European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0120OS00084.14S.0925.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf zehn Jahre herabgesetzt.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch ein unangefochten gebliebenes Verfallserkenntnis enthaltenden Urteil wurde Vasile S***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 dritter Fall StGB (I./) und des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 12 dritter Fall, 127, 129 Z 1 StGB (II./) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt.
Danach hat er in W*****
I./ am 12. November 2012 Josef H***** durch Versetzen eines Fußtritts gegen das Gesicht, wodurch dieser zu Boden stürzte, und durch Versetzen von vier bis sechs Fußtritten gegen dessen Kopf und das Gesicht mit Gewalt gegen eine Person fremde bewegliche Sachen, und zwar eine Geldbörse mit 500 Euro Bargeld, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, wobei die Gewaltanwendung eine an sich schwere Körperverletzung, nämlich einen Kiefer‑ und Nasenbeinbruch des Josef H***** zur Folge hatte.
II./ am 30. Juli 2012 zur Ausführung der strafbaren Handlung unbekannter Täter namens „C*****“ und „Co*****“, die im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter im Urteil aufgezählte fremde bewegliche Sachen im Wert von ca 600 Euro der Anne-Sophie Ca***** durch Einbruch mit dem Vorsatz wegnahmen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, beigetragen, indem er beim Einsteigen half und anschließend vor dem Haus Wache stand.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten aus Z 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.
Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) wendet sich gegen Konstatierungen zur Annahme der Qualifikation nach § 143 dritter Fall StGB, spricht aber, wenn sie nicht die Feststellungen zum Kieferbruch (US 4, 8), sondern ausschließlich jene zum Bruch des Nasenbeins bekämpft, keine entscheidenden Tatsachen an. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind Knochenbrüche in aller Regel an sich schwere Verletzungen, es sei denn, es handelt sich um kleinere Knochen von untergeordneter Bedeutung (RIS‑Justiz RS0092611). Im Übrigen blieb der eine Prellung des Nasenbeins diagnostizierende Verletzungsbefund des AKH vom 13. November 2012 der Beschwerde zuwider nicht unberücksichtigt (US 8).
Ob Josef H***** vor dem Tatgeschehen Drogen kaufen und weitergeben wollte (vgl US 4), ist für die Lösung der Schuld- und der Subsumtionsfrage ebenso wenig von Bedeutung wie die Tatsache, ob das Opfer in der im Zuge des Raubgeschehens weggenommenen Geldbörse tatsächlich einen 500 Euro‑Schein aufbewahrt hatte.
Mit der Beschäftigungslosigkeit des Josef H***** hat sich das Erstgericht im Übrigen sehr wohl auseinandergesetzt (US 6).
Die im Ermittlungsverfahren als Beschuldigte vernommene Zeugin Manuela R***** konnte zum Tathergang keine Angaben machen (US 9 f; ON 3 S 81). Das Nichterwähnen eines 500 Euro‑Scheins bedurfte auch deshalb keiner gesonderten Erörterung.
Dem Amtsvermerk der Landespolizeidirektion Wien vom 12. November 2012 zufolge konnten am Boden des Innenhofs verstreut mehrere Münzen aufgefunden werden, wodurch nach Ansicht des Erstgerichts der Tatverdacht des Raubes erhärtet wurde (ON 3 S 23; US 7). Das nicht auf Hartgeld Bezug nehmende Sicherstellungsprotokoll war dem Beschwerdevorbringen zuwider ebenso wenig erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall) wie die in diesem Zusammenhang angefertigten, im Akt in Kopie befindlichen Lichtbildbeilagen, auf denen keine Münzen zu ersehen sind. Die in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck kommende sachverhaltsmäßige Bejahung oder Verneinung bloß einzelner von mehreren erheblichen Umständen, welche erst in der Gesamtschau mit anderen zum Ausspruch über entscheidende Tatsachen führen, kann im Übrigen aus Z 5 nicht bekämpft werden (RIS‑Justiz RS0116737 [T2]).
Der Umstand der Ablehnung des Josef H*****, an einer Gegenüberstellung mitzuwirken (ON 16), steht den Urteilsannahmen ebenso wenig entgegen (vgl US 8). Im Übrigen hat der Angeklagte das Zusammentreffen an sich gar nicht bestritten.
Mit eigenen Beweiswerterwägungen und Spekulationen zu einem möglichen Verleumdungsmotiv wendet sich der Rechtsmittelwerber nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen
Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.
Die Sanktionsrüge (Z 11) bringt in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur vor, dass das (diesen Umstand im Zuge der Urteilsausfertigung dokumentierende) Erstgericht die Bedachtnahme (§ 31 Abs 1 StGB) auf das Urteil des spanischen Gerichts (ES) JDO. Instruccion N.1 de Ibiza/Eivissa vom 3. Mai 2013, mit welchem der Angeklagte wegen Fahrens unter dem Einfluss von Alkohol und Betäubungsmitteln und Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu gemeinnützigen Leistungen im Gesamtausmaß von 80 Tagen sowie zu einem achtmonatigen Fahrverbot verurteilt wurde, zu Unrecht unterlassen habe, weil die nunmehr inkriminierten Taten nach der Zeit ihrer Begehung im früheren (spanischen) Verfahren hätten abgeurteilt werden können.
