OGH 12Os72/90

OGH12Os72/9028.6.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Juni 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Horak, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärtes Dr. Ungerank als Schriftführer in der Strafsache gegen Rudolf S*** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit b FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Finanzamtes Innsbruck als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 22. März 1990, GZ 35 Vr 2817/89-12, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöfffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 24.Juli 1924 geborene Gendarmeriegeneral i.R. Rudolf S*** des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit b FinstrG schuldig erkannt. Darnach hat er im Zeitraum vom 1.Jänner 1982 bis 31. Dezember 1986 in Innsbruck als geschäftsführender Präsident des Fußballvereines FC Swarovski Tirol-Innsbruck, vormals Sparkasse Swarovski Innsbruck, Spielgemeinschaft FC Wacker Insbruck-WSG Swarovski Wattens, dadurch, daß über seine Anordnung bzw mit seiner Zustimmung nicht sämtliche Geldflüsse hinsichtlich Spieler und Trainer auf den Lohnkonten erfaßt wurden, vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 EStG entsprechenden Lohnkonten eine Verkürzung von Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen in der Höhe von 14,755.679 S bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten. Über den Angeklagten wurde eine bedingt nachgesehene Geldstrafe verhängt.

Dieses Urteil bekämpft nur das Finanzamt Innsbruck als Finanzstrafbehörde erster Instanz mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 3, 4 und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und mit Berufung gegen den Strafausspruch.

Rechtliche Beurteilung

Das Finanzamt zeigt zwar richtig auf, daß ihm entgegen den klaren Vorschriften der §§ 200 Abs. 1 und 2, 209 FinStrG weder die Anklageschrift, noch eine Vorladung zur Hauptverhandlung zugestellt wurden, sodaß eine formelle Beteiligung im gerichtlichen Finanzstrafverfahren unterblieben ist. Da die Mißachtung dieser Bestimmungen aber nicht ausdrücklich mit Nichtigkeit bedroht ist und die genannten Gesetzesstellen auch in der taxativen Aufzählung der mit Nichtigkeit bedrohten Verfahrensverstöße im § 281 Abs. 1 Z 3 StPO nicht aufscheinen, liegt eine Nichtigkeit im Sinne dieses Nichtigkeitsgrundes nicht vor (SSt 32/9, 40/17). Darüber hinaus können diese Verfahrensverstöße aber auch unter dem Gesichtspunkt des ebenfalls angezogenen Nichtigkeitsgrundes der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO zum Nachteil des Angeklagten schon deshalb nicht geltend gemacht werden, weil der Angeklagte im Sinn der Anklage voll schuldig gesprochen wurde, sohin feststeht, daß die Formverletzungen einen die Anklage beeinträchtigenden Einfluß nicht zu üben vermochten (§ 281 Abs. 3 StPO), zumal in der Hauptverhandlung als einziger Zeuge ein Finanzbeamter gehört wurde (S 148, 149). Schließlich vermeint die Finanzstrafbehörde, daß das Schöffengericht für die Strafbemessung maßgebende entscheidende Umstände offenbar unrichtig beurteilt und in unvertretbarer Weise gegen Bestimmungen über die Strafzumessung verstoßen hat (§ 281 Abs. 1 Z 11, zweiter und dritter Fall, StPO), weil trotz offener Ratenverpflichtungen und über den Abgabenrückstand hinausgehender Verluste des Staates (Zinsenentgang) von einer nahezu vollen Schadensgutmachung ausgegangen und darauf die geringe Geldstrafe und die bedingte Strafnachsicht gestützt wurden.

Das Schöffengericht konstatierte in Übereinstimmung mit dem in der Hauptverhandlung vorgelegten Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom 11.Jänner 1990, mit dem Zahlungserleichterungen durch Bewilligung von Ratenzahlungen gewährt wurden, daß zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch ein Rückstand von 6,114.839 S bestand, der aber bei weiterer Einhaltung der Ratenverpflichtung - wofür die Firma Swarovski ein Garant sei - bis 15.November 1990 zur Gänze abgestattet sein wird (S 163, 165, 167).

Wenn das Gericht in diesem bisherigen Verhalten des hinter dem vom Angeklagten seinerzeit geführten Sportverein stehenden renommierten Unternehmens eine teilweise Schadensgutmachung durch Dritte und in dem weiteren Hinwirken des Angeklagten auf die Einhaltung der Ratenverpflichtung ein ernstliches Bemühen zur Rückzahlung des noch aushaftenden Steuerrückstandes sieht und dies insgesamt als eine "nahezu volle Schadensgutmachung" (S 167) bewertet, kann darin weder eine rechtsfehlerhafte Beurteilung der erkennbar den Milderungsumständen des § 34 Z 14 und 15 StGB subsumierten Strafzumessungstatsachen (EvBl 1988/115) gesehen (vgl insgesamt hiezu Kunst im Wiener Kommentar Rz 43, 44 zu § 34 StGB), noch davon gesprochen werden, daß das Gericht zur Begründung der Strafhöhe und der bedingten Strafnachsicht Kriterien heranzog, die die im Gesetz normierten Strafzumessungsvorschriften in unvertretbarer Weise mißachten (JBl 1989, 328).

Inwieweit dem Schöffengericht aber allenfalls Ermessensfehler bei der (nach Meinung des Finanzamtes zu milden) Strafzumessung unterlaufen sind, wird bei Entscheidung über die gleichzeitig mit der Nichtigkeitsbeschwerde angemeldete und in diese Richtung auch ausgeführte Berufung durch den hiefür allein zuständigen Gerichtshof zweiter Instanz zu beurteilen sein.

Es waren daher die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 d Abs. 1 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen und die Akten zur Entscheidung über die Berufung dem Oberlandesgericht Innsbruck zuzuleiten (§ 285 i StPO). Eine Kostenentscheidung hatte hier zu entfallen (§ 390 a StPO iVm § 228 FinStrG).

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