvollziehbarer Bezug zwischen dieser und einem als verletzt erachteten Recht der MRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle nicht hergestellt (vgl RIS‑Justiz RS0128393 [T2]).
[9] Weil nur die Verletzung eines der zuletzt genannten Rechte Gegenstand eines Antrags auf Verfahrenserneuerung (auch) im erweiterten Anwendungsbereich des § 363a StPO sein kann (erneut RIS‑Justiz RS0132365), hat die im Erneuerungsantrag ebenfalls reklamierte Verletzung der Art 9 StGG und § 1 DSG von vornherein auf sich zu beruhen.
[10] Der solcherart unzulässige Erneuerungsantrag war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung in sinngemäßer Anwendung des Art 35 Abs 3 MRK zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 StPO).
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