Die Anwendung des § 31 StGB setzt voraus, dass im Bedachtnahmeurteil eine Strafe bemessen wurde ( Ratz in WK 2 StGB § 31 Rz 6). Aus diesem Grund kann auf ein Vorurteil, in dem ein Schuldspruch ohne Strafe (§ 12 JGG) oder ein Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe (§ 13 JGG) ausgesprochen wurde, nicht Bedacht genommen werden ( Fabrizy StGB 11 § 31 Rz 10b; RIS‑Justiz RS0086987). Diese Einschränkung ergibt sich aus der Struktur des § 31 StGB, der eine Schlechterstellung jenes Täters verhindern will, über dessen mehrere Straftaten in zeitlich getrennten Urteilen entschieden wurde, obwohl (theoretisch) die Möglichkeit bestand, die Sanktionierung in einem einzigen Verfahren vorzunehmen ( Ratz in WK 2 StGB § 31 Rz 7).
Dabei gibt § 31 StGB zwei (zusätzliche) Grenzen des anzuwendenden Strafrahmens vor:
Zum einen darf das (über §§ 28 ff StGB zu bildende) Höchstmaß für die neu abzuurteilende Tat nicht überschritten werden (Fabrizy StGB11 § 31 Rz 5).
Zum anderen ist jene Höchstgrenze zu beachten, die bei gemeinsamer Aburteilung nach den Regeln der §§ 28 ff StGB gegolten hätte (Ratz in WK2 StGB § 31 Rz 8). Für diese Grenze ist es daher notwendig, von der für die neu abzuurteilende Straftat vorgesehenen Maximalstrafe ausgehend die Vorurteilssanktion als Geld‑ oder Freiheitsstrafe auszuweisen und dieses Strafmaß von dieser Obergrenze abzuziehen.
Beide Anknüpfungspunkte orientieren sich somit an den in den Strafgesetzen vorgesehenen Sanktionen der Geld- und Freiheitsstrafe. Daher kann selbst dann, wenn bei einer Verurteilung nach § 13 JGG (mehrfache) Weisungen erteilt und für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet wurden, eine diese „Belastung“ ausgleichende Berücksichtigung iSd § 31 StGB im nachfolgenden Urteil trotz der zeitlichen Voraussetzungen für eine Bedachtnahme nicht Platz greifen, weil die Vergleichsparameter derartiger sanktionsbegleitender Maßnahmen zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe fehlen.
Im vorliegenden Fall liegt ein Urteil eines spanischen Gerichts vor, mit dem für eine in Österreich (offenbar) nicht gerichtlich strafbare Handlungen (Fahren unter dem Einfluss von Alkohol oder Betäubungsmitteln sowie Fahren ohne Fahrerlaubnis) eine gemeinnützige Leistung in der Dauer von 40 Tagen sowie ein Fahrverbot verhängt wurden.
Das Fehlen der gerichtlichen Strafbarkeit in Österreich kann zufolge der Ausnahmeregelung des § 31 Abs 2 StGB, mit dem auf die Gleichstellungskriterien des § 73 StGB keine Rücksicht zu nehmen ist, auf sich beruhen.
Die im spanischen Urteil festgesetzten strafrechtlichen Reaktionen sind allerdings weder eine Geld- noch eine Freiheitsstrafe. Sie bieten daher auch keinen Anknüpfungspunkt für die Anwendung des § 31 StGB.
Aufbauend darauf war somit die ein Vorgehen nach § 31 StGB unterlassende Sanktionsfindung durch das Erstgericht unbedenklich, zumal es bei dieser Ausgangslage auf das spanische Vorurteil nicht Bedacht nehmen musste.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zur Gänze zu verwerfen.
Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten unter Anwendung des § 28 StGB nach § 143 erster Strafsatz StGB eine Freiheitsstrafe von 12 Jahren.
Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen von zwei strafbaren Handlungen derselben Art (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) und fünf einschlägige Vorverurteilungen (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB) als erschwerend, als mildernd hingegen das zum Teil abgelegte reumütige Geständnis und den Beitrag zur Wahrheitsfindung sowie die untergeordnete Beteiligung an der dem Schuldspruch II./ zugrundeliegenden Tat.
Eine in der Berufung reklamierte geringe Raubbeute liegt schon mit Blick auf den ‑ wenngleich auch nicht besonders hohen ‑ Wert der gewaltsam weggenommenen Sachen nicht vor.
Mag auch der stationäre Krankenhausaufenthalt als Folge der Josef H***** beim Raub zugefügten schweren Verletzung nur drei Tage gedauert haben, so übergeht der Rechtsmittelwerber insoweit die wesentlich länger nachwirkenden Folgen des Kieferbruchs (vgl ON 3 S 69 ff). Beide in der Berufung vorgebrachten, sowohl für den Tatbestand als auch für die Qualifikation der Raubes keinerlei Rolle spielenden Umstände vermögen somit die Tat in keinem milderen Licht erscheinen lassen.
Die aus 2010 stammenden Verurteilungen durch zwei französische Gerichte betrafen nicht weiter qualifizierte Diebstähle, bei denen Strafen von 15 Tagen und zwei Monaten verhängt wurden (ON 74).
Die drei einschlägigen, teils qualifizierte Vermögensdelikte betreffenden, Vorverurteilungen rumänischer Gerichte aus den Jahren 2004 (zweimal) und 2011 führten hingegen zu Strafen im Ausmaß von sechs Monaten, sieben Jahren und 30 Monaten (ON 75).
Dieses erheblich getrübte Vorleben gebietet mit Blick auf die nunmehrigen, innerhalb des angenommenen Qualifikationsbereichs durchschnittliche Kriminalität zum Ausdruck bringenden Straftaten zwar eine empfindliche Freiheitsstrafe, die allerdings in einer Verdoppelung der Mindeststrafe eine Grenze findet. Damit entspricht eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren dem Unrechtsgehalt der beiden Taten und der Schuld des Angeklagten.
Der Berufung war somit Folge zu geben und die Freiheitsstrafe auf zehn Jahre herabzusetzen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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